Renate Sternagel
Ausgehend von einem Brief Alexander von Humboldts an die Schriftstellerin Therese von Bacheracht (1804–1852) wird die Geschichte der Herausgabe der Briefe seines Bruders Wilhelm an Charlotte Diede im Jahr 1847, nach dem Tod beider Korrespondenten, nachgezeichnet. Besonders wird dabei auf die bisher unveröffentlichten „Tagesblätter“ Karl August Varnhagens von Ense zurückgegriffen, aus denen hervorgeht, dass Alexander von Humboldt seine anfangs ablehnende Haltung aufgibt, Varnhagen mit der Prüfung und Korrektur des Manuskripts betraut, und dass Therese von Bacheracht durch Hartnäckigkeit und Charme ihr Ziel erreicht, die nicht unbeträchtlichen Einnahmen aus der Veröffentlichung zugesprochen zu bekommen.
Using a letter written by Alexander von Humboldt to the writer Therese von Bacheracht (1804–1852), this paper tells the story of how Humboldt’s brother Wilhelm’s letters to Charlotte Diede were published in 1847, after the death of both correspondents. The emphasis is placed on the hitherto unpublished daily journals (Tagesblätter) of Karl August Varnhagen von Ense. Not only do they show how gradually Alexander von Humboldt abandons his former adverse attitude towards the project, but also that he asks Varnhagen to proofread the manuscript and that, by perseverance and her charming attitude, Therese von Bacheracht succeeds in obtaining considerable profits from the publication of the letters.
Sur la base d’une lettre d’Alexander von Humboldt à l’écrivain Therese von Bacheracht (1804–1852), on retrace l’histoire de la publication des lettres de son frère Wilhelm à Charlotte Diede en 1847, après la mort des deux correspondants. En particulier, on utilise les « Tagesblätter » inédits de Karl August Varnhagen von Ense, dont il ressort qu’Alexander von Humboldt renonce à son attitude initialement négative, confie à Varnhagen la révision et la correction du manuscrit, et que Therese von Bacheracht avec persévérance et charme atteint leur objectif de se voir attribuer les revenus non négligeables de la publication.
Im August 1846 schrieb die Schriftstellerin Therese von Bacheracht an Alexander von Humboldt. Sie wollte die zahlreichen Briefe seines Bruders Wilhelm an ihre kurz zuvor verstorbene Kasseler Freundin Charlotte Diede herausgeben, berief sich darauf, von der Verstorbenen das Recht dazu erhalten zu haben und bat um Humboldts Einverständnis. Ihr Brief ist nicht erhalten, wohl aber Humboldts Antwort1, bei der es sich um eine zwar höflich verpackte, aber bestimmte und ausführlich begründete Abfuhr handelte. Kenner werden einwenden, Therese von Bacheracht sei aber doch sehr wohl die erste Herausgeberin von Wilhelm von Humboldts Briefen an eine Freundin gewesen, die ein Jahr später bei Brockhaus erschienen und sofort zum Bestseller wurden2. Bis zur Jahrhundertwende erfuhren die zwei Bände 13 Auflagen. Im Jahr 1909 wurde das Interesse daran noch einmal geweckt durch Albert Leitzmanns kritische Neuausgabe. Bis zu dieser Neuausgabe wurde Therese von Bacheracht in den zeitgenössischen Nachschlagewerken als Herausgeberin angeführt, obgleich ihr Name weder auf der Titelseite des Werkes noch unter dem Vorwort erschien. Letzteres führte dazu, dass über Thereses Anteil an der Veröffentlichung unterschiedliche, teils auch falsche Versionen kursieren.3
Abb. 1: Therese von Bacheracht, Stahlstich von W. C. Wrankmore nach einer Lithographie von Otto Speckter, (Maße: 10 × 15 cm) aus: Penelope, Zeitschrift zur Belehrung und Unterhaltung für das weibliche Geschlecht, 1847. Foto: Clausberg.
Leitzmann zeichnete in seinem Vorwort die verwickelte Geschichte der Erstausgabe nach. Über Therese von Bacheracht heißt es bei ihm nur, Charlotte Diede habe ihr zwar die Briefe und das Herausgaberecht vermacht, ihr aber beides wieder entzogen, nachdem sie mit Therese wegen deren Lebenswandels und schriftstellerischer Entwicklung „gänzlich auseinander gekommen“ sei. Stattdessen habe sie Alexander von Humboldt das Erbe übertragen, dem gegenüber allerdings Therese auf ihrem Recht beharrt habe.4 Auf die „literarische Beihülfe“, die Karl August Varnhagen von Ense auf Bitten seines Freundes Humboldt bei der Herausgabe leistete, verweist Leitzmann zwar5, bemerkt aber an anderer Stelle: „Die Einzelheiten der Verhandlungen zwischen den Partheien, in die uns Varnhagens Tagebücher Einblick gewähren, haben kein besonderes Interesse. Genug, daß schließlich der Druck beschlossen wurde.“6 Auf diese „Einzelheiten“ ging erst Nikolaus Gatter ein, der erstmals auch die ungedruckten Quellen (Varnhagens Tagesblätter) einbezog und auf Varnhagens Vermittlerrolle zu Therese von Bacheracht verwies.7
Im Folgenden soll, ausgehend von Humboldts ablehnendem Brief, Therese von Bacherachts Anteil an der Geschichte einer Veröffentlichung, die ohne ihre Hartnäckigkeit vielleicht gar nicht zustande gekommen wäre, noch einmal genauer nachgezeichnet werden.
Der Brief Alexander von Humboldts an Therese lautet folgendermaßen:8
Gnädige Frau Staatsräthin,
Die talentvolle Verfasserin von „Theresens Briefen aus dem Süden“ bedarf wohl keiner Beglaubigung von einem uralten Reisenden den seine Waldnatur doch nicht ganz dem9 litterarischen Verkehr entfremdet hat. Ihr inniges Verhältniss mit der Hingeschiedenen Frau Charlotte Diede war mir, wie diese selbst (nach 2–3 Briefen die ich von ihr besize eine eben so geistreiche, als edle und zartfühlende Frau) ganz10 unbekannt geblieben. Charlotte D[iede] hatte mir Ihren Namen nicht genannt. Charlotte erwähnte immer der Briefe meines Bruders in unbestimmten Ausdrücken. In den beiden lezten Briefen die ich erhielt und aufbewahre, heisst es bloss: „Ihr Brief hat mich mit einem so unerschöp[f]lichen Vertrauen erfüllt, dass ich gern mich11 über die Herausgabe der mir so teuren Manuskripte berathen möchte, aber es fehlt mir dazu die Kraft.“ So schrieb sie am 24 Juni 1846. Am 712 Juli, also 8 Tage vor ihrem13 Tode schreibt sie an den14 Geh[eimen] Legations Rath Sasse „Wie gern hätte ich Rechenschaft über die Handschriften abgelegt.“ Fräulein Eleonore Duysing meldete in einem früheren Briefe (vom 3ten Juli): Auf den Fall des Todes15 hat sie16 den Wunsch ausgesprochen, das Ganze in die Hände des Herrn Alex. v. Humboldt |1v| legen zu dürfen um nach seinem und der übrigen Familie Ermessen die dereinstige Herausgabe zu bewirken.“ Der Schaz[,] sezte die Hingeschiedene hinzu[,] dürfe nicht mit ihr untergehen, weil viele andere daraus Belehrung, Trost und hohen Genuss für Geist und Herz schöpfen könnten. „Oft stiegen Bedenken in ihr auf, ob es recht sei die Briefe, die nur für sie bestimmt waren, der Oeffentlichkeit zu übergeben.“ Ich habe der edeln Frau immer darauf erwidert: die Briefe seien ihr17 Eigenthum, sie18 allein könne darüber disponiren, ich verlasse mich ganz auf ihr Zartgefühl. Seitdem hat Fräulein Eleonore Duysing deren Briefe und ganzes Benehmen uns liebenswürdiger geschienen19, auf Befehl der Hingeschiedenen mir die ganze Briefsammlung geschikt und da meine Geschäfte mir keine Zeit dazu gelassen haben, so hat die verwittwete Frau Ministerin von Bülow, meines Bruders jüngste Tochter, eine überaus gebildete Frau, voll Geist und Grösse des durch Unglük geprüften Charakters bereits angefangen, die MSS, die grossentheils wohlgeordnete Abschriften sind, zu lesen. Da die Familie Duysing zu Erben eingesezt ist20 und meine Familie denen Rechenschaft schuldig ist, welche diese Briefsammlung uns gesendet haben, so schrieb ich an Fräulein Eleonore, dass wenn, wie ich damals noch zu glauben Ursache hatte, die Herausgabe von meiner21 Familie geschehe, ich das Honorar an sie nach Cassel schicken würde. Fräulein Eleonore Duysing hat am 28 Juli nur geantwortet „wir22 werden wenn wir das Honorar einst empfangen, damit nach dem Sinne und Wunsche unserer theuren verklärten Freundin verfahren.“ Da alle irdische[n] Dinge immer die verhängnissvolle Prosa des Lebens berühren, so verzeihen Sie mir gewiss diese Aeusserungen, gnädige Frau, Sie verzeihen es um so leichter, als Sie auf23 eine edle24 Weise die Hingeschiedene mit Selbstaufopferung unterstüzt haben. |2r|
Es kann niemandem ein Vermächtniss aufgelegt werden, dessen Erfüllung bei näherer Prüfung seinen inneren Gefühlen widerstrebt. Ich bin der Bruder des Verstorbenen, der diese Verhältnisse für mich in tiefes Geheimniss gehüllt hat: Die nächsten Verwandte, deren Entscheidung die wichtigste sein muss, sind zwei liebenswürdige Frauen, die Ministerin von Bülow und die Generalin v. Hedeman. Dazu kommen Enkelinnen, die auch alle mit dem großen Namen meines Bruders sehr beschäftigt sind. Dieser Name wird nicht leiden durch die Herausgabe schöner und wie es scheint harmloser Briefe voll tiefer Lebensbetrachtungen. Aber die Bewunderung solcher Briefe ist ganz verschieden von dem quälenden Gefühle, ob Verwandte ein Recht haben zu thun, was der Verschiedene bestimmt nicht zur Herausgabe geschrieben hat. In einem kurz vor dem Tode geschriebenen Briefe sagt Wilh[elm] v. H. „die theure Charlotte solle vor ihrem Tode ihm die Briefe wiederschicken, wie er die25 ihrigen auf ihr Geheiss verbrenne“. Ich erkenne das Recht[,] den Besiz, das Eigenthum der Charlotte D. vollkommen an, aber geschehen lassen ist etwas ganz anderes, als selbst thun und26 die Herausgabe selbst wie ein27 Familienglied zu übernehmen. Seit dem die Briefe angekommen sind, ist es mir höchst wahrscheinlich geworden, dass meine Familie, von der ich mich in dieser zarten Angelegenheit nie trennen werde, auf die Selbstherausgabe Verzichtet. Bleibt es bei dieser Weigerung, so werde ich vielleicht einige wenige28 Stellen bezeichnen, die uns unerwünscht scheinen und den Auftrag erhalten, wohl eingepackt die ganze uns anvertraute Sammlung an die Tochter der Frau OberappellationsRäthin Duysing nach Cassel zurükzusenden. Die Herausgabe ist unbestreitbar der Wunsch der Hingeschiedenen gewesen, sie hat mit Liebe alles dazu vorbereitet: wir aber die Verwandte von Wilhelm von Humboldt (so ist nach reiferem |2v| Nachdenken und nach näherer Betrachtung der Brief[-]1Sammlung unser Entschluss) nehmen keinen Theil an der Publication und vermeiden daher auch jede Beziehung mit der Buchhandlung, der etwa die Herausgabe übertragen würde.
Die Briefe* welche Ew Hochwohlgeb[oren] dem Ihrigen vom 16 August beizulegen die Güte gehabt, erfolgen jezt zurük. Genehmigen Sie, gnädige Frau, den Ausdruk der unbedingtesten Hochachtung mit der ich die Ehre habe zu verharren
Ew Hochwohlgeb[oren]
gehorsamster
AlHumboldt
Potsdam,
den 28 August
1846.
*drei von Charl[otte] D[iede]
26 Sept 1842
7 April 1843.
9 Mai 1844
zwei von El[eonore] Duysing
10ten und
18ten Juli 1846
Abb. 2: Brief Alexander von Humboldts an Therese von Bacheracht, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlass Lützow, Kasten 2, Nr. 20
Kurz zur Vorgeschichte: 1788 hatten der junge Student Wilhelm von Humboldt und die Pastorentochter Charlotte Hildebrandt einander in Pyrmont kennengelernt. Obgleich die Verbindung danach für lange Zeit abbrach, muss die nur dreitägige Begegnung bei beiden einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Denn 1814 war es kein anderer als Humboldt, an den Charlotte, die inzwischen nicht nur auf ihre gescheiterte Ehe mit dem Juristen Philipp Wilhelm Diede (1759–1840) und weitere unglückliche Liebesbeziehungen zurückblickte, sondern zudem noch in große finanzielle Schwierigkeiten geraten war, einen brieflichen Hilferuf sandte. Wilhelm von Humboldt, obgleich er gerade beim Wiener Kongress sehr beschäftigt war, antwortete umgehend. Ab da riss die Verbindung nie mehr ab. Für Charlotte bedeutete Humboldts Freundschaft einen Rettungsanker und Ruhepol, einen Lichtstrahl in ihrem chaotischen Leben, seine Briefe betrachtete sie als ihren „einzigen Reichthum“ und „unerschöpflichen Schatz“29, las sie immer wieder.30 Ihre eigenen Briefe an ihn vernichtete er auf ihren Wunsch hin und hätte eigentlich gern gehabt, dass sie ihm die seinen zurückerstattete31, aber dazu kam es nicht. Wilhelm von Humboldts Tod 1835 stürzte Charlotte in tiefste Verzweiflung. Trost fand sie bei Therese von Bacheracht, mit der sie schon seit langem freundschaftlich verbunden war. Therese kannte als eine von wenigen Charlottes Freundschaftsverhältnis zu Humboldt32, und sie wusste auch, dass Humboldt seit dem Beginn der brieflichen Verbindung eine jährliche finanzielle Unterstützung in Höhe von 100 Talern an Charlotte überwies. Nach Humboldts Tod erhielt Charlotte diese Summe weiterhin – und es dauerte einige Zeit, bis ihr klar wurde, dass dies nicht etwa auf eine testamentarische Verfügung des verstorbenen Freundes zurückging, sondern dass vielmehr Therese die Geberin war. Wilhelm von Humboldt nämlich hatte Charlotte Diede nichts hinterlassen und keiner seiner Angehörigen ahnte überhaupt etwas von ihrer Existenz und seiner Freundschaft mit ihr. Charlottes Versuch, nach Wilhelms Tod mit seinem Bruder Alexander in Verbindung zu treten, verlief im Sand.
Abb. 3: Charlotte Diede, Scherenschnitt um 1800. Maße: 10 × 15 cm, Bildrechte: Clausberg, Foto: Clausberg.
Therese unterstützte Charlotte auch in den folgenden Jahren und zum Dank dafür versprach ihr diese, sie solle einmal die Briefe Wilhelm von Humboldts erben, diese veröffentlichen und in den Genuss der Einnahmen kommen. Briefe Charlottes aus den Jahren 1842 bis 1844 an Therese, die diese ihrem Schreiben an Alexander von Humboldt beilegte, enthielten wohl ein solches Versprechen.
Aus Humboldts Antwortbrief geht jedoch hervor, dass er – abgesehen von den grundsätzlichen Einwänden seiner Familie gegen eine Veröffentlichung – Thereses Rechtsanspruch für anfechtbar hielt. Er verwies darauf, dass Charlotte brieflich ihm gegenüber Thereses Namen nicht genannt habe, dass die Briefe seines Bruders nach Charlottes Wunsch vielmehr in seinen Besitz übergehen und er sie herausgeben solle. Im gleichen Sinn habe ihm Eleonore Duysing, Charlottes Kasseler Verwandte und Nachlassverwalterin, geschrieben. Er frage sich allerdings, ob sein Bruder eine Veröffentlichung überhaupt gewollt hätte.
Er kam auch auf die finanzielle Seite der Angelegenheit, „die verhängnissvolle Prosa des Lebens“, zu sprechen, äußerte sich anerkennend über Thereses „Selbstaufopferung“, ging aber nicht weiter ins Detail. Auch die von ihm zitierte Äußerung Eleonore Duysings, ihre Familie werde, wenn sie das Honorar dereinst erhalte, damit nach dem Wunsch Charlottes verfahren, macht die Sache nicht klarer.
Dabei war es wohl gerade die Honorarfrage, die für Therese eine große Rolle spielte und sie weiterhin auf ihrem „Recht“ beharren ließ, ungeachtet des Treuebruchs durch Charlotte und der Humboldt’schen Argumentation.
Therese hatte wenige Jahre zuvor mit dem Schreiben begonnen, jetzt, 1846, war sie auf dem Höhepunkt ihrer kurzen Karriere. Wohl niemand, der ihre Lebensumstände kannte, wäre auf die Idee gekommen, dass sie ihre Romane, Novellen und Reisebeschreibungen aus einem anderen Grund als zum Zeitvertreib schrieb – und doch war es so. Ihre Ehe mit dem Diplomaten Robert von Bacheracht war unglücklich, sie hatte sich schon lange von ihm scheiden lassen wollen und er hatte es ihr ausgeredet. Als es 1849 dann doch soweit war, bekannte sie in ihrem Abschiedsbrief an ihn, von 1842 an „sann ich auf Mittel, mir eine selbständige Existenz außerhalb der Ehe zu schaffen und … ward Schriftstellerin“33. 1842 – das war das Jahr, in dem Thereses leidenschaftliche Liebesbeziehung zu dem Schriftsteller Karl Gutzkow angefangen hatte, den sie gern geheiratet hätte, der Frau und Kinder aber nicht für sie aufgeben wollte. Und selbst wenn das einmal geschehen wäre, dann hätte sie mitverdienen müssen, um ihren bisherigen Lebensstandard halten zu können. Thereses Liaison mit Gutzkow war wohl der Grund für Charlottes sittliche Entrüstung und ihre Abkehr von der Freundin gewesen, Gutzkow selbst kam darauf viel später, lange nach Thereses Tod, zu sprechen. Er behauptete überdies, er habe Therese „[aufgestachelt], mit dem großen Mann in Potsdam einen Krieg zu eröffnen“, er habe ihr die Briefe an Alexander von Humboldt „dictirt“, und diesem „drohende Eventualitäten“ in Aussicht gestellt, wenn er bei der ungerechten Ablehnung von Thereses Ansprüchen bliebe.34 Als einem, der sich bestens im Literaturbetrieb auskannte, war es Gutzkow wohl klar, welche Bedeutung eine Veröffentlichung der Humboldt’schen Briefe haben würde: Sie würden zweifellos reißenden Absatz finden. Therese würde nicht nur für die Geldsummen entschädigt werden, mit denen sie ein Jahrzehnt lang Charlotte Diede unterstützt hatte, das Unternehmen versprach auch darüber hinaus zu einer sprudelnden Einnahmequelle zu werden.
Wie stark Gutzkows Einfluss auf Therese in dieser Angelegenheit gewesen ist, wissen wir nicht, sie selbst äußerte sich nicht darüber. Sicher ist aber, dass Thereses Briefe, ob nun nach Gutzkows Diktat geschrieben oder nicht, viel weniger erfreulich auf Alexander von Humboldt gewirkt haben müssen, als Therese in Person. – Er lernte sie Mitte Oktober 1846 kennen, als sie nach Berlin kam, sich für einige Wochen im Hotel de Russie einquartierte und ihre Offensive begann. Es war – typisch für sie – eine Charme-Offensive, und der, an den sie sich neben Alexander von Humboldt vor allem richtete, war Karl August Varnhagen von Ense, Humboldts Freund. Aus dessen Eintragungen in seinen Tagesblättern ist der Fortgang der Geschichte genau zu entnehmen.35
Schon bei Thereses erstem Besuch am 2. November 1846 war Varnhagen vorgewarnt. Kurz nach Alexander von Humboldts Antwortschreiben an Therese hatte er notiert: „Humboldt klagt mir, Frau von Bacheracht sei in den Besitz von Briefen seines Bruders an eine Dame in Kassel gekommen und wolle sie herausgeben, Frau von Bülow sei darüber sehr unglücklich, er selber wünsche die Sache zu hintertreiben, ob ich nicht wisse, wie man der Frau von Bacheracht beikommen könne? Ich gebe ihm einige Auskunft, aber keinen Rath“.36
Therese machte auf Varnhagen bei diesem ersten Kennenlernen – nicht allein ihrer Schönheit wegen – einen sehr anziehenden Eindruck. Sie habe ihn 1813 als Kind einmal gesehen, als er ihre Eltern besucht habe und könne sich noch gut an ihn erinnern, sagte sie. Und ließ auch fallen, sie habe daran gedacht, aus einem von ihm geschriebenen Aufsatz, über „Voltaire in Frankfurt“, ein Theaterstück zu machen. Die Idee gefiel ihm. Man hatte ein gutes Gespräch und trennte sich, so Varnhagen, „in wechselseitiger Zufriedenheit“37. Am Abend schickte ihm Therese ihr lithographiertes Bildnis, kurz danach ihr neuestes Buch, Paris und die Alpenwelt, und später immer wieder Autographen, nachdem sie erfahren hatte, dass er solche sammelte.
Erst bei Varnhagens Gegenbesuch, drei Tage später, wurde das Thema der Humboldt-Briefe angeschnitten. Therese klagte über die Unstimmigkeit mit Alexander von Humboldt, Varnhagen versuchte, ihr die Besorgnis der Humboldt-Familie zu erklären, die vielleicht einen Skandal fürchtete. Er riet ihr, Geduld zu haben.38
Kein schlechter Rat, denn einige Wochen später, nach vielem Hin und Her, Besuchen und Gegenbesuchen, Briefen und Gegenbriefen der drei Beteiligten, fiel eine positive Entscheidung. Am 3. Dezember 1846 überbrachte Therese Varnhagen die Botschaft, Humboldt sei nicht mehr gegen eine Veröffentlichung und werde das Manuskript der Briefe seines Bruders in seine – Varnhagens – Hände legen. „Sie freut sich lachend“, notierte Varnhagen, „daß es ihr doch gelungen, mich in diese Sache zu verwickeln!“39
Therese hatte ihn schon früh darum gebeten, an ihrer Stelle als Herausgeber zu fungieren, weil die Familie Humboldt sich bestimmt mit ihm eher arrangieren würde als mit ihr. Sie hatte das sicher auch Humboldt vorgeschlagen. Aber Varnhagen hatte zunächst abgewinkt, er befürchtete, dass bei der ganzen Sache „wohl nur Ärger herauskommen“40 würde. Dass Therese dennoch nicht daran dachte, aufzugeben und bei allem, was sich ihrem Plan entgegenstellte, immer „heiter und graziös“ blieb, scheint Varnhagen beeindruckt zu haben. Ihm wurde immer deutlicher, dass Alexander von Humboldt wohl nichts gegen eine Veröffentlichung hatte, dass er auch nichts gegen Therese hatte – dass er aber ihren Namen „nicht auf dem Titel oder unter der Vorrede wünscht, oder vielmehr er fürchtet den Namen ihres Freundes Gutzkow, dem sie etwa die Herausgabe überweisen könnte, und gegen den er einen großen Widerwillen hat“41.
Varnhagen übernahm die Mittlerrolle zwischen Humboldt und Therese, nachdem diese am 9. Dezember 1846 Berlin wieder verlassen hatte. Sie hatte dort in den Wochen zuvor, wie ihre Freundin Fanny Lewald bemerkte, „geradezu Furore“ gemacht, war von der Prinzessin von Preußen empfangen worden, die sie „dringend gebeten“ hatte, doch den ganzen Winter in Berlin zu verbringen. „Eine Frau wie Sie fehlt uns, um den Hof mit der Literatur zu vermitteln.“42 Die Prinzessin teilte offenbar Humboldts Aversion gegen Gutzkow nicht, denn sie fand Therese gegenüber freundliche Worte über ihn: „Sagen Sie Gutzkow, der Ihnen ja nahe steht, dass es den Prinzen und mich schmerze, dass Sachsen sein Talent anerkennen muss, statt seines Vaterlandes.43 […] Natürlich umschwärmt alles, was zum Hofe gehört, sie [Therese] in Scharen und sie ist gut und natürlich liebenswürdig.“44
Therese war auch zur Audienz bei der Königin gebeten worden, und hatte bei dieser Gelegenheit Humboldt getroffen. „Daß er sie am Hofe sieht, wirkt gut für sie“45, bemerkte Varnhagen in den Tagesblättern. Natürlich hatte sie alle wichtigen Salons besucht, darunter den Olfers’schen, wo sie auch wieder Humboldt begegnete, und den von Henriette Solmar, wo sie auf Varnhagen traf, der feststellte, sie habe dort allgemein gefallen.46 – Ja, sie hatte in Berlin sogar selbst die Gastgeberin gespielt, sich dabei allerdings von einer ganz anderen Seite gezeigt, was der Schriftsteller Alexander von Sternberg süffisant so beschrieb:
In ihrem Zimmer im Gasthofe kam man zusammen, nicht um Thee zu trinken, was schon als unzeitgemäß und veraltet betrachtet wurde, sondern um Coteletts zu verspeisen und Bier zu trinken. Hier und da brachte auch die schöne Therese ganz verstohlen eine Cigarre zum Vorschein und unter ungeheuerm Applaus der Männer steckte sie sie zwischen die Lippen. […] Die alten, in ihrem guten Rechte bestehenden Theezirkel nannten diesen neuen, usurpatorischen Verein die Cotelettenbrüderschaft.47
Abb. 4: Therese von Bacheracht in russischer Tracht, um 1840. Unsigniert (Künstler unbekannt), Ölgemälde, (Maße: vermutlich ca. 60 × 100 cm), Leihgabe im Jenisch-Haus Hamburg (SHMH), Familienbesitz Nachlass Kafka-Lützow. Foto: Elke Schneider.
Was die Veröffentlichung betraf, tat sich erst im Frühjahr 1847 wieder etwas. Varnhagen schrieb nach einer Unterredung mit Humboldt Mitte Februar in dessen Auftrag an Therese und erhielt umgehend ihre Antwort: Sie sei „mit allem bei Humboldt Ausgerichteten wohlzufrieden“ und nehme „die ihr auferlegte Verpflichtung schriftlich an“48. Worin das „Ausgerichtete“ und die „Verpflichtung“ bestanden, ist unbekannt; vermutlich ging es darum, dass Varnhagen die Texte prüfen sollte, Therese die Einnahmen der Veröffentlichung zugesprochen bekam, im Gegenzug aber auf Nennung ihres Namens als Herausgeberin verzichtete.
Varnhagen leitete ihre Einverständniserklärung an Humboldt weiter und erhielt wenig später die Briefe zur Durchsicht, nachdem Humboldt sie zunächst selber gelesen und kaum etwas zu beanstanden gefunden hatte. Im Gegenteil:
Es ist viel Wunderschönes, in Sprache und Ideen, darin, ein Lebensbild von der seltensten Art, eine Verachtung alles menschlichen Glücks und Unglücks, sobald es den Ideenkreis nicht verengt, viel Biblisches und dogmatisch Christliches, ein Gemisch von Stoa, Verachtung der äußern Weltgegebenheiten und doch Zartheit und Weiche.49
Auch auf etwas Unerwartetes war Humboldt gestoßen, nämlich auf „eine schöne Stelle über Therese“50. Charlotte Diede hatte seinem Bruder Wilhelm 1827 auf seinen Wunsch hin die mit ihr befreundete Familie von Struve geschildert und von diesem die Antwort bekommen:
Die jüngste Tochter Therese muß ein unendlich liebenswürdiges Wesen von innerer und äußerer Anmuth und Grazie seyn, und selbst wenn große und vielleicht selbst partheiische Liebe den Pinsel führte, ist Ihr Bild höchst anziehend und danke ich Ihnen wiederholt herzlich dafür.51
Wenn es nach Charlotte Diede gegangen wäre, hätte Wilhelm von Humboldt seine anmutige Herausgeberin in spe, Therese, sogar persönlich kennengelernt, aber dazu kam es denn doch nicht. Charlottes listiger Versuch, ein solches Kennenlernen in die Wege zu leiten, führte vielmehr zu ernstlicher Verstimmung bei ihrem Briefpartner. 1833, während eines Kurzaufenthalts in Hamburg, wurde ihm ein Brief Charlottes ins Hotel gebracht, auf den er nicht vorbereitet war und auf den er höchst verärgert reagierte. Er hätte mit Recht erwartet, maßregelte er Charlotte, „dass Sie mich um Erlaubnis gefragt hätten, ob Sie mir einen Brief durch die Struvesche Familie zukommen lassen“. Charlotte hätte ihn in eine ihm unangenehme Situation gebracht, denn wäre er länger in Hamburg geblieben, erklärte er, hätte die Höflichkeit es erfordert, den Struves einen Besuch abzustatten, aber er sei nicht in der Stimmung gewesen, „in der man neue und besonders weibliche Bekanntschaften macht“52. Der wahre Grund war aber wohl, wie Inge Brose-Müller zu Recht vermutet, dass Wilhelm von Humboldt um jeden Preis vermeiden wollte, dass Struves und Bacherachts durch einen Besuch von ihm zu „Mitwissern, ja Komplizen seiner Briefverbindung mit Charlotte“ würden. „Charlotte hingegen wäre es schmeichelhaft gewesen, wenn Humboldt in irgendeiner Weise sich öffentlich zu ihr bekannt […] hätte“.53
Karl August Varnhagen von Ense war während der Tage zwischen dem 30. März und 8. April 1847 voll damit beschäftigt, die Briefe Wilhelm von Humboldts durchzusehen, und schrieb danach an Alexander von Humboldt, er habe die ganze Zeit mit den aus dieser Lektüre „strömenden geistigen Einflüssen gelebt und die stärksten Gemütsschwingungen empfunden, hingerissen und doch abgestoßen, erhoben und dabei erschreckt, immer aber in staunender Bewunderung des einzigen Phänomens einer solch ungeahndeten Entwicklung! […] Ich denke, die literarische Welt wird es würdig aufnehmen und schätzen. Als ein ganz stattliches und wohlgerüstetes Buch wird es nun jedenfalls sich darstellen“54. Aus vielen privaten Aufzeichnungen Varnhagens geht hervor, wie sehr ihn die Person Wilhelm von Humboldt einerseits faszinierte, wie viele Widersprüchlichkeiten er aber auch in ihr fand – was er im Brief an Alexander von Humboldt nur vorsichtig in den Wortpaaren: hingerissen/abgestoßen, erhoben/erschreckt andeutete.
Nachdem die Freunde gemeinsam eine längere Passage in den Briefen geändert hatten, die ihrer Ansicht nach ein zu negatives Urteil über Bettina von Arnim enthielt, schickte Varnhagen am 18. April 1847 das gesamte Manuskript an den Verleger Brockhaus in Leipzig. Dass die Prüfung dieses Manuskripts so schnell vonstattengegangen war – immerhin umfassten die beiden Bände gedruckt dann zusammen 693 Seiten –, lag daran, dass es sich bei dem Text, den Varnhagen bearbeitete, um eine redigierte Abschrift handelte, die von Charlotte Diede stammte, da diese selbst zuletzt noch eine eigene Herausgabe der Briefe geplant und vorbereitet hatte.
Alexander von Humboldt hatte Varnhagen bereits vorgewarnt, er werde auf sehr viele Durchstreichungen stoßen, „oft halbe Seiten“, die nicht von ihm, Humboldt, sondern von Charlotte Diede stammten. „Vielleicht hat des Pfarrers Tochter zu Taubenheim einige krankhafte Anfälle von Pruderie gehabt.“55
Weder Karl August Varnhagen von Ense noch Alexander von Humboldt verglichen Charlotte Diedes Manuskript offenbar genauer mit den Originalen der Briefe, die ebenfalls in Humboldts Besitz übergingen, sonst hätte die Bearbeitung wohl erheblich länger gedauert und das Ergebnis wäre ein anderes gewesen. Diese Arbeit machte sich erst Albert Leitzmann im Zuge der kritischen Neuausgabe der Briefe, der danach konstatierte:
Der Vergleich der Originale mit dem Druck [d.h. der 1. Ausgabe von 1847, R. S.] ergab mir das überraschende Resultat, dass der Text, wie wir ihn bisher in gutem Glauben als humboldtisch lasen, auf weite Strecken gänzlich apokryph, an vielen Stellen nicht nur stark gekürzt, sondern mehr oder weniger direkt gefälscht, im kleinen aber nirgends zuverlässig ist. […] Es macht einen ganz eigenen Eindruck, diese Frau jeden Augenblick das Wort Heiligtum als Bezeichnung der Briefe ihres Jugendfreundes im Munde führen zu hören und sie daneben in den geistigen Schätzen, die das Geschick in ihre Hand gelegt hatte, so pietät- und respektlos hausen zu sehen.56
Mit solcher „kriminellen Energie“ hatten Alexander und Varnhagen wohl nicht im Entferntesten gerechnet, sie hatten vielmehr dem Text Charlottes vertraut, der dann wenige Monate später im Druck erschien – und ein voller Erfolg wurde. Kurz darauf, am 19. Oktober 1847, hatte Varnhagen einen „angenehmen Besuch“ von Therese von Bacheracht. „Sie überschüttete mich mit Danksagungen und Freundlichkeiten, und brachte mir auch ein Geschenk, ein Abbild in grünem Marmor des Sichelschleifers in Florenz.“57 Nicht nur das, sie revanchierte sich bei ihm auch mit dem Berliner Kalender auf das Jahr 1848, zu dem sie eine novellenartige Beschreibung ihrer Berliner Herbstwochen von vor einem Jahr beigetragen hatte58, in der sowohl Alexander von Humboldt als auch Karl August Varnhagen und seine Frau Rahel freundlichste Erwähnung fanden. Über Varnhagen hieß es anlässlich der Lektüre von dessen 1846 erschienenem 7. Band seiner Denkwürdigkeiten und vermischten Schriften: „Ich wußte in der That nicht, was ich mehr bewundern sollte die weltmännische, fein diplomatische Form, die classische Prosa, dessen [sic!] sich ein Göthe zu freuen hätte, oder die Fülle großer Erinnerungen, die er wie orientalische Perlen aneinander zu reihen weiß.“59
Wie es sich mit Thereses Einnahmen aus der Veröffentlichung der Briefe Wilhelm von Humboldts an eine Freundin verhielt, das erhellt aus einer Äußerung des Verlegers Heinrich Brockhaus aus dem Jahr 1860, als keiner der an diesem Unternehmen Beteiligten mehr am Leben war – außer ihm selber und einem, der nur im Hintergrund mitgewirkt hatte, Gutzkow nämlich. Brockhaus war von einem Anonymus im Magazin für die Literatur des Auslandes60 vorgeworfen worden, er erziele große Gewinne aus den Briefen an eine Freundin, da offenbar niemand Anspruch auf das Honorar erhebe (der Name Thereses fiel nicht) – und die, die ein Recht darauf hätten, „vier Schwestern, fromme und edle alte Jungfern“ – gemeint waren die Duysings, es waren allerdings nur drei – hätten als „Frauenzimmer“ es nicht verstanden, dieses Recht „zur gehörigen Zeit geltend zu machen“. Der Brockhaus’schen Buchhandlung als „unbeschränkter Nutznießerin“ müsste es eigentlich eine Freude sein, den „rechtmäßigen Eigenthümerinnen“ etwas vom Gewinn zukommen zu lassen.
Heinrich Brockhaus antwortete mit einer Gegendarstellung in der gleichen Zeitschrift61, in der er seinem Angreifer Unkenntnis der wahren Umstände vorwarf, schilderte, wie es zu der Veröffentlichung gekommen war und hob Therese von Bacherachts Rolle dabei hervor (wobei er auch seinen langjährigen Autor Gutzkow nicht vergaß).
Dieser [Therese] verdankt das deutsche Publikum die Herausgabe der Briefe und nächst derselben Gutzkow, da dieser Frau von Bacheracht in der Geltendmachung ihrer Ansprüche bei der Humboldtschen Familie lebhaft unterstützte und ohne seine Dazwischenkunft die Veröffentlichung vielleicht ganz unterblieben wäre. Von Frau von Bacheracht hat die Verlagshandlung später, nachdem schon mehrere Auflagen erschienen waren, auf den Wunsch der Herausgeberin, als diese nach Indien ging, das Eigenthumsrecht erworben und derselben, beiläufig bemerkt, sowohl hierfür, als auch für die ersten Auflagen bedeutende Summen gezahlt, welche die Unterstützungen, die sie ihrer Freundin gewährt, jedenfalls reichlich ersetzt haben werden.62
Dafür, dass Therese, für kurze Zeit allerdings nur, sehr gut an den Humboldt-Briefen verdiente, gibt es auch eine Bestätigung aus der Feder ihrer Freundin Fanny Lewald. Die war im August 1848 bei Therese in Hamburg zu Besuch und traf dort auch Heinrich von Lützow, den Therese ein Jahr darauf, nach der Scheidung von Robert von Bacheracht, heiraten würde, und der schon jetzt um sie warb. Fanny berichtete ihrem Freund Adolf Stahr von einer Unterhaltung, bei der es um Geld ging. Lützow habe Therese gefragt, wie viel sie denn so als Schriftstellerin im Jahr verdiene. Sie habe geantwortet: „Doch 1000 Taler durchschnittlich.“ Es darf angenommen werden, dass der größere Teil dieser nicht unbeträchtlichen Summe aus dem Erlös der Humboldt-Briefe stammte. Fanny Lewald berichtete weiter, Heinrich von Lützows Antwort darauf sei gewesen, Therese solle aufhören, für den Druck zu schreiben, er würde ihr dieses Geld geben. „Ich kanns wahrhaftig!“ habe er gesagt.
Und tatsächlich – vor ihrer Hochzeit mit Lützow beendete Therese sowohl, wie oben von Brockhaus geschildert, die Verbindung zu diesem Verlag, als auch diejenige zu Eduard Vieweg, der alle ihre eigenen Bücher verlegt hatte. Es war eine Entscheidung, die sie bald darauf bitter bereuen würde. Aber das ist eine andere Geschichte.63
Bacheracht, Therese von: Rom und Berlin. In: Berliner Kalender auf das Jahr 1848, hg. von Karl Reimarus, Berlin 1847, S. 139–216.
Bacheracht, Therese von: Heute werde ich Absonderliches sehen, Briefe aus Java 1850–1852, hg. von Renate Sternagel, Königstein 2006.
Briefe Wilhelm von Humboldts an eine Freundin, anonyme Herausgabe Therese von Bacheracht, Leipzig 1847.
Wilhelm von Humboldts Briefe an eine Freundin, zum ersten Male nach den Originalen herausgegeben von Albert Leitzmann: 2 Bände, Leipzig 1909.
Brose-Müller, Inge: Humboldt und Charlotte, eine Freundschaft in Briefen, Berlin 2010.
Ein Leben auf dem Papier, Fanny Lewald und Adolf Stahr, der Briefwechsel 1846–1852, Hg. von Gabriele Schneider und Renate Sternagel, Bd. 1, Bielefeld 2014.
Friesen, Gerhard: Der Verleger ist des Schriftstellers Beichtvater, Karl Gutzkows Briefwechsel mit dem Verlag F. A. Brockhaus 1831–1878, Archiv für die Geschichte des Buchwesens, Bd. 28, Frankfurt 1987, S. 126f.
Gatter Nikolaus: „Gift, geradezu Gift für das unwissende Publikum“. Der diaristische Nachlass von Karl August Varnhagen von Ense und die Polemik gegen Ludmilla Assings Editionen (1860–1880), 2., vom Autor durchgesehene Auflage, Köln 2020, http://varnhagen.info/bibiothek_neu/gatter_nikolaus_gift_geradezu_gift.pdf, (zuletzt besucht am 17.3.2021).
Gutzkow, Karl: Rückblicke auf mein Leben, Berlin 1875.
Hartwig, Otto: Charlotte Diede. Mit und nach ungedruckten Briefen. In: Dt. Rundschau Bd. 41/1884, S. 68–106.
Humboldt, Alexander von/Varnhagen, Karl August von: Briefe von Alexander von Humboldt an Varnhagen von Ense, Leipzig 1860.
Leitzmann, Albert: Die Freundin Wilhelm von Humboldts, Deutsche Rundschau Bd. 140, 1909, S. 204–230.
Magazin: Magazin für die Literatur des Auslandes, hg. von Joseph Lehmann, Jg. 1860.
Meisner, Heinrich: Briefe von Charlotte Diede, der Freundin Wilhelm von Humboldts, Dt. Rundschau 104/1900, S. 294.
Sternberg, Alexander von: Erinnerungsblätter 3. Teil, Leipzig 1857.
Vordtriede, Werner (Hg.): Therese von Bacheracht und Karl Gutzkow. Unveröffentlichte Briefe 1842–1849, München 1971.
1 Der Brief liegt heute in Berlin, SBBPK, Nachlass Lützow, K. 2, Nr. 20. Es handelt sich um den gemeinsamen Nachlass Therese von Bacherachts und ihres zweiten Ehemannes Heinrich von Lützow.
2 Briefe Wilhelm von Humboldts an eine Freundin (1847).
3 Z.B. bei Hartwig (1884), S. 105; Meisner (1900), S. 294; Anonymus in: Magazin, H. 15, S. 178f.; und noch in: Vordtriede (1971), S. 53.
4 Wilhelm von Humboldts Briefe an eine Freundin (1909), 1. Bd., S. XII und S. XIV.
5 Ebd., S. XIV.
6 Leitzmann, Deutsche Rundschau (1909), S. 217.
7 Gatter (2020), besonders S. 93f. und S. 181f.
8 Transkription Ulrike Leitner.
9 ganz | von gestrichen | dem H.
10 Frau) | sind mir gestrichen | ganz H.
11 mich ergänzt H.
12 (1) 17 (2) 7 H.
13 Ihrem H ändert Hrsg.
14 (1) mich (2) dem H.
15 des Todes ergänzt H.
16 Sie H ändert Hrsg.
17 (1) Ihr (2) ihr H.
18 Sie H ändert Hrsg.
19 (1) einen liebenswürdigen Eindruk gelassen (2) liebenswürdiger H.
20 (1) sind (2) ist H.
21 (1) der (2) meiner H.
22 (1) Sie (2) wir H.
23 Sie | Selbst gestrichen | auf H.
24 eine | so gestrichen | edle H.
25 die ergänzt H.
26 und ergänzt H.
27 (1) als (2) wie ein H.
28 (1) die wenigen (2) einige wenige H.
29 Meisner (1900), S. 296.
30 Über den Briefwechsel siehe: Brose-Müller (2010).
31 Siehe Humboldts vorletzten Brief vom Mai 1835, wo es heißt: „Dann würde ich es jetzt vorziehen, die Briefe an mich zurückgeschickt zu erhalten, obgleich ich mich sehr gut erinnere, daß der Gedanke der Verbrennung von mir herkam.“ In: Leitzmann (1909), Bd. 2, S. 392f.
32 Was dieser allerdings nicht ahnte.
33 Staatsarchiv Hamburg, 211-5B_1167.
34 Gutzkow (1875), S. 330–332.
35 Die Tagesblätter sind Teil der in der Biblioteka Jagiellońska, Kraków befindlichen Sammlung Varnhagen, sie werden in neun Einzelkästen aufbewahrt, die hier zitierten in Kasten 3 (Sammlung Varnhagen Kasten 253) und Kasten 4 (Sammlung Varnhagen Kasten 254). Ich danke Nikolaus Gatter dafür, dass er mir diese, von ihm digitalisierten Tagesblätter (im Folgenden: Tbl.) zur Verfügung gestellt hat.
36 Tbl. 3.9.1846.
37 Tbl. 2.11.1846.
38 Tbl. 5.11.1846.
39 Tbl. 3.12.1846.
40 Tbl. 11.11.1846.
41 Tbl. 17.11.1846.
42 Lewald/Stahr (2014), Bd. 1, S. 173.
43 Gutzkow war gerade zum Intendanten am Hoftheater in Dresden ernannt worden, hielt sich aber in diesen Wochen gemeinsam mit Therese in Berlin auf.
44 Lewald/Stahr (2014), Bd. 1, S. 173.
45 Tbl. 26.11.1846.
46 Ebd.
47 Sternberg (1857), 3. Teil, S. 85.
48 Tbl. 19.2.1847.
49 Humboldt/Varnhagen (1860), Brief vom 27.3.1847, S. 236.
50 Ebd., S. 238. Therese von Bacheracht war eine geborene von Struve.
51 Briefe Wilhelm von Humboldts (1847), Bd. 1, S. 328, Brief vom 8. Okt. 1827.
52 Wilhelm von Humboldts Briefe (1910), Bd. 2, S. 306, Brief vom 9. Sept. 1833. Dieser Brief ist in der Erstausgabe weggelassen.
53 Brose-Müller, S. 154.
54 Varnhagen an A. v. Humboldt, Brief vom 8. April 1847, zitiert nach Leitzmann (1909), S. 219.
55 Wie Anm. 47.
56 Leitzmann (1909), S. 206. Zu diesen Eingriffen gehörte z.B. auch die Weglassung des bereits erwähnten Hamburger Briefes, (s. oben Anm. 47) der Wilhelms scharfe Zurechtweisung Charlottes wegen ihrer Eigenmächtigkeit enthielt.
57 Tbl. 19.10.1847.
58 Bacheracht (1847), S. 139–216.
59 Ebd., S. 208.
60 Magazin (1860), H. 15, S. 178f. Siehe dazu auch Brockhaus’ Briefwechsel mit Karl Gutzkow. In: Friesen (1987), S. 126f.
61 Magazin (1860), H. 18, S. 215f.
62 Hervorhebung, R. S.
63 Siehe dazu: Bacheracht (2006), Einführung, S. 24ff.