header image

„Ein junges, neues Geschlecht wird besseres liefern als das alte“.
Ein Empfehlungsbrief Alexander von Humboldts für Carl Ludwig

Zusammenfassung

In dem Aufsatz wird ein Brief erstmalig veröffentlicht, in dem Alexander von Humboldt im Jahr 1849 bei einem Minister der liberalen Regierung von Kurhessen die Verdienste eines an der Universität in Marburg lehrenden jungen Professors hervorhob. Die Rede ist hier von dem später durch bahnbrechende Entdeckungen berühmten Physiologen Carl Ludwig. Vermittelt wurde das Schreiben durch den Humboldt nahestehenden Mediziner und Physiologen Emil du Bois-Reymond. Der Empfehlungsbrief, mit dem Humboldt versuchte, Ludwigs finanzielle Situation zu verbessern, ist ein Beispiel für die Förderung junger Forscher wie auch freier wissenschaftlicher Institutionen durch Humboldt.

Abstract

A letter from Alexander von Humboldt to a minister in the liberal government of the Electorate of Hesse is published here for the first time. In this letter from 1849, Humboldt praised the achievements of a young professor at the University of Marburg: Carl Ludwig, now famous for his groundbreaking discoveries in physiology. Humboldt’s friend and colleague, Emil du Bois-Reymond, had facilitated the contact between Ludwig and Humboldt. The letter of recommendation, with which Humboldt sought to help improve Ludwig’s financial situation, is an example of how Humboldt promoted the work of young scientists and independent scientific institutions.

Resumen

En el ensayo se publica por primera vez una carta en la que Alexander von Humboldt, en 1849, enfatizaba los méritos de un joven profesor que enseñaba en la Universidad de Marburg a un ministro del gobierno liberal de Hesse. Estamos hablando del fisiólogo Carl Ludwig, que más tarde se hizo famoso por sus descubrimientos innovadores. La carta fue mediada por el médico y fisiólogo Emil du Bois-Reymond, cercano a Humboldt. La carta de recomendación con la que Humboldt intentó mejorar la situación financiera de Ludwig es un ejemplo del apoyo de Humboldt a los jóvenes investigadores y a las instituciones científicas independientes.

Alexander von Humboldt verwandte in den letzten Jahrzehnten seines Lebens viel Zeit und Mühe auf die Förderung von Reisenden, von Künstlerinnen und Künstlern, vor allem aber auf die Unterstützung junger talentierter Wissenschaftler. Die vielfältigen Bemühungen um Förderung jüngerer Talente wurzelte in seiner festen Überzeugung, dass das Faszinierende an den Wissenschaften darin besteht, weit über das einzelne Individuum und dessen Arbeit hinauszugehen und die Anstrengungen aufeinander aufbauender Generationen von Wissenschaftlern zu immer höherer Erkenntnis zu führen. Im Verlaufe eines langen Lebens erblickte er in diesem fortgesetzten Erkenntnisstreben eine Art tiefengeschichtliches Korrektiv jener politischen Enttäuschungen, die er in Preußen, aber auch anderswo konstatieren musste. Ein ganzes Leben lang blieb er als „trikolorer Lappen“, als den er sich selbstironisch bezeichnete1, seinen aus dem Erleben der Französischen Revolution bezogenen Idealen von Freiheit und Menschlichkeit treu. Die Wissenschaften standen für ihn in der Pflicht, zur wachsenden Bildung der Bürger und einer zunehmenden Demokratisierung der Gesellschaft beizutragen.

Diese unermüdliche Fördertätigkeit Alexander von Humboldts hat etwa der Mathematikhistoriker und Alexander-von-Humboldt-Forscher Kurt-R. Biermann (1919–2002) untersucht und durch zahlreiche Schriften und Briefeditionen einem interessierten Publikum bekanntgemacht.2 Seitdem sind in vielen Veröffentlichungen zu einzelnen Werken und Lebensphasen Humboldts, aber auch insbesondere durch die fortgesetzte Publikation der Humboldt’schen Korrespondenz diese Aktivitäten ins Rampenlicht der Forschung getreten und erscheinen als eine weitere Säule des stets ethisch fundierten Wirkens dieses großen preußischen Kultur- und Naturforschers.

Im Folgenden soll nun ein Empfehlungsbrief für einen jungen Mediziner vorgestellt werden, der der Forschung erst kürzlich und auf eher zufälligen Wegen zugänglich wurde. Die Verfasser bedanken sich für die freundliche Vermittlung bei Frau Prof. Dr. Dale A. Koike sowie für die großzügige Zurverfügungstellung des Empfehlungsschreibens bei Herrn Lars Dennert, in dessen Besitz sich der Brief befindet.3

Am 2. August 1849 sandte Alexander von Humboldt die folgenden, aus Sanssouci datierten Zeilen an den kurhessischen Innenminister Johann Bernhard Eberhard (1795–1860):

Ew Excellenz

werden gewogentlichst verzeihen, wenn ein uralter Gelehrter,

dessen wissenschaftliche Bestrebungen sich vielleicht auch

Ihres Beifalls erfreuen können, Sie mit einer ganz gehor-

samsten Bitte zu belästigen wagt. Ich glaube eine

Pflicht zu erfüllen gegen einen talentvollen Mann, dessen

Name4 weit glänzend sein würde, wenn er in einem

grösseren Wirkungskreise stände. Professor Ludwig

zu Marburg hat in den Fächern der Physiologie

und der organischen Physik Trefliches und Neues geleistet,

mit vielen Hindernissen seiner persönlichen Lage kämpfend.

Die bald vollständige Theorie der Blutbewegung verdan-

ken wir grossentheils seinem Scharfsinn und seinem Apparate5.

370_Brief_S1.jpg

 

| S. 2 |

Das schwierige Problem der Endosmose, des Aufsteigens

der Säfte in einem System nicht6 communicirender Zellen

ist mit eben dem Glücke von ihm bearbeitet worden!

Das alte Geschlecht, zu dem ich gehöre und das

sich vorzüglich7 der Experimental-Physiologie im Pflan-

zen- und Thierreiche gewidmet hat, tritt ab; ein

junges, neues Geschlecht wird besseres liefern als das alte,

wenn, in der viel8 bewegten Zeit, es seine aufblühenden

Kräfte auf die Erforschung der Natur da concentrirt,

wo so viel zu entdecken übrig bleibt. Nächst

meinem heissen Wunsche, freie Institutionen im einigen

Deutschen Vaterlande endlich einmal regelmässig und ruhig

functioniren zu sehen, habe ich, in meinem 80 sten

Lebensjahre keinen anderen Wunsch9 als die Aufmerksamkeit

edler Staatsmänner auf die Wenigen, auf den kleinen

Kreis derer zu leiten, die mehr leisten werden, als

ich und meine Zeitgenossen es gekonnt. Diese Worte

bezeichnen das Motiv des10 Vertrauens in dem ich

an Ew Excellenz, den Herrn Minister des Inneren[,]

mich wende; sie bezeich[n]en meine Bitte einem so wichtigen

und arbeitsamen Gelehrten, Prof. Ludwig, der (wie

ich allgemein vernehme) auch ein treflicher Universitäts

Lehrer ist, eine sorgenfreie Lage wohlwollend, helfend

zu verschaffen. Prof. Ludwig hat über physiologische

Gegenstände mit mir correspondirt, er hat mich aber

nie aufgefordert zu dem Schritte den ich hier zu

thun11 wage.

In der freundlichsten Bitte um Nachsicht

zeichne ich mit inniger Verehrung,

Ew Excellenz,

ganz gehorsamster

Alexander v. Humboldt

Sanssouci

den 2 August

1849

370_Brief_S2.jpg

 

370_Umschl_1.jpg

[Anschrift auf dem Umschlag:] Sr Excellenz / dem Herrn Staatsrath Eberhard, / Vorstand des Kurfürstlichen / Ministeriums des Inneren pp / zu / Cassel / AlHumboldt

[Poststempel:] Berlin, 3 8 [1849] 11–12 [Uhr]

 

370_Umschl_2.jpg

[Rückseite: Humboldts Siegel und ein Stempel:] D1 5 8

 

Humboldt setzt sich hier mit der ganzen Kraft seiner Eloquenz für einen jungen Professor der Universität Marburg ein. Gemeint ist, um es gleich vorwegzusagen, der Extraordinarius für Vergleichende Anatomie Carl Ludwig12. Damals noch am Beginn seiner Karriere, gilt dieser Forscher heute als einer der Begründer der modernen Physiologie. Offenbar reichten die Einkünfte als außerordentlicher Professor in Marburg für einen einigermaßen angemessenen Lebensunterhalt nicht aus. Deshalb bat er den weltberühmten Alexander von Humboldt um Hilfe, die dieser auch gewährte. Ludwigs Bitte erfolgte, wie so oft in der (damaligen) Wissenschaft, nicht auf direktem Wege, sondern mit Hilfe einer klugen Strategie, die sich aus den entsprechenden Korrespondenzen rekonstruieren lässt.

Die nötigen Kontakte hatte der Physiologe Emil du Bois-Reymond (1818–1896) vermittelt, der in Berlin zum engeren Kreis um Humboldt gehörte. Ludwig und Du Bois-Reymond waren nicht nur Fachkollegen, sondern auch Freunde. Dem gedruckten Briefwechsel der beiden lässt sich entnehmen, wie sie ein regelrechtes Stratagem schmiedeten, um Humboldt zu seiner Intervention bei der kurhessischen Regierung zu bewegen. Grundlage für beider Überlegungen war die Tatsache, dass sich Alexander von Humboldt nicht nur im wissenschaftlichen, sondern auch im politischen Feld aufgrund seiner freundschaftlichen Nähe zu den preußischen Königen seit langen Jahren großer Einflussmöglichkeiten erfreute.

Die später befolgte Strategie wird, gleichsam als „Feldzug“, in einem Auszug aus dem Brief ersehbar, den Du Bois-Reymond am 26. Juni 1849 seinem Freund Ludwig sandte:

Nun zu Deiner Sache. Du verdienst zunächst einen Verweis, daß Du zu stolz bist, Dich von einem so unvergleichlich guten und großsinnigen Mann wie Humboldt ist, empfehlen zu lassen. Jeder strebsame Gelehrte, um so mehr einer, der schon Leistungen hinter sich hat, gleich den Deinigen, ist Humboldt’s Sohn; wir alle sind seine Familie. Nichtsdestoweniger müssen Schritte bei ihm immer eine gewisse Form haben. Erstlich ist es notwendig, daß Du selber an ihn schreibst. Du kannst Dich in allgemeinen Ausdrücken bewegen. Nachdem Du ihm erklärt, daß Du etwas von ihm willst, schildere Deine Entwicklungsgeschichte, so drastisch, wie Du es mir getan, und Deine jetzige Situation, ohne indes auf die Details hinsichtlich der Fakultät einzugehen, die Du mir mitgeteilt; deute, mit dem self-esteem eines über sich klaren und festen Mannes Deine großen Verdienste an. Sage dann ich hätte Dir versprochen, Humboldt würde etwas für Dich tun. Unterlaß nicht, ihm selber etwas Schmeichelhaftes zu sagen; denn Humboldt ist empfänglich für Anerkennung, was ihm nicht zu verdenken ist, da er auf das Andere im Leben Verzicht geleistet hat. Du fängst an mit Ew. Exzellenz, und wechselst im Texte mit Ew. Exzellenz, Hochdieselbe und dem einfachen Sie so ab, daß durchaus keine Überladung an bürgerlichen Ehrenbezeigungen sichtbar wird, was er nicht ausstehen kann. Mir schreibst Du nun zugleich eine Liste von dem was Du gemacht hast, so daß ich dadurch in Stand gesetzt bin, Humboldt in einer Art von Denkschrift Deine Verdienste zu schildern. Du legst mir ein paar auserlesene Tafeln mit Kurven als Geschenk bei, denn er liebt dergleichen zu besitzen. Endlich bedarf ich der ganz genauen Nachweisung mit Titel usw., an wen Humboldt zu schreiben hat, denn man kann ihm nicht die Mühe überlassen, darüber Erkundigungen einzuziehen. In Deinem Brief an ihn befleißige Dich ja einer sorgsamen und großen Handschrift, denn er ist Presbyops. – Alsdann wird der Feldzug vorbereitet sein, und ich hoffe das Beste.13

Dieses Schreiben verrät nicht nur einiges darüber, wie Du Bois-Reymond seinen Mentor sah. Es vermittelt auch gewisse Einblicke in die Konventionen, denen die Korrespondenz zwischen Partnern aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten zu folgen hatten. Empfehlungsbriefe waren eine gängige Form der Förderung junger Forscher, Reisender, SchriftstellerInnen und KünstlerInnen; und Humboldt war bestimmt einer der fleißigsten Verfasser solcher Briefe. Wie man seine Unterstützung erlangen konnte, zeigt Du Bois-Reymonds Brief an Ludwig.

In der Tat war Humboldt für gewisse Schmeicheleien recht empfänglich und achtete bei aller Offenheit auf gesellschaftliche Umgangsformen, er nannte sie „Anmut der Sitten“, die ihm bei seinen diplomatischen Aktivitäten stets zu Hilfe kamen. Seine Leidenschaft für die grafische Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse und „Kurven“ bildeten tatsächlich einen Charakterzug, den wir auch in seinen eigenen Werken immer wieder beobachten können. Du Bois-Reymond kannte den von ihm bewunderten Humboldt mit all seinen Eigenheiten sehr genau.

Ludwig wandte sich am 10. Juli 1849, den Empfehlungen seines Freundes folgend, an Humboldt. Die Handschrift dieses Briefes gilt als verschollen. Was darin gestanden haben muss, lässt sich jedoch aus der Korrespondenz zwischen Du Bois Reymond und Ludwig rekonstruieren.14 Den Empfang des Briefes bestätigte Humboldt am 15. Juli: „J’ai eu une lettre très aimable de Votre ami le Professeur Ludwig à Marburg.“15

Allerdings konnte Humboldt nicht sofort handeln, wie wir einem Schreiben vom 19. Juli 1849 entnehmen:

Mein theurer Dubois!

Man hält hier für gewiß, daß in Cassel das Ministerium Eberhard gestürzt ist. Um also keinen vergeblichen Schritt zu thun, muß ich Sie bitten an Ihren Freund zu schreiben, um zu erfahren, an wen man ihn empfehlen soll. Bis zur Antwort an Sie thue ich nichts.16

Dieses Gerücht war entstanden, weil die „Zusammenarbeit“ zwischen dem Landesherren, Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Hessen (1802–1875), und der im März 1848 unter der Führung von Bernhard Eberhard gebildeten liberalen Regierung von Hessen immer wieder durch den Kurfürsten boykottiert wurde. Das Ministerium wurde denn auch am 10. August 1849 entlassen, blieb aber bis Februar 1850 im Amt, da der Landesherr für die entlassenen Minister nicht sofort Nachfolger finden konnte.

Nachdem man Humboldt versicherte, dass Eberhard weiterhin im Amt war17, konnte der preußische Kammerherr aktiv werden, was am 2. August geschah. Einen Tag später ließ er Du Bois-Reymond wissen:

Partant avec le Roi pour être absent 5–6 jours sur les côtes de Schwinemünde je Vous annonce, mon cher Mr Dubois, que j’ai écrit au Prof[esseur] Ludwig et de la manière le plus touchante au ministre de l’Intérieur M. Eberhard. La dernière lettre était datée de Sanssouci. La colline historique fait toujours quelque effet. Puisse le ministre être sous le charme.18

Humboldts Brief an Carl Ludwig ist überliefert. Er ist datiert „Berlin, den 3. August, 2 Uhr morgens“ und hat diesen Wortlaut:

Ich habe heute Morgen, von Sanssouci aus, einen dringenden Brief an den Herrn Minister Eberhard geschrieben, um den, aus Zartgefühl, Sie, theuerster Herr Professor, mich nicht gebeten. Unser treflicher, gemeinschaftlicher Freund, Emil du Bois Reymond (für den ich allerhand Lanzen in der Acad[émie] des Sciences breche) versichert mich, daß Sie den Schritt, den ich gethan, nicht tadeln werden. Ich hoffe diesen Abend Musse zu gewinnen, nicht bloß um Ihnen innigst zu danken für Ihre mir so interessanten Geschenke, sondern mich auch mit Ihnen über Ihren scharfsinnigen und lehrreichen Aufsaz von der Endosmose zu unterhalten. Das leztere Problem, an alles geknüpft, was da wächst, beschäftigt mich lebhaft. Ich muß der Freude entsagen. Es ist in dem Laufe des Tages nothwendig geworden, daß ich den König morgen früh auf 4–5 Tage an die Küste von Schwienemünde begleite, und ich kann daher nur nächtlichst Ihnen dies kleine Lebenszeichen geben und Ihnen sagen: wie von Joh[annes] Müllers Zeitschrift [Archiv für Anatomie und Physiologie] her mir Ihr Name als ein glänzender, die edelsten Hofnungen erregender bekannt ist, in den Fächern der Experimental Physiologie, d[as] i[st] der organischen (Lebens-)Physik. Ich sollte nicht von Hofnungen sprechen: denn Ihnen gehört die fast vollendete Theorie der Blutbewegung, wie der so geistreich ersonnene Apparat die Lebens-Wellen zu messen. Mit der freundschaftlichsten Hochachtung …19

Humboldt hatte auch gegenüber dem Minister betont, dass er von Ludwig nicht um Unterstützung gebeten worden war. Vielmehr lieferte Du Bois-Reymond, wohl bei einem Gespräch, die Informationen, mit denen Humboldt die Verdienste seines Schützlings wirkungsvoll darstellen konnte. Humboldt dürfte dieses Spiel durchaus durchschaut haben, wie die Offenlegung seines Einsatzes für Du Bois-Reymond im Brief an Ludwig zeigt. In seinem Empfehlungsschreiben betonte er zugleich seine eigenen (wissenschaftspolitischen) Absichten, sich entschieden für „freie Institutionen“ in Deutschland einzusetzen. Mit diesem Empfehlungsschreiben verfolgte der Gelehrte und preußische Kammerherr, der in seinem Schreiben gleich zweimal mit seinem Alter kokettierte, also durchaus auch eigene Ziele.

Die Datierung des Briefes mit „dem historischen Hügel“ auf dem das Schloss Sanssouci steht, sollte Humboldts Nähe zum preußischen Hof unterstreichen und damit die Wirkung seiner Worte erhöhen. Auch Humboldt war strategisch keineswegs ungeschickt.

Schließlich versäumte Du Bois-Reymond es nicht, Humboldt über den Effekt seiner Eingabe an den kurhessischen Minister zu informieren:

Ich habe soeben einen Brief von Ludwig erhalten der voller Dank und Freude ist. Das Schreiben Ew. Excellenz hat in den betreffenden Kreisen in Kassel ungemeines Aufsehen erregt, man hat sich die Handschrift zeigen lassen; und Eberhard hat, als er abtrat, mit einem Merkzeichen den Brief den über Ludwig vorliegenden Acten beigefügt. Es ist zu hoffen, daß Ew. Excellenz edelmüthige Dazwischenkunft auch diesmal ihre segensreiche Wirkung nicht verfehlen werden.20

Die Frage, wie ein den Regierungsakten beigefügter Brief in eine private Autographensammlung gelangt ist, können wir nicht beantworten. Es bleibt auch noch zu klären, worum es bei der ganzen Aktion eigentlich ging. Ludwig hatte um eine Gehaltserhöhung von 300 Talern im Jahr gebeten.21 Wir können nicht mit Sicherheit sagen, wie groß die Wirkung des Humboldt’schen Briefes dann tatsächlich war, denn Carl Ludwig verließ noch 1849 Marburg und folgte einem Ruf an die Universität in Zürich. Doch zeigt sich an diesem Empfehlungsschreiben, wie sehr derartige Aktivitäten einen grundlegenden Aspekt des Humboldt’schen Wirkens darstellen. Noch im hohen Alter versuchte er, trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen und der unermüdlichen Arbeit an seinem Kosmos gleichzeitig zahlreiche Schritte zu unternehmen, um die wissenschaftliche wie gesellschaftliche Situation in Deutschland zu verbessern.

Bibliographie

Beneke, Klaus: Carl (Friedrich Wilhelm) Ludwig (29.12.1816 Witzenhausen/Werra – 24.04.1895 Leipzig) Mitbegründer der messenden Experimentalphysiologie und Erfinder des Kymographen. https://www.uni-kiel.de/anorg/lagaly/group/klausSchiver/ludwig.pdf, [zuletzt aufgerufen am 31.1.2024].

Biermann, Kurt-R.: „Ja, man muß sich an die Jugend halten“. Alexander von Humboldt als Förderer der forschenden Jugend. Schernfeld 1992.

Biermann, Kurt-R.: Ergebnisse aus vierzig Jahren wissenschaftshistorischer Forschung: Annotierte Bibliographie der Veröffentlichungen. Hrsg. von Menso Folkerts und Ingo Schwarz unter Mitarbeit von Herbert Pieper. München und Berlin 2023. https://edoc.bbaw.de/frontdoor/index/index/docId/3833, [zuletzt aufgerufen am 25.1.2024].

Briefe von Alexander von Humboldt an Christian Carl Josias Bunsen. Neu ediert von Ingo Schwarz. Berlin 2006.

Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt und Emil du Bois-Reymond. Hrsg. von Ingo Schwarz und Klaus Wenig. Berlin 1997 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung. Bd. 22).

Carl Ludwigs Kymographion – Wegbereiter der modernen Physiologie. https://www.sport.uni-mainz.de/physio/pdffiles/museum98.pdf, [zuletzt aufgerufen am 27.1.2024].

Zwei große Naturforscher des 19. Jahrhunderts. Ein Briefwechsel zwischen Emil du Bois-Reymond und Karl Ludwig. Hrsg. von Estelle du Bois-Reymond. Leipzig 1927.

1 In einem Brief an Christian Carl Josias Bunsen, datiert Berlin, 7. Januar 1842 in: Briefe von Alexander von Humboldt an Christian Carl Josias Bunsen. Neu ediert von Ingo Schwarz. Berlin 2006, S. 60.

2 Siehe dazu: Kurt-R. Biermann: „Ja, man muß sich an die Jugend halten“. Alexander von Humboldt als Förderer der forschenden Jugend. Schernfeld 1992. Eine annotierte Bibliographie der Schriften Biermanns kann vom edoc-Server der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften heruntergeladen werden: https://edoc.bbaw.de/frontdoor/index/index/docId/3833, [zuletzt aufgerufen am 25.1.2024].

3 Der Brief ist Teil des Eberhard Dennert Estate; die Verfasser danken Herrn Lars Dennert, Pasadena, California, für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung dieses Schreibens.

4 Humboldt schrieb versehentlich „Namen“.

5 Humboldt spielt hier auf einen von Ludwig entwickelten Kymographen (Wellenschreiber) an, den er 1846 als „Kymographion“, den ersten Blutdruck-Kurvenschreiber, bekannt machte. Siehe https://www.sport.uni-mainz.de/physio/pdffiles/museum98.pdf, [zuletzt aufgerufen am 29.2.2024].

6 „nicht“ ergänzt Humboldt.

7 Humboldt schrieb zunächst „ganz“, entschied sich dann für „vorzüglich“.

8 „viel“ ergänzt Humboldt.

9 „Wunsch“ ergänzt Humboldt.

10 Humboldt schrieb zunächst „meines“, entschied sich dann für „des“.

11 „zu thun“ ergänzt Humboldt.

12 Zur Biographie Carl Ludwigs siehe: Klaus Beneke: Carl (Friedrich Wilhelm) Ludwig (29.12.1816 Witzenhausen/Werra – 24.04.1895 Leipzig) Mitbegründer der messenden Experimentalphysiologie und Erfinder des Kymographen. https://www.uni-kiel.de/anorg/lagaly/group/klausSchiver/ludwig.pdf, [zuletzt aufgerufen am 29.2.2024].

13 Zwei große Naturforscher des 19. Jahrhunderts. Ein Briefwechsel zwischen Emil du Bois-Reymond und Karl Ludwig. Hrsg. von Estelle du Bois-Reymond. Leipzig 1927, S. 61–62. Vgl. auch: Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt und Emil du Bois-Reymond. Hrsg. von Ingo Schwarz und Klaus Wenig. Berlin 1997 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung. Bd. 22), S. 51–52.

14 Vgl.: Zwei große Naturforscher des 19. Jahrhunderts … (1927), S. 63–64.

15 Übersetzung: „Ich habe einen sehr liebenswürdigen Brief Ihres Freundes, Professor Ludwig in Marburg, bekommen.“ Briefwechsel Humboldt – Du Bois-Reymond (1997), S. 96.

16 Briefwechsel Humboldt – Du Bois-Reymond (1997), S. 96.

17 Vgl. Zwei große Naturforscher des 19. Jahrhunderts … (1927), S. 66.

18 Übersetzung: „Indem ich mit dem König abreise, um 5–6 Tage an den Küsten von Swinemünde abwesend zu sein, teile ich Ihnen, mein teurer Du Bois, mit, dass ich an Professor Ludwig geschrieben habe und in ergreifendster Weise an den Innenminister Herrn Eberhard. Der letztere Brief wurde aus Sanssouci datiert. Der historische Hügel macht immer einen gewissen Effekt. Möge der Minister bezaubert sein.“ Briefwechsel Humboldt – Du Bois-Reymond (1997), S. 97–98.

19 Briefwechsel Humboldt – Du Bois-Reymond (1997), S. 169.

20 Briefwechsel Humboldt – Du Bois-Reymond (1997), S. 99. Der Brief von Ludwig an Du Bois-Reymond, datiert 18.8.1849, ist abgedruckt in: Zwei große Naturforscher des 19. Jahrhunderts … (1927), S. 68–71.

21 Vgl. Zwei große Naturforscher des 19. Jahrhunderts … (1927), S. 57.

Creative Common License

Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell 4.0 International.

HiN - Alexander von Humboldt im Netz wird herausgegeben von der Universität Potsdam und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

ISSN 1617-5239 (online)

ISSN 2568-3543 (print)