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Peter Korneffel

Alexander von Humboldt postfrisch:
Die Rezeption des deutschen Naturforschers in der weltweiten Philatelie

Zusammenfassung

Seit 1950 erschienen weltweit über hundert Briefmarken mit Alexander von Humboldt und/oder seinen grafischen Arbeiten als Motive. Peter Korneffel verarbeitete die komplette Sammlung der Marken aus über 25 Ländern zu dem Buch Alexander von Humboldt. Weltmarken sowie zu mehreren philatelistischen Ausstellungen und Vorträgen. Der Festvortrag vom 5. 9. 2019 in Berlin zum offiziellen Erscheinen der Sonderbriefmarke 250. Geburtstag Alexander von Humboldt bildet die Grundlage zu diesem Beitrag. Die Motive, ihre Gestaltung, ihre thematische Kontextualisierung, sowie die Herausgeber und die Zeitpunkte des Erscheinens der jeweiligen Briefmarken dokumentieren eine teils zufällige und teils überraschende Humboldt-Rezeption. Recherchierte Hintergründe zu den Ausgaben und Illustrationen vertiefen hierin eine bislang weitestgehend unbekannte Rezeptionsgeschichte.

Resumen

Desde 1950, han aparecido en todo el mundo más de 100 sellos con Alexander von Humboldt y/o sus obras gráficas como motivo. Peter Korneffel procesó la colección completa de sellos de más de 25 países en el libro Alexander von Humboldt. Weltmarken, así como para varias exposiciones filatélicas y conferencias. La conferencia conmemorativa del 5 de Septiembre 2019 en Berlín con motivo del lanzamiento oficial del sello de emisión especial 250 aniversario de Alexander von Humboldt. Los motivos, su diseño, su contextualización temática, así como los editores y las fechas de emisión de los respectivos sellos documentan una recepción de Humboldt en parte casual y en parte sorprendente. La información de fondo investigada sobre los temas y las ilustraciones proporcionan una mirada en profundidad a una historia hasta ahora muy desconocida de la recepción de Humboldt.

Abstract

Since 1950, more than 100 stamps with Alexander von Humboldt and/or his graphic works as motifs have appeared worldwide. Peter Korneffel processed the complete collection of stamps from over 25 countries into the book Alexander von Humboldt. Weltmarken as well as for several philatelic exhibitions and lectures. The commemorative lecture on 5 September 2019 in Berlin on the occasion of the official release of the special issue stamp 250th Birthday of Alexander von Humboldt. The motifs, their design, their thematic contextualisation, as well as the publishers and the dates of issue of the respective stamps document a partly coincidental and partly surprising Humboldt reception. Researched background information on the issues and illustrations provide an in-depth look at a hitherto largely unknown history of Humboldt’s reception.

Die 1840 in England erfundene Briefmarke ist heute eine vom Aussterben bedrohte Spezies unserer Kommunikationsgeschichte. Während sie als Postwertzeichen absehbar verschwinden wird, verbleiben ihre Illustrationen, ihre Bildgeschichten und vor allem ihre Geschichten hinter den Geschichten.

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Abb. 1: Humboldt 2004, 271. TAFEL XXXI. Postverkehr in der Provinz Jaén de Bracamoros – Der Postverkehr war Humboldt für seine Korrespondenzen elementar. Auf der Amerika-Reise wie hier am Westrand des Amazonas-Beckens im heutigen Peru faszinierte ihn der archaische Transport von Briefen im Zusammenspiel von Mensch und Natur.

 

Im Falle von über hundert Alexander von Humboldt-Motiven in rund 40 Briefmarkeneditionen aus mindestens 26 Ländern der Welt seit 1950 entwickeln sie dabei eine eigene und überraschende Rezeptionsgeschichte. Diese wirkt im digitalen Zeitalter von Chat und Streaming wie ein Anachronismus, während sich gleichzeitig global drängende Themen wie der Klimawandel, die Covid-Pandemie und die Bedrohung von Demokratien auf beängstigende Weise in den Vordergrund unserer Wahrnehmung schieben. Doch genau in diesen manchmal verstörenden Zeiten, die wir auf den Wellen von Infektionen mitunter in verordneter Bewegungsarmut und Häuslichkeit verbringen, sind Briefmarken Sinnbilder des Innehaltens und Entschleunigens. Sie schenken uns Momente des behutsamen Nachdenkens und Erinnerns. Für Humboldt selbst waren Briefe, von denen er zeitlebens vermutlich über 50 000 verfasst hat, das wesentliche Medium in der Interaktion mit seinem globalen Netz- und Recherchewerk. Sein intensives Briefschreiben ließ selbst im hohen Alter der 1850er Jahre nicht nach, als auch Preußen das Briefmarken-Porto einführt.

Die wenigen Briefe, mit denen er jeden Monat betraut wird, wickelt er bald in ein Tuch, bald in eine Art guayucu genannten Lendenschurz, die er als Turban um den Kopf bindet. (Humboldt 2004, 269)

Während heute die moderne Biowissenschaft alle Reagenzien und Hände voll zu tun hat, die „Natur als (…) Ganzes“ (Humboldt 1845, Bd. I, VI) bis in die Wirkungsprofile von Proteinen aggressiver Virenmutationen zu verstehen, begeben wir uns hier mit Humboldt auf eine analoge Zeitreise: Was hat ein Land als Herausgeber zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer speziell gestalteten Humboldt-Briefmarke den Briefschreibern, ihren Empfängern und der Öffentlichkeit sagen wollen? Zunächst wollten sie im Falle Humboldts fraglos eine Erinnerung wecken, ein Gedenken einrichten, eine Ehrung aussprechen. Ihre Ersttagsbriefe waren häufig animiert von runden Geburts-, Wirkungs- und Todestagen Alexander von Humboldts. Schon darin sind spannende, mitunter verblüffende Beziehungen der Herausgeber zu Humboldt im jeweiligen historischen Kontext zu entdecken. Doch alsbald öffnet sich die Betrachtung. In der detaillierten Gestaltung der Marken, in der Auswahl der Motive, im Zusammenwirken in Briefmarkensätzen und -blöcken und im Text der Marken modellieren die Herausgeber weiter am Ausdruck ihrer Rezeption. Die dem Betrachter offenkundig werdende technische Ausgestaltung der Marken unterstützt ihre message als unverwechselbare Orts- und Zeitdokumente. Eine besondere, zeitlose Strahlkraft beziehen diese gezähnten und gummierten Kunstwerke teils international renommierter Grafikdesigner aus ihrer Winzigkeit. Bei Größen von nur wenigen Quadratzentimetern erreichen sie gleichzeitig nicht selten millionenfache, weltweite Verbreitung, während sie den Transport von Inhalten globaler Bedeutung zertifizieren und sichern.

Das Material der hier vorgelegten Betrachtung ist die fast vollständige, weltweite Sammlung von postfrischen Alexander von Humboldt-Briefmarken des Autors. Im Jahr 2019 präsentierte er diese philatelistische Kollektion in dem illustrierten Buch „Alexander von Humboldt. Weltmarken“ (Korneffel 2019). Der hier vorliegende Beitrag basiert auf dem gleichnamigen Vortrag, den der Autor am 5. September 2019 im Auftrag der Stiftung Olbricht und in Kooperation mit dem Bundesfinanzministerium im me Collectors Room Berlin gehalten hat. Anlass für den Vortrag war die Erstausgabe der deutschen 80-Cent-Sondermarke zum 250. Geburtstag Alexander von Humboldts.

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Abb. 2: USA 1860: Humboldt Express

 

Schon ein Jahr nach seinem Tod wurde der Name „Humboldt“ erstmals auf eine Briefmarke gedruckt. Es war der Postkutschen-Betreiber Samuel W. Langton, der im US-Bundesstaat Nevada die Langton’s Private Express-Dienste zur Beförderung von Postsendungen und Personen anbot. 1860 gab er dazu eine Briefmarke von 25 Cent heraus, als Portoaufschlag für die unwegsame Strecke mit dem Vierspänner von Carson City zu den abgelegenen Silberminen.

Hier hat der Bergbauspezialist Alexander von Humboldt mit seinem Namen bemerkenswerte Spuren hinterlassen: Im Humboldt County zieht sich vom Humboldt Lake im Süden aus, stets dem Humboldt River folgend, der bis zu 3 000 Meter hohe Gebirgszug des Humboldt Range, in dessen Norden die einst bedeutende Humboldt Queen Mine inmitten des Humboldt Mining District liegt. Die Postkutschen machten auf dem Weg in die Minen dieses Humboldt Canyon schon bald Station am Humboldt House. Wenig überraschend betitelte Langton die Briefmarke mit Humboldt Express. (Ransome 1909) Carson City ist heute übrigens eine Geisterstadt am Highway 80.

Ganz im Gegensatz zur Akademie der Wissenschaften in Berlin, welche bei der folgenden Markenedition Pate stand.

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Abb. 3: DDR 1950: 250 Jahre Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin

 

Die 1700 gegründete Gesellschaft von Gelehrten forscht und publiziert bis heute, nach mehrfacher Namensänderung seit 1992 schließlich als die „Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften“ mit Sitz in der Jägerstraße 22–23, kurioserweise genau an dem Ort, an dem Alexander von Humboldt am 14. September 1769 möglicherweise geboren wurde.

Diese weltweit erste Briefmarke mit einer Abbildung von Alexander von Humboldt erschien am 10. Juli 1950. Zum 250-jährigen Bestehen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gab die DDR einen Satz mit zehn Sondermarken heraus. Sie zeigen in einfacher Grafik bedeutende Mitglieder der Akademie. Darunter befindet sich mit einer grünen 5-Pfennig-Marke Alexander von Humboldt. Eine rote 8-Pfennig-Marke ehrt Wilhelm von Humboldt. Auflage: jeweils zwei Millionen Briefmarken.

Im Weiteren sind folgende Mitglieder der Akademie der Wissenschaften Motive dieses Briefmarkensatzes: der Mathematiker Leonhard Euler, der Altertumsforscher Theodor Mommsen, der Physiker Hermann von Helmholtz, der Physiker und Nobelpreisträger Max Planck, der Sprachwissenschaftler Jacob Grimm, der Chemiker und Nobelpreisträger Walther Nernst, der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz und der Historiker Adolf von Harnack.

Bemerkenswert, dass sich Humboldt 1950 unter diesen zehn Wissenschaftlern des Briefmarkensatzes befindet. Denn es war schon 1950 eine große Vereinigung, die bis heute sogar über 3000 Mitglieder in ihren Forscherkreis gewählt hat.

Alexander von Humboldt war im August 1800 im Alter von nur 30 Jahren als außerordentliches Mitglied in die Akademie der Wissenschaften gewählt worden. Die Aufnahme geschah in Abwesenheit, da er bereits mit seiner Tropen-Expedition in Venezuela reiste. 1805, kurz nach der Rückkehr von dieser epochalen Wissenschaftsreise, wurde Humboldt dann als ordentliches Mitglied in den bedeutendsten Kreis deutscher Gelehrter aufgenommen und zwar als Chemiker. In seiner Antrittsrede am 21. November 1805 stellte er den Kern seines Naturdenkens heraus, in dem er für die Zukunft voraussah, dass „alle Theile menschlicher Erkenntnis in Wechselwirkung treten und zu einem großen organischen Ganzen zusammenstimmen“ werden. (Pieper 2000)

Die Akademie war zu dieser Zeit die bedeutendste wissenschaftliche Institution Berlins.

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Abb. 4: DDR 1960: 150 Jahre Humboldt-Universität zu Berlin (25 Pfennig)

 

Die 1. Berliner Universität wurde erst einige Jahre später gegründet. Alexanders Bruder, der für seine Zeit herausragende Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt, konzipierte und begründete die schließlich 1810 eröffnete Universität zu Berlin.

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Abb. 5: DDR 1960: 150 Jahre Humboldt-Universität zu Berlin (20 Pfennig)

 

Die beiden heute bekannten Sitzstatuen der Humboldt-Brüder wurden am Eingang des Ehrenhofs der Universität platziert und am 28. Mai 1883 feierlich eingeweiht. Alexander, der hier im großen Hörsaal im Wintersemester 1827/1828 seine 62 epochalen Vorträge über physikalische Geographie gehalten hatte, ist rechts zu sehen, eine Darstellung des Bildhauers Reinhold Begas.

Erst viel später erhielt die Lehranstalt ihren heutigen Namen Humboldt-Universität. Am 8. Februar 1949, noch vor der Gründung der DDR, erläuterte Paul Wandel als Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung:

Durch die Wahl dieses Namens verpflichtet sich die Universität Berlin, im Geiste der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt die Geistes- und Naturwissenschaften zu pflegen und dabei die Einheit von wissenschaftlicher Lehre und Forschung zugleich zu wahren. Sie bekennt sich dadurch auch zu der beiden Brüdern gemeinsamen Gesinnung der Humanität und der Völkerverständigung. (Klein 1985, 110)

Noch einmal die DDR: Im unteren Teil der grünen 10-Pfennig-Marke findet sich die Komposition einer Tropenlandschaft, eine stilisierte Ansicht der fünfjährigen Amerika-Reise Humboldts, 1799 bis 1804. Im Original nur 8 Millimeter hoch, entdeckt man im Zentrum des Bildmotivs einen recht konischen, im oberen Teil schneebedeckten Vulkan, dem Rauch entsteigt, ähnlich einer Humboldt-Zeichnung vom Cotopaxi in Ecuador. Unter dem Vulkan ergießt sich ein Fluss mit zunächst steilen Ufern durch eine üppige Vegetation. Stattliche Palmen, dichtes Buschwerk und großblättrige Pflanzen säumen den Fluss, unzweifelhaft eine Reminiszenz an die große Orinoko-Reise von 1800 im heutigen Venezuela. Ein zweites Motiv dieses Briefmarkensatzes zu Humboldts 100. Todestag nach Entwürfen der Leipziger Grafikerin Gertraud Thieme stilisiert die Asienreise Humboldts von 1829: Drei Pferde unter schwerem Geschirr ziehen einen Schlitten mit zwei Personen galoppierend durch eine von Nadelbäumen gesäumte Schneelandschaft.

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Abb. 6a: DDR 1959: Alexander von Humboldt (Amerika)

 

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Abb. 6b: DDR 1959: Alexander von Humboldt (Asien)

 

Der in Caracas geborene Unabhängigkeitskämpfer Simón Bolívar lernte Humboldt 1804 nach dessen Rückkehr von der Amerika-Reise in Paris kennen. Beide tauschten sich aus und freundeten sich an. Der preußische Amerika-Experte und Kolonialismus-Kritiker war Bolívar eine bedeutende und zweifelsohne inspirierende Quelle in diesen Jahren, bevor Bolívar in die Schlachten zog. Die von ihm angeführten Unabhängigkeitskriege in Amerika lösten in der Folge Venezuela, Kolumbien, Panama, Ecuador, Peru und Bolivien aus der Abhängigkeit von der spanischen Krone. Simón Bolívar als Held und Befreier ist bis heute eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Geschichte Südamerikas.

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Abb. 7: DDR 1983: Simón Bolívar 1783–1830

 

Zum 200. Geburtstag Simón Bolívars gedachte die DDR des Helden. Auf dieser 35-Pfennig-Marke nach einem Entwurf des Grafikers Hans Detlefsen schaut Bolívar klaren Blicks nach vorn. Den Kragen seiner Uniform zieren Blumen. Hinter ihm steht Alexander von Humboldt, der wie gewohnt ein weißes Halstuch mit Knoten trägt. Weiter links ein Ausschnitt von Südamerika, der den weit verzweigten Rio Amazonas betont.

Humboldt-Motive in der Bundesrepublik und „Westberlin“ sind deutlich seltener und grafisch etwas nüchterner.

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Abb. 8: Saarland 1959: Alexander von Humboldt 6.V.1859

 

Immerhin schmückt Humboldt die letzte Saar-Briefmarke der Geschichte. Dieses Kuriosum ist der europäischen Ordnung nach dem 2. Weltkrieg geschuldet. Frankreich als Siegermacht hatte das Saargebiet 1945 besetzt, suchte eine Annexion und musste ihm doch eine Teilautonomie zugestehen. Damit haben sich die Saarländer wenige Jahre später in einem Volksentscheid für ihren Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland entschieden. Dieser wurde dann nach Zustimmung der Besatzer 1957 vollzogen. Die wirtschaftliche Loslösung des neuen Bundeslandes von Frankreich dauerte jedoch noch bis zum 7. Juli 1959. Und so kam es, dass exakt zwei Monate zuvor das Saarland in dieser Übergangsphase noch eine eigene 15-Franc-Briefmarke zu Humboldts 100. Todestag herausbrachte. Es ist die letzte Briefmarken-Edition in der Geschichte des Saarlandes und die bis heute einzige in Französischem Franc. Nun kam die D-Mark.

Im Jahr 1969 gab die Landespostdirektion des unter dem Viermächtestatus stehenden Berlin dann erstmals eine Briefmarke als Vollfarbdruck eines Bildes von Alexander von Humboldt heraus. In einer Auflage von 6,5 Millionen Exemplaren ließ die Bundesdruckerei Humboldt nach dem berühmten Gemälde von Joseph Stieler auf eine 50-Pfennig-Marke drucken.

Die Alliierten erlaubten der Landespostdirektion von Westberlin die Herausgeber-Bezeichnung „Deutsche Bundespost Berlin“ ab 1955. Die Marken, obwohl nur in Berlin erschienen, kamen über wenige Vertriebswege auch in die Bundesrepublik, wo sie vertragsgemäß volle Gültigkeit besaßen.

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Abb. 9: BRD 1969: Alexander von Humboldt 14. 9. 1769

 

Der deutsche Maler Joseph Stieler studierte die Malerei in Wien und schloss seine Ausbildung an der dortigen Akademie der Künste ab. Doch schon früh zog es ihn nach Paris und in den Bann des französischen Porträtmalers François Gérard, wie Stieler schreibt: „Gérard war der erste, welcher mir sagte, dass ich in allen Dingen die Natur vor Augen haben muss.“ (Lammel 1998, 265) Darin stand er Alexander von Humboldt sehr nahe. Der vertraute sich Stieler an und unterzeichnete seinen Brief mit den abschließenden Worten: „Mit inniger Verehrung Ihres großen Talentes, Ihrer geistigen und geschmackvollen Auffassung jeglicher Individualität. Ihr A/Humboldt – Berlin 9. Jun. 1843“. (Nelken 1980, 124)

Das südamerikanische Venezuela fand diese grafische Idee 1969 so überzeugend, dass es parallel dasselbe Motiv in Berlin in Auftrag gab, geprägt als eine 50-Centavos-Marke und galant unterzeichnet mit „Venezuela Bundesdruckerei Berlin 1969“.

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Abb. 10: Venezuela 1969: Alejandro de Humboldt 14. 9. 1769

 

Und hier sind wir erneut in Lateinamerika. Von den bis heute weltweit rund 100 Briefmarken mit Humboldt-Motiven stammt etwa jede zweite aus Lateinamerika.

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Abb. 11: Ecuador 1959: Alexander von Humboldt

 

Der kleine Andenstaat Ecuador ist das erste amerikanische Land, das jemals eine Briefmarke in Gedenken an die Persönlichkeit Alexander von Humboldt herausgegeben hat. Anlass war hier der 100. Todestag des Forschers. Kein Zufall, denn dieses so artenreiche südamerikanische Land auf dem Äquator war Höhe- und Wendepunkt auf Humboldts fünfjähriger Reise.

Ecuador war beim Eintreffen Humboldts Ende 1801 noch die Real Audiencia de Quito, ein Gerichtsbezirk im Vizekönigreich Neugranada. Hier beendete Humboldt seinen Traum von einer Weltumrundung, die ihn seit seiner Begegnung mit dem Naturforscher Georg Forster getrieben hatte. In der Hauptstadt Quito änderte er seinen Plan. Fortan war seine Tropenreise schlichtweg eine Amerika-Reise. Ebenso wechselte Humboldt hier seine Schriftsprache vom Deutschen zum Französischen und erweiterte sein Expeditionsteam. In Ecuador nahm er den späteren quiteñischen Freiheitskämpfer Carlos Montúfar in die ständige Reisegruppe auf.

Höhepunkt der Reise war das heutige Ecuador in mehrfacher Hinsicht: Hier erklomm Humboldt zum ersten und letzten Mal in seinem Leben den Gipfel eines 4000ers. Es war der 14. April 1802, als Humboldt auf dem Gipfel des 4698 Meter hohen Rucu Pichincha stand. Bedeutender für sein geografisches Gesamtwerk war jedoch der 6300 Meter hohe Vulkan Chimborazo. Am Gipfel dieses vermeintlich höchsten Berges der Welt scheiterte Humboldt zwar im Juni 1802, dennoch gelang ihm mit etwa 5600 Metern ein langjähriger Höhenweltrekord. Der gewaltige Chimborazo und seine Vegetationsstufen waren Humboldt zugleich Inspiration und Projektionsfläche für sein weltberühmtes Naturgemälde von der Geografie der Pflanzen in den Tropen.

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Abb. 12: Venezuela 1960: Primer Centenario de la muerte del Barón Alejandro de Humboldt

 

Das heutige Venezuela, das Land, in dem Humboldt erstmals amerikanischen Boden betrat, hat ihn nicht vergessen. Insbesondere als Freund und Informant des Venezolaners Simón Bolívar ging Alexander von Humboldt in die Geschichte des Landes ein. Schon 1960 widmet das Land Humboldt einen Briefmarken-Satz mit gleich sechs Marken.

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Abb. 13: Kolumbien 1960: Humboldt Centenario (3 von 6 Marken)

 

Im selben Jahr gab Kolumbien zu Ehren Alexander von Humboldts ebenfalls einen kompletten Satz von sechs Motiven heraus. Der Forscher selbst ist nach dem Ölgemälde von Joseph Stieler auf der 10-Centavos-Marke abgebildet. Die weiteren fünf Illustrationen zeigen Tiere aus der reichhaltigen Fauna des Landes: ein Faultier, ein Klammeraffe, ein Ameisenbär, ein Gürteltier und ein Papageifisch. Die kolumbianische Post ließ die Sondermarken anlässlich des 100. Todestages von Humboldt, allerdings etwas verspätet, Anfang 1960, in der Staatsdruckerei Wien herstellen.

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Abb. 14: Mexiko 1960: Centenario del fallecimiento Barón Alexander von Humboldt

 

In jenem Jahr will auch Mexiko sich erkenntlich zeigen. Mexiko zeigt Humboldt auf einer lebensgroßen Statue, die bis heute in Mexiko-Stadt steht. Im Druckbild nicht sehr scharf gelungen, ist diese Statue doch bedeutend, immerhin ein Geschenk des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. zum 100. Jahrestag der mexikanischen Befreiungsbewegung. Humboldt reiste gegen Ende seiner Amerika-Reise 1803/1804 fast ein Jahr lang durch Mexiko, mit dem Ergebnis eines großen Schatzes an Erkenntnissen, Sammlung und Grafiken.

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Abb. 15: Kolumbien 1969: Región del Quindío

 

Kolumbien gedenkt Humboldt erneut zu seinem 200. Geburtstag im Jahr 1969. Die Marke zeigt ihn wie auf einem Medaillon, platziert in der linken oberen Ecke des Wertzeichens. Darunter entfaltet sich die Gebirgslandschaft der Región del Quindío, wie Humboldt sie 1801 ebendort gezeichnet hatte und in seinen „Ansichten der Kordilleren …“ (Humboldt 2004) in Paris veröffentlichte. Gestalter der Briefmarke war Tulio Nel Molina, welcher der kolumbianischen Künstlergruppe Bachué nahestand und zwischen 1964 und 1981 zahlreiche Briefmarken in Kolumbien entwarf. Der nach Humboldts Skizzen gefertigte Kupferstich ist allerdings im Rasterdruck reproduziert, der im Vordergrund das vielleicht bedeutendste Detail der Zeichnung nur schemenhaft erahnen lässt. Daher zoomen wir uns hier quasi etwas näher an den originalen Kupferstich heran.

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Abb. 16: Humboldt 2004, 34. TAFEL V. Quindío-Paß, in der Kordillere der Anden

 

Jetzt erkennen wir die Träger im Vordergrund des Bildes. Humboldt erlebte hier in den kolumbianischen Anden zunächst eine „sehr malerische Landschaft (…) beim Eintritt in das Quindío-Gebirge“, doch alsbald den „beschwerlichsten Paß der gesamten Kordillere der Anden“. Denn seine Expedition lief bei „beständigen Regenfällen“ durch „Schluchten voller Schlamm“ und „sumpfiges, mit Bambus bewachsenes Land“. Der Pass führte ihn über 3500 Meter. Was ihn noch mehr bewegte:

Hier „läßt man sich von Menschen tragen, die einen Stuhl auf den Rücken gebunden haben. Man hört in diesem Lande den Ausdruck auf Menschenrücken reisen (andar en carguero), wie man sonst sagt zu Pferde reisen.“

Detailliert und dezidiert zeichnet und beschreibt Humboldt die Arbeit dieser Träger:

Man kann die eigentümliche Art erkennen, wie der aus Bambusrohr gefertigte Stuhl auf den Schultern festgebunden und mittels eines Stirnriemens, gleich dem der Pferde und Ochsen, im Gleichgewicht gehalten wird.

Obwohl die Arbeit des cargueros durchaus begehrt war und alle wohlhabenden Reisenden sich selbstverständlich tragen ließen, lehnte Humboldt das rundweg ab.

Die Stacheln, mit denen die Wurzeln dieser gigantischen Grasgewächse bewehrt sind, hatten unsere Schuhe zerrissen, so daß wir gezwungen waren, wie alle Reisenden, die sich nicht auf Menschenrücken tragen lassen wollten, barfuß zu gehen. (Humboldt 2004, 35 ff.)

Kuba beging den 200. Geburtstag Humboldts mit einer bildstarken Edition dreier, großer Briefmarken. Im Mittelpunkt steht jeweils eine Abbildung des Forschers nach einer Lithographie nach Karl Joseph Begas. Eine 3-Centavos-Marke präsentiert zwei Zitteraale zwischen Unterwasserpflanzen. Eine 13-Centavos-Marke zeigt einen auf einem Baumstamm sitzenden Gelbbrust-Kapuzineraffen. Und die 30-Centavos-Marke widmet sich dem Kondor, in den südamerikanischen Anden ein häufiger Begleiter: „höher als alle Gipfel der Andeskette, schwebte oft über uns der Condor, der Riese unter den Geiern.“ (Humboldt 1849, 4)

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Abb. 17: Kuba 1969: Bicentenario del nacimiento de Alejandro de Humboldt

 

Es ist eine Hommage an den Naturforscher Humboldt, aber für Kuba viel bedeutender ist das sozial- und kolonialismuskritische Kuba-Werk, was auf allen Marken rechts hinter Humboldt zu sehen ist, der Ensayo Político sobre la Isla de Cuba por el Barón A. de Humboldt von 1825 bzw. 1827 in spanischer Edition.

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Abb. 18: Chile 1999: 200 años Alexander von Humboldt en América

 

Humboldt war niemals in Chile. Dennoch gedachte das faszinierende südamerikanische Land mit seinen Tausenden Kilometern Pazifikküste im Jahr 1999 keines Geringeren als Humboldt. Denn zum 200. Jahrestag seiner Amerikareise war man sich in Chile bewusst, wem die großen Geografen des Landes ihre Inspiration verdanken, wessen Vermächtnis in Chile bis heute weiterlebt und wer den kalten Humboldt-Strom, wie er heute heißt, berühmt gemacht hat. Die 360-Pesos-Marke dieses kleinen Satzes zeigt Humboldt vor Humboldt-Pinguinen und neben Rudolph Amandus Philippi, einem Berliner Zoologen und Naturhistoriker, der 1851 auf Empfehlung Humboldts nach Chile ging, um in der Hauptstadt Santiago die Leitung des Museo Nacional de Historia Natural zu übernehmen.

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Abb. 19: Peru 2002: 200 Años de la llegada de Alexander von Humboldt

 

An den 200. Jahrestag erinnert auch Peru, das Humboldt 1802 bereiste. Peru verknüpft Humboldt mit moderner Forschung: Das peruanische Meeres-Institut ließ 1977/1978 in den Werften von Callao ein ozeanografisches Forschungsschiff bauen. Dieses Buque de Investigación Científica – kurz BIC – wurde auf den Namen „Humboldt“ getauft. Schließlich sind seine Einsatzgebiete bis heute die peruanischen Gewässer im Pazifik, die maßgeblich unter dem Einfluss des nährstoffreichen Humboldt-Stroms stehen, den der deutsche Meeresforscher genau hier untersucht hatte. Bis ins Jahr 2017 fuhr die Humboldt sogar regelmäßig in die Antarktis, quasi zum Ursprung des Humboldt-Stroms. Der ersten Expedition von Januar bis März 1988 widmete das Land im selben Jahr bereits eine Sonderbriefmarke. Diese Reise diente der Vorbereitung zur Gründung einer peruanischen Polarstation. Peru, das dem internationalen Antarktisvertrag 1959 beratend beigetreten war, unterhält seit nunmehr 1989 seine eigene antarktische Forschungsbasis, die Base Machu Picchu. Diese hier gezeigte zweite Marke mit dem Forschungsschiff erschien 2002.

Guatemala wie auch das gesamte mesoamerikanische Gebiet sind als tropische Brücke zwischen Karibik und Pazifik mit einer herausragenden Artenvielfalt gesegnet. Humboldt bereiste diesen Teil Amerikas nicht, nahm Guatemala später aber in seine kartografischen und archäologischen Publikationen auf.

2010 ehrte Guatemala Humboldt mit einer 5-Quetzales-Marke, auf der die prächtige Orchidee Phragmipedium humboldtii abgebildet ist. Hatte Humboldt sie einst in Mexiko gesammelt, so beschrieben die Botaniker Józef Warszewicz und Heinrich Gustav Reichenbach sie erstmals 1852 in der Botanischen Zeitung. (Atwood/Dressler 1997, 245 ff.)

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Abb. 20: Guatemala 2010: Phragmipedium humboldtii. In memoriam von Humboldt

 

Die Bestimmung der Flora während der fünfjährigen Amerikareise hatte Humboldt im Wesentlichen seinem Partner zu verdanken, dem französischen Arzt und Botaniker Aimé Bonpland, den Humboldt 1798 in Paris kennengelernt hatte. In Humboldts immensem Reisewerk, aber auch in Biografien, taucht Bonpland häufig schlicht als Freund und Begleiter auf, im Reisepass ist er als Sekretär und Gehilfe bezeichnet. Dabei verhalf nicht zuletzt Bonpland der Forschungsreise zu ihrem botanischen Welterfolg. Denn er war der Experte im Pflanzenreich und akribisch im Feld. Erst Bonpland machte die amerikanische Sammlung Tausender Pflanzen möglich. Humboldt notierte bei der Übergabe von Feldbüchern der Expedition: „Obwohl ein Teil dieser Dokumente von meiner Hand ist (…) muss ich das Ganze als Eigentum von Herrn Bonpland betrachten.“ (Schulz 1960, 629) Argentinien ehrte Bonpland mit einer Briefmarke, weil er Jahrzehnte hier lebte und zu einem der bedeutendsten Naturforscher in der Geschichte des Landes wurde. 1858 verstarb Bonpland in einem kleinen argentinischen Dorf, das heute nach ihm benannt ist: Bonpland.

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Abb. 21: Argentinien 2008: Aimé Bonpland 1773–1858

 

Ein letzter Blick nach Lateinamerika.

Zwischen dem Deutschen Reich einerseits und dem Freistaat Ecuador andererseits, sowie zwischen den beiderseitigen Angehörigen soll für immer Friede und Freundschaft bestehen. (Deutsches Reichsgesetzblatt 1888, 136 ff.)

So lautet der Artikel 1 des deutsch-ecuadorianischen Freundschaftsvertrages, den beide Staaten am 28. März 1887 in Berlin unterzeichneten.

Ecuador entschied, zum 125. Jahrestag dieses nahezu in Vergessenheit geratenen Abkommens zwei Sondermarken zu 0,50 und 2,00 US-Dollar herauszugeben. Erstmals in der Geschichte des Landes lobten die Behörden dazu einen Wettbewerb zur grafischen Gestaltung der Marken aus. Die Jury war vertreten durch die Ecuadorianische Post, die Deutsche Botschaft in der Hauptstadt und die Technische Fachhochschule für Design in Quito. Als „innovativste und kreativste Arbeit unter den zwölf Finalisten“ (Bulletin 15–2012 zum Ersttagsbrief vom 26. 9. 2012) wurde das Motiv des Grafik-Studenten Andrés Álvarez ausgezeichnet, das beide Marken zeigen: eine Bearbeitung eines Porträts Alexander von Humboldts, sein bekanntes Selbstbildnis von 1814.

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Abb. 22: Ecuador 2012: 125 Años Amistad Alemania-Ecuador

 

Bis in die Haarspitzen hinein zeichnet Andrés Álvarez seinen Humboldt nicht mit Stift und Pinsel, sondern mit Lettern, mit Begriffen aus Humboldts wissenschaftlichem Wirken und mit biografischem Text. Dieser progressive Ansatz überzeugte die Juroren. Aber auch das gewählte Motiv. So schließt der Ersttagsbrief vom 26. September 2012 mit den Worten: „Alexander von Humboldt ist ein Symbol für die zwei Nationen, denn in ihm können wir ecuadorianisch-deutsche Freundschaft über 125 Jahre gespiegelt sehen.“

Im Schlussteil dieser kleinen Reise in die weltweite Philatelie sind Humboldt-Briefmarken jenseits von Deutschland und Lateinamerika zu sehen, darunter einige Kuriosa dieser Rezeptionsgeschichte.

Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken – im russischen Kürzel: CCCP – ehrt Humboldt an seinem 100. Todestag mit einer 40-Kopeken-Marke als „Deutscher Naturforscher und Geograf“. Das sepiabraune, gerasterte Porträt von Humboldt im violetten Rahmen erinnert unter diesem Titel an die neunmonatige russisch-sibirische Reise des Forschers im Jahr 1829, ein gut bezahlter Auftrag des Kaisers Nikolaus I.

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Abb. 23: Sowjetunion 1959: Deutscher Naturforscher und Geograf

 

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Abb. 24: Rumänien 1983: Intereuropäische Zusammenarbeit in Kultur und Wirtschaft

 

Rumänien erlebt 1983 eine der schwersten Wirtschafts- und Versorgungskrisen seiner Geschichte. In diesem Moment wird Alexander von Humboldt sinnbildlich zu einem der Hoffnungsträger unter dem Titel einer Briefmarkenserie für „Intereuropäische Zusammenarbeit in Kultur und Wirtschaft“.

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Abb. 25: Liechtenstein 1994: Vultus Gryphus Lin

 

Auch Liechtenstein bereiste Humboldt nie. Für das kleine Fürstentum aber war die Herausgabe von Briefmarken bis zu seinem Anschluss an das schweizerische Postwesen 1998 eine wichtige Einnahmequelle. Häufig editierte Liechtenstein sogenannte Europa-Marken, so auch 1994 zwei Wertzeichen mit Humboldt-Motiven: eine 1-Franken-Marke zeigt das Schwarzmundgewächs Rhexia Cardinalis, eine 80-Cent-Marke den Kondor. Beide Werke sind kolorierte Kupferstiche nach Humboldts Zeichnungen.

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Abb. 26: Malawi 2008: Great Explorers (Block)

 

Das südostafrikanische Malawi gab 2008 einen Briefmarkenblock mit sechs Great Explorers heraus. Einer von ihnen ist Alexander von Humboldt. Zu sehen ist er hier in einer Reihe mit den Entdeckern Vitus Bering, David Livingstone und James Cook, kurioserweise aber abgebildet als 14-Jähriger. Vorlage war eine Pastell-Zeichnung von Johann Heinrich Schmidt aus dem Jahr 1784, einer Zeit als der heranwachsende Alexander noch preußischer Soldat werden wollte, wie einst sein Vater.

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Abb. 27: Mosambik 2009: Bedeutender Deutscher Naturalist (Block)

 

Das südostafrikanische Mosambik brachte als einziges Land im Jahr 2009 Humboldt-Briefmarken anlässlich seines 150. Todestages heraus. Dabei legte die nationale Postbehörde gleich sieben Marken in zwei großen Blöcken unter dem Titel „Bedeutender Deutscher Naturalist“ vor.

Die hochwertigste Marke von 175 Metical zeigt Humboldt und Bonpland in einer Urwaldhütte des Rio Orinoco. Das Motiv ist einem berühmten Holzstich von Otto Roth aus dem Jahr 1870 entlehnt. Allerdings zeigt die Briefmarke die Roth-Szenerie seitenverkehrt und verlagert den Moment aus der Hütte heraus ins Freie. So konnte der Grafiker im Hintergrund Umrisse des 5790 Meter hohen Vulkans Cayambe platzieren, so wie Humboldt ihn 1802 in Ecuador gezeichnet hatte. Eine 33 Metical-Marke zeigt violett blühende Silberwinden und den von Humboldt gezeichnete Roten Brüllaffen.

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Abb. 28: Togo 2011: Charte isothermale mondiale, Cacajao melanocephalus

 

Die Republik Togo gab 2011 eine 950-Francs-Sondermarke heraus, die Humboldt nach dem bewährten Stieler-Porträt zeigt. Die Marke ist Teil eines Blocks mit dem Titel Célébrités Allemandes, der zudem den Komponisten Richard Wagner präsentiert sowie den Erfinder des modernen Buchdrucks, Johannes Gutenberg. Die Humboldt-Marke betont ihn quasi als transdisziplinären Forscher: Sie zeigt ihn zugleich vor einer Grafik isothermischer Verlaufskurven, neben einem von ihm gezeichneten Uakari-Affen und vorne gerahmt von Mimosengewächsen.

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Abb. 29: Tschad 2014: Les Minéraux du Monde

 

Die in Zentralafrika gelegene Republik Tschad widmete dem Mineralogen Humboldt 2014 eine sechseckige im Block eingebundene Briefmarke unter dem Titel Les Minéraux du Monde. Humboldt ist dargestellt in einem Ausschnitt aus dem legendären Stieler-Gemälde von 1843. Hinter ihm ragt eine Säule hexagonalen Aquamarin-Gesteins auf.

Der Humboldt-Pinguin verdankt seinen Namen dem deutschen Mediziner und Botaniker Franz Julius Ferdinand Meyen, der ihn 1834 als Erster beschrieben hatte. Die vielfach verwendete Tierbezeichnung humboldti wählte Meyen zu Ehren Humboldts, der diese Pinguin-Art schon Ende 1802 nahe Callao im heutigen Peru beobachtet hatte. Das hat man Humboldt auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht vergessen.

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Abb. 30: Vereinigte Arabische Emirate (1972): Umm-al-Qiwain

 

Der Pinguin im Wüstenstaat verdeutlicht: Der selektive Sammler von Briefmarken begibt sich hier allmählich in einen Grenzbereich der philatelistischen Humboldt-Rezeption.

Am 20. Mai 1988 wurde in Bremerhaven ein Segelschiff auf den Namen Alexander von Humboldt getauft. Es war das einstige Feuerschiff Reserve Sonderburg, erbaut bereits 1906, später umbenannt in Kiel und alsbald vergessen an irgendeiner Mole. Die Deutsche Stiftung Sail Training kaufte und entkernte das Schiff, um es in einen stolzen Rahsegler mit drei Masten zu verwandeln und fortan als ziviles Segelschulschiff über die Meere zu fahren.

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Abb. 31: Togo (2015): Alexander von Humboldt, Allemagne

 

2011 wurde die Ausbildung nach über 300 000 Seemeilen eingestellt. Heute liegt die Alexander von Humboldt als Gastronomie- und Hotelschiff fest in Bremen. Die neue und modernere Alexander von Humboldt II ersetzt das seemännische Trainingsschiff seither.

Die Ausbilder verehren den Forscher Humboldt als „Mitbegründer der Meeresphysik, der Geomorphologie, der Pflanzengeografie und der Klimatologie“. Aber vor allem war er „in der Welt zu Hause, seine Reisesehnsucht kannte (…) keine Grenzen, außer der des hohen Alters“. (Kludas 2011, 28)

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Abb. 32: Düsseldorf 1915: Remy’s Reis-Stärke

 

Hier nun sind die Grenzen der Philatelie eindeutig überschritten. Eine der schönsten Werbemarken mit einem Humboldt-Motiv brachte die Remy’s Reisstärke AG aus Heerdt heraus. Das Unternehmen im Westen Düsseldorfs stellte seit 1881 Wäschestärke und Puddingpulver her. Ein berühmter Naturforscher, der in der Öffentlichkeit stets gepflegt und mit gestärktem weißen Kragen auftrat, war den Fabrikanten ein willkommener Werbebotschafter. Ob Humboldt gerne Pudding aß, ist nicht überliefert.

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Abb. 33: Deutschland 2019: 250. Geburtstag Alexander von Humboldt

 

So schätzen wir uns zum Abschluss dieses kleinen Einblicks in die Sammlung glücklich, nach genau 50 Jahren erneut eine echte Humboldt-Briefmarke der Bundesrepublik Deutschland zu entdecken.

Ihr Motiv ist eine anmutige Collage des Humboldt-Porträts von Joseph Stieler mit Illustrationen, teils aus Humboldts grafischem Werk. Hierbei haben die Designer als Vorlage das Buchcover der zurzeit weltweit populärsten Humboldt-Biografie verwendet: Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. Wie bereits auf dem deutschen Buchtitel sitzt Humboldt, das Manuskript des Kosmos in der Hand, in einem Stuhl neben einem großen Globus. Darauf thront der Rote Brüllaffe mit einer Guaba-Frucht in der Hand, wie Humboldt ihn in Venezuela gezeichnet hatte. Vor der Landschaftskulisse des Vulkans Cayambe umgibt Humboldt ein Dickicht sattgrüner Blätter eines mexikanischen Enzians und blauviolett betonter Blütenähren von Lupinen, umschwirrt von Schmetterlingen und belauscht von einem gelben Vogel.

Zum Schluss: Der Briefe müde wurde Alexander von Humboldt erst im hohen Alter, wenige Wochen vor seinem Tod, als er in einem offenen Brief in der Zeitung um Hilfe ruft:

Leidend unter dem Drucke einer immer noch zunehmenden Correspondenz, fast im Jahresmittel zwischen 1600 und 2000 Nummern (Briefe, Druckschriften über mir ganz fremde Gegenstände, Manuscripte, …), … versuche ich einmal wieder die Personen, welche mir ihr Wohlwollen schenken, öffentlich aufzufordern, dahin zu wirken, daß man sich weniger mit meiner Person in beiden Continenten beschäftige und mein Haus nicht als ein Adreß-Comptoir benutze, damit bei ohnedies abnehmenden physischen und geistigen Kräften mir einige Ruhe und Muße zu eigener Arbeit verbleibe. (Humboldt 1859)

Literaturverzeichnis

Atwood, John T./Dressler, Robert L. (1997): Clarifications and new combinations in the phragmipedium caudatum complex from Central America. In: Selbyana 19 (2). Sarasota/Florida: Marie Selby Botanical Gardens Press, https://selby.org/botany/botany-resources/sbg-press/, [letzter Zugriff am 03. 08. 2021].

Deutsches Reichsgesetzblatt (1888): Freundschaftsvertrag zwischen dem Reich und dem Freistaat Ecuador. Fassung vom 28. 3. 1887. Jahrgangsband 1888, Nr. 19. Berlin: Reichskanzlei, https://de.wikisource.org/wiki/Freundschaftsvertrag_zwischen_dem_Reich_und_dem_Freistaat_Ecuador, [letzter Zugriff am 03. 08. 2021].

Humboldt, Alexander von (1845): Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., http://www.deutschestextarchiv.de/book/show/humboldt_kosmos01_1845, [letzter Zugriff am 03. 08. 2021].

Humboldt, Alexander von (1849): Ansichten der Natur. Zweiter Band. Dritte verbesserte und vermehrte Ausgabe. Stuttgart und Tübingen: Cotta’scher Verlag.

Humboldt, Alexander von (1859): Offener Brief: ‚Ruf um Hülfe‘. In: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung. Nr. 67, 1859, S. 2. Berlin: ebenda, https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/humboldt_huelfe_1859?p=2, [letzter Zugriff am 03. 08. 2021].

Humboldt, Alexander von (2004): Ansichten der Kordilleren und Monumente der eingeborenen Völker Amerikas. Hrsg. von Ette, Ottmar; Lubrich, Oliver; Übersetzung: Kalscheuer, Claudia. Frankfurt am Main: Eichborn.

Klein, Helmut (Hrsg.) (1985): Humboldt-Universität zu Berlin. Überblick 1810–1985. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften.

Kludas, Monika (2011): Alexander von Humboldt II. Ein Segelschiff entsteht. Hamburg: Koehlers Verlagsgesellschaft.

Korneffel, Peter (2017): Die Humboldts in Berlin. Zwei Brüder erfinden die Gelehrtenrepublik. Berlin: Elsengold Verlag.

Korneffel, Peter (2019): Alexander von Humboldt. Weltmarken. Berlin: me Collectors Room.

Lammel, Gisold (1998): Kunst im Aufbruch: Malerei, Graphik und Plastik zur Zeit Goethes. Stuttgart/Weimar: Verlag J. B. Metzler.

Nelken, Halina (1980): Alexander von Humboldt. Bildnisse und Künstler. Eine dokumentierte Ikonographie. Berlin: Dietrich Reimer Verlag.

Páramo Bonilla, Carlos Guillermo (2011): El corrido del minero: Hombres y Guacas en el Occidente de Boyacá. In: Maguaré, vol. 25, no. 1/2011, S. 25–109. Universidad de Colombia, Bogotá.

Pieper, Herbert (2000): Alexander von Humboldts Wahl in die Akademie der Wissenschaften zu Berlin. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, 96, H. 4, Berlin, S. 122–130.

Ransome, Frederick Leslie (1909): Notes On Some Mining Districts In Humboldt County, Nevada. In: Department Of The Interior United States Geological Survey, Bulletin 414. Washington: Government Printing Office, https://pubs.usgs.gov/bul/0414/report.pdf, [letzter Zugriff am 03. 08. 2021].

Schulz, Wilhelm (1960): Aimé Bonpland. In: Abhandlungen der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse Jahrgang 1960 Nr. 9. Zitierter Brief vom 12. 7. 1851 aus Sanssouci. Mainz: Verlag der Akademie der Wissenschaften und der Literatur.

Weitere Publikationen zum Thema

Wußing, Hans/Remane, Horst (1989): Wissenschaftsgeschichte en miniature. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften.

Mitteilungen der Alexander von Humboldt-Stiftung:

1. Hanle, Hellmut: Alexander von Humboldt auf Briefmarken. In: Alexander von Humboldt-Stiftung. Mitteilungen. H. 39, Sept. 1981, S. 29–40.

2. Hanle, Hellmut: Neue Humboldt-Briefmarken. In: Alexander von Humboldt-Stiftung. Mitteilungen. H. 43, März 1984, S. 32–33.

3. Hanle, Hellmut: Aus der Welt der Philatelie – Neues zu Alexander von Humboldt. In: Alexander von Humboldt-Stiftung. Mitteilungen. H. 48, Dezember 1986, S. 35–44.

4. [Hanle, Hellmut:] Humboldt Postmarks’ hunting. In: Alexander von Humboldt-Stiftung. Mitteilungen. H. 59, Juli 1992, S. 74–75.

Abbildungen

Alle abgebildeten Postwertzeichen, außer Abb. 33, sind Reproduktionen der Originale aus der Sammlung von Peter Korneffel.

Abb. 1 und Abb. 16: Humboldt, Alexander von (1810), Vues des Cordillères et monumens des peuples indigènes de l’Amérique. Paris: Librairie Grecque-Latine-Allemande.

Abb. 33: Gestaltung: Horst F. Neumann Kommunikationsdesign, Gerda M. und Horst F. Neumann, Wuppertal, nach Buchumschlag Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur im C. Bertelsmann Verlag 2016, gestaltet von Jorge Schmidt unter Verwendung von Bildmotiven von © bpk/Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg | Gerhard Murza; Staatsbibliothek zu Berlin (insg. 5), © akg images (1) und © Bridgeman Images (2).

Dank für Bildrechte und Bearbeitung

Ein besonderer Dank geht an das Referat Postwertzeichen im Bundesministerium für Finanzen in Berlin, ferner an die Philatelie-Abteilungen von Correo Argentino, CorreosChile, der Dirección General de Correos y Telégrafos de Guatemala sowie an alle weiteren Herausgeber der hier gezeigten Briefmarken. Wir danken den Grafikern und Druckereien Andrés Álvarez, A. NY. Budapest, Bundesdruckerei GmbH Berlin, Courvoisier S. A., Hans Detlefsen, U. Faber, FESA S. A., Hans Peter Gassner/Wolfgang Seidel, Thomas Greg & Sons, F. Ivănus, Gerhard Kreische, Ziomara de León, Lit. del Comercio Caracas, Tulio Nel Molina, Imre Mosdóssy, Iván Romo, R. Sepulveda B., Gertraud Thieme und der University of Texas Libraries. Ein Dankeschön auch allen Institutionen und Personen, die nicht namentlich identifiziert werden konnten oder mit denen kein Kontakt herzustellen war. Herzlicher Dank an das Botanische Museum Berlin für die Bereitstellung ihrer Erstausgabe Vues des Cordillères et monumens des peuples indigènes de l’Amérique von 1810 zur Illustration (Abbildungen 1 und 16) sowie Santiago Engelhardt zu ihrer photografischen Reproduktion. Ein besonderer Dank für die Unterstützung durch die Stiftung Olbricht und an Klaus Badura für die grafische Bearbeitung und Aufarbeitung der Briefmarken und die Koproduktion des dazu erschienenen Buches Alexander von Humboldt; Weltmarken.

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