Eberhard Knobloch
Alexander von Humboldt führte einen bisher völlig unbekannten Briefwechsel mit Ludwig August von Buch, einem Neffen des berühmten Geologen Leopold von Buch. Die drei in französischer Sprache verfassten und in Rom aufbewahrten Briefe werden zum ersten Mal publiziert. Sie berichten insbesondere über interessante Details von Humboldts Russland-Reise und enthalten ein Empfehlungsschreiben für den Offizier und Historiker Leopold von Orlich.
Alexander von Humboldt’s correspondence with Ludwig August von Buch, a nephew of the famous geologist Leopold von Buch, has been completely unknown until now. The three letters, written in French and preserved in Rome, are published here for the first time. In particular, they describe interesting details of Humboldt’s journey through Russia and provide a letter of recommendation for the officer and historian Leopold von Orlich.
La correspondance d’Alexander von Humboldt avec Ludwig August von Buch, un neveu du fameux géologue Leopold von Buch, était complètement inconnue jusqu’à maintenant. Les trois lettres écrites en français et conservées à Rome sont publiées pour la première fois. Elles décrivent en particulier des détails intéressants du voyage de Humboldt par la Russie et présentent une lettre de recommandation pour l’officier et historien Leopold von Orlich.
Es gibt einen bisher völlig unbekannten Briefwechsel Alexander von Humboldts mit Ludwig August von Buch, einem Neffen des berühmten, mit Humboldt befreundeten Geologen Leopold von Buch. Das Vatikanische Apostolische Archiv (Archivio Apostolico Vaticano) in Rom bewahrt drei solcher auf Französisch verfassten Briefe Humboldts auf. Ich danke sehr der italienischen Historikerin Dr. Anna Maria Voci, die mich am 18. April 2023 darüber informiert hat, und den zuständigen Mitgliedern des Archivs, insbesondere Dr. Luca Carboni und Marco Grilli, die dafür sorgten, dass mir Scans dieser Briefe zur Verfügung gestellt wurden.
Ludwig August von Buch (1801–4. Mai 1845) war ein preußischer Diplomat, der 1833 mit Humboldt in Berlin in persönlichem Kontakt stand (1. Brief), wo Humboldt 1834 auch dessen Familie traf (2. Brief). Auf seiner vor dem Februar 1834 erfolgten Reise nach St. Petersburg (2. Brief) nahm er auf Humboldts Bitten dessen Geschenke für den russischen Berghauptmann und Oberhüttenverwalter Dmitrij Stepanovič Men’šenin mit, der Humboldt ab St. Petersburg vom 20. Mai 1825 an bis zur Rückkehr nach St. Petersburg am 13. November 1829 begleitet hatte. Humboldts Aussagen zum dortigen gesellschaftlichen Klima und dessen Bitte, dem General der russischen Armee und russischen Finanzminister Georg von Cancrin Grüße auszurichten, ist zu entnehmen, dass Buch beabsichtigte, erneut nach St. Petersburg zu reisen.
1838 wurde er nach Rom entsandt und in der preußischen Legation beim Heiligen Stuhl als Geschäftsträger und Kammerherr tätig (3. Brief). Nachdem Christian Carl Josias Bunsen 1839 von seinem dortigen Posten als preußischer Ministerresident abgelöst worden war,1 wurde Buch sein Nachfolger. Sein dreiseitiges Testament wird im Brandenburgischen Landeshauptarchiv verwahrt.2 Buch hatte es am 24. Januar 1844 in Rom aufgesetzt. Ihm ist zu entnehmen, dass er von seiner Frau Maria, geb. von Nimptsch, geschieden wurde, mit der er eine Tochter Maria hatte, und dass er zwei Brüder, Albert und den jüngsten Bruder Emil, hatte. Unterschrieben war das Testament mit „Königlich Preussischer Legationsrat, Kammerherr und Minister Resident am Römischen Hof“.3
Wie Humboldt im zweiten bzw. dritten Brief vermerkte, hat er den zweiten Brief in Berlin am 19. Februar 1834, den dritten Brief eben dort am 12. Juni 1839 verfasst. Der erste Brief erwähnt keinen Abfassungsort und ist undatiert. Die fehlenden Angaben lassen sich jedoch weitgehend aus seinem Text und dem des zweiten Briefes erschließen.
Im ersten Brief erwähnt Humboldt, er kehre heute vom Schloss Paretz zurück, befindet sich also wieder in Berlin, wo er diesen Brief schreibt. In Paretz habe der König – gemeint ist Friedrich Wilhelm III. – das Fest des Kronprinzen, also des späteren Friedrich Wilhelm IV., gefeiert. Dies war offenbar dessen Geburtstag, also der 15. Oktober, der damit terminus post quem des noch zu bestimmenden Jahres ist.
Nun erklärt Humboldt Buch, wie ein Instrument von ihm zu transportieren sei: Buch steht kurz vor seiner Abreise, nach St. Petersburg, wie sich aus dem folgenden Brieftext ergibt. Denn Humboldt bittet ihn, drei Abzüge einer ihn darstellenden Zeichnung von dort zu besorgen, die in St. Petersburg im Auftrag des Kaisers Nikolaj I. angefertigt worden war. Diese Mitteilung ist um so interessanter, als das Bildnis sonst nicht genannt wird, weder im Auktionskatalog von 1860 noch von Halina Nelken.4 Im zweiten Brief entschuldigt sich Humboldt wegen seines verspäteten Dankes für die geleistete Gefälligkeit, seine Geschenke für Men’šenin, darunter das Instrument, nach St. Petersburg mitgenommen und die Grafiken besorgt zu haben. Die Humboldt’schen Aufträge sind also im Februar 1834 ausgeführt. Deshalb muss der erste Brief vor de19. Februar 1834, dem terminus ante quem, geschrieben worden sein. Einen Zeitraum von weit über einem Jahr zwischen den beiden Briefen anzunehmen, ist so gut wie ausgeschlossen. Der erste Brief ist danach zwischen dem 15. Oktober 1833 und dem 19. Februar 1834 abgefasst worden.
Drei Hauptthemen der Briefe sind die Geschenke Humboldts für Men’šenin, vermittelt durch Buch (erster und zweiter Brief), eine Gesellschaftskritik betreffend St. Petersburg und Berlin (zweiter Brief) sowie das Empfehlungsschreiben für Leopold von Orlich (dritter Brief).
Humboldt ist deutlich verärgert, dass Men’šenin auf die Geschenke und den mitgeschickten Brief Humboldts mit keinem Wort reagiert hat, und spricht deshalb von dessen sibirischer Unhöflichkeit. Dieser habe sich acht Monate unwillig verhalten, eine Inschrift auf dem astronomischen Kreis gravieren zu lassen: Gemeint ist offenbar der von Jean-Charles de Borda eingeführte Multiplikations-Spiegelkreis. Humboldts Worte stehen in deutlichem Gegensatz zu den freundlichen Bemerkungen über den russischen Begleiter, die Humboldt an den russischen Finanzminister Georg von Cancrin schickte. Am 25. Februar 1829 schrieb er, er freue sich auf die lehrreiche Begleitung von Men’šenin, am 14./26. Mai 1829, „Mit Herrn Menchenin leben wir in bester Eintracht; er ist stets gefällig und thätig“, am 27. Mai/8. Juni 1829, „Herr Menchenin’s Hülfe brauche ich nicht aufs neue zu rühmen“.5
Ludwig August von Buch steht, wie dem 2. Brief zu entnehmen ist, vor einer erneuten Reise nach St. Petersburg. Dies veranlasst Humboldt zu offenherzigen Bemerkungen über die dortige Gesellschaft und Buchs Aussichten, sich dort wohl zu fühlen. Mehr noch: Humboldt urteilt freimütig und kritisch über die Gesellschaft Berlins („eine der langweiligsten und ideenlosesten“), wie man es allenfalls gegenüber einem Mitglied seines engeren Freundeskreises erwartet.
Der dritte Brief ist ein Empfehlungsschreiben, wie sie Humboldt zahlreich verfasst hat. Interessant ist, dass er den nunmehrigen Geschäftsträger beim Vatikan in Rom, Buch, darum bittet, seinem Schützling und Briefpartner Leopold von Orlich Zugang zu den in Rom tätigen Künstlern zu verschaffen. Buch war also in die von Niebuhr, der im Brief deshalb nicht zufällig genannt wird, begründete und von Bunsen, seinem Vorgänger, fortgesetzte deutsche Salonkultur in Rom einbezogen.
[Berlin], [kurz nach dem 15. Oktober 1833]
Eigenhändige, handschriftliche Ausfertigung: Rom, Archivio Apostolico Vaticano, Carte Theiner 4, ff. 847–848.
Je reviens ce jour de Paretz où le Roi a célébré la fête du Pr. Royal. Je crains, mon cher Baron, que le départ très prochain du Cte Nesselrode ne hâte le Vôtre et j’ose Vous envoyer la grande tribulation en Vous suppliant en grâcede faire donner à cet Instrument une telle position que la partie marquée oben reste par en haut.
Je l’ai pour cela fait arranger de manière qu’il ne soit pas de trop mauvaise compagnie avec les voisins d’une complexion trop irritables. L’Empereur pendant mon séjour à St. Pétersbourg a fait faire de moi un petit dessin très spirituel destiné à une Collection de souvenir du Nasled[n]ik7. [Bl. 847v] On a lithographié à Pétersbourg même ma vieille figure d’après ce dessin et Vous m’obligerez infiniment, si un jour Vous pouviez me régaler (car je Vous demande impudemment un cadeau) de trois épreuves de mon pauvre moi. J’aurai encore le bonheur de Vous embrasser avant Votre départ pour les Hyperboréens.
ce mardi soirAlHumboldt
Übersetzung:
Ich kehre heute aus Paretz zurück, wo der König8 das Fest des Kronprinzen9 feierlich begangen hat. Ich fürchte, mein teurer Baron, dass die Abreise des Grafen Nesselrode10 die Ihrige beschleunigt, und ich wage, Ihnen die große Drangsal zu schicken, indem ich Sie anflehe, diesem Instrument eine solche Stellung geben zu lassen, dass der mit ‚oben‘ markierte Teil oben bleibt.
Ich habe es dafür derart einrichten lassen, dass es keine zu schlechte Begleitung mit den zu emofindlichen Nachbarn eines Naturells gibt. Der Kaiser11 hat während meines Aufenthaltes in St. Petersburg eine kleine, sehr geistreiche Zeichnung machen lassen, die für eine Erinnerungssammlung des Nachfolgers12 bestimmt war. Man hat in Petersburg sogar meine alte Gestalt nach dieser Zeichnung in Steindruck wiedergegeben und Sie würden mich unendlich verpflichten, wenn Sie mich eines Tages (denn ich bitte Sie schamlos um ein Geschenk) mit drei Abzügen meines armen Ichs ergötzen könnten. Ich werde noch das Glück haben, Sie vor Ihrer Abreise zu den Hyperboreern13 zu umarmen.
diesen DienstagabendAlHumboldt
Berlin, 19.2.1834
Eigenhändige, handschriftliche Ausfertigung: Rom, Archivio Apostolico Vaticano, Carte Theiner 4, ff. 843–844.
Vous voudrez bien excuser, Monsieur, que je Vous parle si tard de toute la reconnoissance que je Vous dois. Je sais par une triste expérience, combien je dois avoir été importun par les énormes et hostiles paquets dont j’ai encombré Votre voiture. La bienveillante facilité avec laquelle Vous Vous êtes prêté à ma prière m’a rendu indiscret. J’ai reçu vos petites gravures. Les artistes d’ici y ont trouvé un grand mérite d’exécution et de la ressemblance pour l’époque où cela a été fait. Le dessinateur est un homme très spirituel. L’original se trouve entre les mains du jeune Nasled[n]ik, je crois dans son album. Je conçois combien de peine Vous devez avoir eu de déterrer cette gravure qui n’avoit de l’intérêt que dans un tems où la cour me soignoit et où l’on étoit occupé des diamans que je n’avois pas trouvés. La société a été très animée cet hiver, plus que je l’auroit désiré pour mes travaux. Je suis heureux cependant de pouvoir jouir souvent de la société de Votre oncle, enrichi de notions nouvelles sur la Grèce. Il lui faut si peu de tems pour bien voir et pour agrandir un horizon qui déjà s’étendoit si loin. Quoique la proximité d’un homme d’état qui réunit la plus noble [Bl. 843v] indépendance de caractère à une grande culture d’esprit doi[ve]14 Vous consoler de bien des privations, je crains pourtant que pour un homme studieux comme Vous, le séjour de St. Pet. ne Vous offre que peu de jouissances. La ville renferme des savans et des littérateurs du premier ordre mais le luxe de la société les éloigne. Ici même on est parvenu à se former au milieu des richesses intellectuelles du pays, une des sociétés des plus insipides, des moins nourries d’idées, que l’on puisse trouver. Mr Mentschenin qui m’avoit accompagné en Sibérie a poussé la petitesse assez loin par accepter, à ce qui paroit, mes cadeaux d’instrumens, de livres et de cartes et ne pas répondre une seule ligne à une lettre très obligeante que je lui avois adressée. J’avois poussé la sentimentalité assez loin pour un homme qui nous avoit abreuvé de dégoûts pendant 8 mois, pour faire graver une inscription en commémoration du voyage de l’Altaï sur le Cercle astronomique. Ce personnage se trouvoit cependant à St. Pétersbourg et non dans l’Oural, lors de Votre arrivée, Monsieur ? Je veux [Bl. 844r] encore attendre avant de lui adresser directement mes reproches sur son incivilité sibérienne. Oserois-je Vous prier en attendant de lui écrire ces simples lignes :
« Mr de Humboldt est toujours incertain du sort de l’instrument et des livres dont il m’avoit chargé pour Vous, Monsieur : il m’écrit n’avoir pas eu reçu une seule ligne de Votre main. »
N’ajoutez pour le moment, je Vous en prie, aucune autre expression de plainte. Mr Ancillon dit toujours qu’il va partir pour son congrès, mais il le dit depuis longtems. Toute la diplomatie est d’ailleurs dans une harmonie sentimentale et affectueuse. Il n’y a rien de plus édifiant, que ces passages si prompts de l’anxiété des prévisions un peu haineuses à ces afféteries de bienveillance. Toutes les nominations restent en suspens jusqu’au retour printanier des oïes et des cygnes qui ne chantent pas. Je Vous supplie, Monsieur, d’offrir mes tendres et respectueux hommages à l’excellent Général et de me conserver une place dans Votre affection.
AlHumboldt
Berlin ce 19 Févr. 1834.
Toute Votre famille que j’ai eu le plaisir de rencontrer hier, est parfaitement bien. Je ne parle pas de la santé du Monarque, qui grâce à l’Eternel, n’a jamais été plus raffermie.
Übersetzung:
Sie werden bitte entschuldigen, mein Herr, dass ich zu Ihnen so spät von der gesamten Dankbarkeit spreche, die ich Ihnen schulde. Ich weiß auf Grund einer traurigen Erfahrung, wie lästig ich durch die riesigen und feindseligen Pakete gewesen sein muss, mit denen ich Ihren Wagen überhäuft habe. Die wohlwollende Leichtigkeit, mit der Sie meiner Bitte nachgegeben haben, hat mich zudringlich gemacht. Ich habe Ihre kleinen Grafiken erhalten. Die Künstler von hier haben dort ein großes Verdienst der Ausführung und der Ähnlichkeit für die Epoche gefunden, in der dies gemacht wurde. Der Zeichner ist ein sehr geistreicher Mann. Das Original befindet sich in den Händen des jungen Thronfolgers, ich glaube in seinem Album. Ich verstehe, wie viel Mühe Sie gehabt haben müssen, diese Grafik ausfindig zu machen, die Interesse nur in einer Zeit gehabt hat, in der der Hof mich versorgte und in der man mit Diamanten beschäftigt war, die ich nicht gefunden hatte. Die Gesellschaft ist diesen Winter sehr betriebsam gewesen, mehr als ich für meine Arbeiten gewünscht hätte. Ich bin dennoch glücklich, mich oft der Gesellschaft Ihres Onkels15 erfreuen zu können, bereichert um neue Kenntnisse über Griechenland. Er braucht so wenig Zeit, um einen Horizont gut zu sehen und um ihn zu vergrößern, der sich schon so weit ausdehnte. Auch wenn die Nähe eines Staatsmannes, der die edelste Unabhängigkeit des Charakters mit einer großen Geisteskultur verbindet,16 Sie über sehr viele Entbehrungen trösten muss, fürchte ich dennoch, dass für einen der geistigen Arbeit zugetanen Mann wie Sie der Aufenthalt in St. Petersburg nur wenig Genüsse bietet. Die Stadt umfasst erstrangige Gelehrte und Literaten, aber der Luxus der Gesellschaft entfremdet sie. Selbst hier ist man dahin gelangt, sich inmitten der intellektuellen Reichtümer der Heimat eine der langweiligsten, der am wenigsten von Ideen genährten Gesellschaften zu formen, die man finden könnte. Herr Men’šenin17, der mich in Sibirien begleitet hatte, hat die Kleinkariertheit ziemlich weit getrieben, indem er, wie es scheint, meine Geschenke an Instrumenten, an Büchern und an Karten akzeptierte und keine einzige Zeile auf einen sehr verbindlichen Brief in Betracht zog, den ich an ihn gerichtet hatte. Ich hatte die Gefühlsseligkeit ziemlich weit für einen Mann getrieben, der uns acht Monate mit Widerwillen überschüttet hatte, um eine Inschrift zur Erinnerung an die Reise zum Altai auf dem astronomischen Kreis gravieren zu lassen. Dieser Mensch befand sich dennoch in St. Petersburg und nicht im Ural zur Zeit Ihrer Ankunft, mein Herr? Ich will noch warten, bevor ich ihm unmittelbar meine Vorwürfe wegen seiner sibirischen Unhöflichkeit schicke. Könnte ich Sie bitten, indem ich warte, ihm diese einfachen Zeilen zu schreiben? „Herr von Humboldt ist ständig im Ungewissen über das Schicksal des Instrumentes und der Bücher, mit denen er mich für Sie, mein Herr beauftragt hatte: er schreibt mir, keine einzige Zeile von Ihrer Hand erhalten zu haben.“
Fügen Sie für den Augenblick, ich bitte Sie darum, keinen weiteren Ausdruck der Beschwerde hinzu. Herr Ancillon18 sagt stets, dass er zu seinem Kongress abreisen wird. Aber er sagt es seit langem. Die gesamte Diplomatie ist übrigens in einer sentimentalen, zärtlichen Harmonie. Es gibt nichts Erbaulicheres als diese so raschen Wechsel von der Ängstlichkeit vor den ein wenig gehässigen Vorhersagen zu diesen Künsteleien von Wohlwollen. Alle Ernennungen bleiben in der Schwebe bis zur Frühlingsrückkehr der Gänse und der Schwäne, die nicht singen. Ich bitte Sie, mein Herr, meine zarten und respektvollen Ehrerbietungen dem hervorragenden General19 zu übermitteln und mir einen Platz in Ihrer Zuneigung zu bewahren.
Berlin, den 19. Februar 1834AlHumboldt
Ihrer gesamten Familie, die ich gestern zu treffen das Vergnügen gehabt habe, geht es gut. Ich spreche nicht von der Gesundheit des Monarchen, die dank dem Ewigen niemals gefestigter gewesen ist.
Berlin, 12.6.1839
Eigenhändige, handschriftliche Ausfertigung: Rom, Archivio Apostolico Vaticano, Carte Theiner 4, ff. 845–846.
à Monsieur
Monsieur le Baron de Buch
Chargé d’affaires d. S. M. le Roi de Prusse
près du St. Siège,
Son Chambellan p p
à Rome
de la part de Mr de Humboldt pour Mr d’Orlich
Permettez, cher et excellent Baron, que je sollicite Votre intérêt particulier pour un jeune officier singulièrement instruit, Mr d’Orlich, auteur d’un ouvrage historique très apprécié sur le règne du Grand Electeur. Daignez surtout, je Vous supplie, le mettre au contact avec quelques uns de Vos artistes célèbres, qui recueillent du miel et piquent aussi quelquefois, comme disoit le vaniteux Niebuhr. Votre parent Leopold toujours à la tête de la science, jouit d’une santé très heureuse. Il va cet été au Rhin, à Paris et en Bretagne. Veuillez bien agréer l’expression de ma haute et affectueuse estime.
AlHumboldt
à Berlin, ce 12 Juin 1839
Übersetzung:
An
Herrn Baron von Buch
Geschäftsträger Seiner Majestät, des Königs von Preußen
Beim Heiligen Stuhl
Sein Kammerherr p p
in Rom
Vonseiten Herrn von Humboldts für Herrn von Orlich
Gestatten Sie, verehrter und vortrefflicher Baron, dass ich Ihr besonderes Interesse für einen jungen, einzigartig gebildeten jungen Offizier erbitte, Herrn von Orlich, Autor eines historischen Werkes über die Regierung des Großen Kurfürsten20. Haben Sie vor allem die Güte, ich bitte Sie, ihm Kontakte zu einigen Ihrer berühmten Künstler21 herzustellen, die Honig sammeln und manchmal auch stechen, wie der eitle Niebuhr22 sagte. Ihr Verwandter Leopold23, stets an der Spitze der Wissenschaft, erfreut sich einer sehr glücklichen Gesundheit. Er geht diesen Sommer zum Rhein, nach Paris und in die Bretagne. Haben Sie die Güte, den Ausdruck meiner hohen und innigen Wertschätzung anzunehmen.
In Berlin, den 12. Juni 1839AlHumboldt
Humboldt 1860 – Alexander von Humboldts Kunst-Nachlass welcher am 17. Sept. 1860 und den folgd. Tagen, täglich von 9–1 Uhr Nachmittags zu Berlin … versteigert werden soll. München 1860.
Humboldt 2006 – Briefe von Alexander von Humboldt an Christian Carl Josias Bunsen. [Herausgegeben von einem Anonymus. Leipzig 1869.] Neu ediert von Ingo Schwarz. Berlin 2006.
Humboldt 2009 – Alexander von Humboldt – Briefe aus Russland 1829. Herausgegeben von Eberhard Knobloch, Ingo Schwarz und Christian Suckow. Mit einem einleitenden Essay von Ottmar Ette. Berlin 2009 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung. Bd. 30).
Humboldt 2013 – Alexander von Humboldt – Friedrich Wilhelm IV. Briefwechsel. Herausgegeben von Ulrike Leitner unter Mitarbeit von Eberhard Knobloch. Mit einer einleitenden Studie von Bärbel Holtz. Berlin 2013 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung. Bd. 39).
Nelken 1980 – Nelken, Halina. Alexander von Humboldt, Bildnisse und Künstler. Eine dokumentierte Ikonographie. Berlin 1980.
1 Humboldt 2006, S. 11.
2 Die Signatur lautet: 4A Testamente 1213. Ich danke Elena Roussanova für den Hinweis auf diese Tatsache. Das Testament steht auf den unpaginierten Seiten 3r, v, 4r (Abschrift), 5r, v, 6r (Original) und den paginierten Bl. 3r, v, 4r, v (Abschrift). Ich danke den Mitarbeitern des Archivs dafür, dass sie mir Kopien der Akte zur Verfügung stellten.
3 Das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz verwahrt ein Schreiben Humboldts an Baron von Buch vom 25. Mai 1843, in dem ein nach Rom reisender Offizier mit Namen von Kessel empfohlen wird: GStA PK, VI. HA, Nachl. Humboldt, A. v., Nr. 6.
4 Humboldt 1860; Nelken 1980.
5 Humboldt 2009, S. 95, 124, 129.
6 Die Buchstaben der Brieftexte werden getreu den Vorlagen wiedergegeben, fehlende Akzente ergänzt.
7 Nasledik Humboldt, verbessert Hrsg.
8 Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), seit 1797 preußischer König.
9 Der Kronprinz (1795–1861) wurde am 15. Oktober 1795 geboren: Friedrich Wilhelm IV. war seit 1840 preußischer König.
10 Karl Robert, Graf von Nesselrode (1780–1862), russischer Diplomat und Staatsmann deutscher Herkunft, 1828–1845 Vizekanzler.
11 Nikolaj I. (1796–1855), seit 1825 Kaiser von Russland, 1829 Gastgeber Humboldts auf dessen Reise durch Russland.
12 Der Erbe bzw. Nachfolger, russisch ‚Naslednik‘, des Kaisers Nikolaj I. war dessen ältester Sohn Aleksandr II. (1818–1881), seit 1855 Kaiser von Russland. Humboldt hat offenbar nach dem Gehör geschrieben, wobei das ‚n‘ kaum zu hören ist. Ich danke Ingo Schwarz für die geistreiche Lösung dieses Entzifferungs- und Identifikationsproblems.
13 Für die antiken Griechen ein mythisches, glückliches Volk im Norden, hier offenbar scherzhaft für die Russen verwendet. Denn Buch wurde erst 1838 nach Rom entsandt, wo es in den 1820er Jahren und anfangs der 1830er Jahre die ‚Römischen Hyperboreer‘ gab, einen Freundeskreis archäologisch interessierter Personen deutscher Herkunft, dem auch Buchs Vorgänger Bunsen angehörte.
14 doit Humboldt, verbessert Hrsg.
15 Leopold von Buch (1774–1853), deutscher Geologe.
16 Georg Ludwig Daniel von Cancrin (1774–1845), deutsch-russischer General der russischen Armee und russischer Finanzminister.
17 Dmitrij Stepanovič Men’šenin (1790–?), russischer Berghauptmann und Oberhüttenverwalter, begleitete Humboldt ab 20. Mai 1829 von St. Petersburg bis zur Rückkehr nach St. Petersburg am 13. November 1829.
18 Friedrich Ancillon (1767–1837), preußischer Staatsmann, seit 1832 Außenminister, Erzieher des preußischen Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV.
19 Cancrin, s. Fußnote 16.
20 Leopold von Orlich (1804–1860), Offizier im preußischen Kaiser-Alexander-Regiment, veröffentlichte: Geschichte des Preußischen Staates im siebzehnten Jahrhundert; mit besonderer Beziehung auf das Leben Friedrich Wilhelm’s des Großen Kurfürsten. Teil 1–3, Berlin 1838–1839.
21 Das von Bunsen, dem Vorgänger Buchs, bewohnte Haus war eines der Zentren deutscher Kultur und Künstlerschaft in Rom.
22 Barthold Georg Niebuhr (1776–1831), deutscher Althistoriker. Der – heute unbestritten – schwierige und eitle Charakter Niebuhrs hielt Humboldt nicht davon ab, sich 1842 bei König Friedrich Wilhelm IV. für dessen wissenschaftlichen Ruf einzusetzen (Humboldt 2013, S. 237).
23 S. Fußnote 15.