Irene Prüfer Leske
Es handelt sich hier um eine Replik auf Frank Holls Artikel „La cooperación inolvidable de Aimé Bonpland y Alexander von Humboldt“, erschienen in der argentinischen Zeitschrift Bonplandia Volumen 29 Nr. 2 (2020). Es wird versucht, die von Holl gemachten schweren Vorwürfe gegenüber Avé-Lallemant, wie z.B. eine „tendenziöse Geschichtsschreibung“ zu praktizieren und Bonpland über Jahrhunderte hinweg schwer geschadet zu haben, nicht nur zu entschärfen, sondern auch in seinem eigenen Artikel als widersprüchlich aufzudecken. Die Ausführungen basieren vor allem auf den 7 Seiten, die Avé-Lallemant Bonpland und seinem Besuch bei demselben auf seiner Estancia Santa Ana 14 Tage vor seinem Tod in seinem zweibändigen Reisewerk „Reise durch Süd-Brasilien“ (1859) widmet, und einem kurzen Nachruf im 2. Band nach dessen Ableben im Jahre 1858.
Se trata de una réplica al artículo de Frank Holl “La cooperación inolvidable de Aimé Bonpland y Alexander von Humboldt”, publicado en la revista argentina Bonplandia Volumen 29 nº 2 de 2020. Se intentará desmontar las graves acusaciones por parte de Holl frente a Avé-Lallemant de practicar la falsificación de hechos históricos y de perjudicar gravemente la imagen de Bonpland durante los siglos a nivel internacional desde su fallecimiento en 1858. Se intenta revelar las contradicciones que se presentan en el artículo mismo de Frank Holl. Los argumentos de la autora se basan sobre todo en la lectura del libro de Avé-Lallemant “Reise durch Süd-Brasilien” (1859) en dos tomos que incluye 7 páginas dedicadas a su visita a Bonpland en su estancia 15 días antes de morir y un breve comentario y valoración sobre el fallecido después de enterarse de su muerte.
Il s’agit ici d’une réplique à l’article de Frank Holl « La coopération inoubliable d’Aimé Bonpland et Alexander von Humboldt », paru dans la revue argentine Bonplandia Volume 29 N°2 (2020). Nous essayerons de contester les graves accusations de la part de Holl à l’encontre de Avé-Lallemant de falsifier des faits historiques et de nuire grièvement l’image de Bonpland pendant des siècles depuis sa mort en 1858, et de révéler les contradictions dans l’article de Frank Holl. Les arguments de l’auteur se basent sûrtout sur la lecture du livre de Avé-Lallement « Voyage à travers le Brésil du Sud » (1859) en deux volumes, qui inclut 7 pages dédiées à sa visite à Bonpland dans son « estancia » 15 jours avant de mourir y un bref commentaire et analyse sur le décédé peu après avoir pris connaissance de sa mort.
Durch Herausreissen einer Stelle aus ihrem Zusammenhang in der Nachahmung wird sie aber Blume, Manier. Alles Blümeln ist ein Product einer nachahmenden Unfähigkeit das Individuelle aufzufassen.
Die Gliederung des Ganzen wenn man auch die Individualität nicht darin erkennt ist doch Basis der techn[nischen] Interpr[etation] für das Einzelne, weil nun schon allgem[eine] Combinations Gesetze eintreten.
Jedes Verstehen des Einzelnen ist bedingt durch ein Verstehen des Ganzen.
Schleiermacher I. Aphorismen von 1805 bis 1809, S. 45–46
Übersetzer lesen und interpretieren besonders intensiv und versuchen objektiv zu sein. Historiker interpretieren frei und oftmals mit dem Ziel, ihre Hypothesen bestätigt zu wissen. Beide Gruppen kommen nicht umhin, anzuerkennen, dass ihre Interpretationen auf ihrem eigenen kulturellen Hintergrund gewachsen sind.
Hier geht es um die Interpretation von Frank Holl und meine Übersetzung ins Spanische einer Beschreibung Robert Avé-Lallemants anlässlich seines Besuches bei Aimé Bonpland auf seiner Hazienda El Recreo oder auch Santa Ana auf Wunsch von Alexander von Humboldt im Jahre 1857 14 Tage vor Bonplands Tod, den Avé-Lallemant in seinem zweibändigen Werk „Reise durch Süd-Brasilien“ (1859, Bd. 1: 362–368) veröffentlichte, und seinen Nachruf im zweiten Band anlässlich der Todesnachricht (Bd. 2: 373–375).
Im Vorhinein und zum besseren Verständnis meiner Ausführungen möchte ich meine in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen zum Leben und dem Legat von Aimé Bonpland in Argentinien beschreiben.
In Vorbereitung des Pariser Humboldt-Bonpland-Kongresses im Jahre 2016 reiste ich im Jahre 2015 auf den Spuren von Bonpland durch Argentinien: Buenos Aires, wir wohnten in einem Hotel in der Bonpland-Straße im Stadtteil Palermo (Abb. 1) und besuchten das Bonpland-Archiv in der Farmakologie der Universidad de Buenos Aires (Abb. 2).
Abb. 1: Straβe Bonpland im Stadtteil Palermo in Buenos Aires (Foto der Autorin).
Abb. 2: Bonpland-Archiv in der Farmakologie der Universidad de Buenos Aires (Foto der Autorin).
Dann Misiones im Norden Argentiniens, einige Kilometer von Paraguay entfernt: Die Stadt Bonpland, wo wir an einem Sonntagmittag niemanden auf der Straße antrafen und selbst die Polizeistation verlassen offen stand (Abb. 3).
Abb. 3: Der Ort Bonpland in der Provinz Misiones in der Nähe von Posadas an der Grenze von Paraguay gelegen (Foto der Autorin).
Später Paso de los Libres in der Provinz Corrientes, wo wir von Gladis Mango de Rubio (2005), einer Geschichtslehrerin, Autorin mehrerer Artikel und eines Buches über Bonpland, und dem Bürgermeister Tarabini empfangen wurden (Abb. 4), die sich sehr für das Projekt des Pariser Kongresses interessierten. Gladis Mango nahm später mit Javier Persi, einem Vertreter der Stadt, auf dem Humboldt-Bonpland-Kongress in Paris teil.
Abb. 4: Mit Gladis Mango: Empfang beim Bürgermeister Tarabini von Paso de los Libres in der Provinz Corrientes, in dessen Bezirk sich der 2. Ort Bonpland und die ehemalige Estancia von Bonpland befinden (Foto der Autorin).
Der Ort Bonpland (Abb. 5) in der Nähe von Paso de los Libres in der Provinz Corrientes, wo in der öffentlichen Schule die Kinder vom Geschichtslehrer über Bonpland und den Zusammenhang mit dem Namen ihres Wohnortes informiert waren, die aber den Namen Humboldt nicht kannten, wie ich in einer von mir improvisierten Geschichtsstunde vor 12–13-Jährigen feststellte.
Abb. 5: Würdigung Bonplands am Eingang zu dem Ort Bonpland in der Provinz Corrientes (Foto der Autorin).
Auch dort Empfang vom Bürgermeister (Abb. 6) und seiner Frau, die uns zu der verlassenen Estancia von Bonpland (Abb. 7) in einer Entfernung von einer halben Stunde mit Gregoria Bonpland, der Frau eines Nachkommens Bonplands, begleiteten. Dort die zwei Hütten (Abb. 8), die seit der Zeit Bonplands verlassen unter hohen Bäumen stehen und wo Bonpland die letzten Jahre gelebt hat und gestorben ist. Der Blick aus dem Fenster, an dem Bonpland bis zu seinem Tod gesessen haben soll (Abb. 9).
Abb. 6: Der 2. Ort namens Bonpland in der Nähe von Paso de los Libres in der Provinz Corrientes mit dem Bürgermeisterehepaar und Gregoria Bonpland (Foto der Autorin).
Abb. 7: Estancia von Bonpland „Santa Ana“ oder „El Recreo“ (Foto der Autorin).
Abb. 8: Die von Avé-Lallemant beschriebenen Hütten auf der Estancia Bonplands (Foto der Autorin).
Abb. 9: Fenster, an dem, gemäβ Gregoria, Bonpland bis zu seinem Tode gesessen haben soll (Foto der Autorin).
Heute wird eine der Hütten manchmal von Gregoria Bonpland bewohnt, mit einem Wohnbereich mit Fotografien Bonplands und seiner Nachkommen, einem Duschbad neueren Datums, alles in einem verwahrlosten Zustand neben einer der Hütten, die von einem „Verwalter“, einem Gaucho mit seinem Hund bewohnt werden. Ein kleiner Orangengarten mit süβen Früchten. Uns beeindruckte die Einsamkeit des Ortes, weit ab von jeglicher Siedlung und jedem Haus und der Verfall der gesamten Estancia, die, wie uns gesagt wurde, so erhalten wurde wie zu Zeiten Bonplands, in der aber keine wirtschaftliche Tätigkeit zu beobachten war. Keine Tiere auf den weiten umliegenden Steppen und weit und breit kein Leben, auβer einigen Wasserschweinen, Carpinchos, die sich in Wassertümpeln vergnügten.
Im Jahre 2017 besuchten wir im Rahmen des II. Internationalen Kongresses Bonpland – Humboldt mit Teilnehmern dieses Kongresses in einem von der lokalen Kongressorganisation gemieteten Autobus wiederum die Estancia, in der sich nichts verändert hatte.
Für die Veröffentlichung der Akten obigen Kongresses (Arbelo de Mazzaro et al. 2019: 307–321) übersetzte ich für den Anhang die Bonpland zugedachten Seiten in dem erwähnten zweibändigen Werk von dem deutschen Arzt Avé-Lallemant „Reise durch Südbrasilien“ aus dem Jahre 1859, das ein Jahr nach dem Tod von Bonpland veröffentlicht wurde. Er besuchte Bonpland auf Wunsch von Alexander von Humboldt 14 Tage vor seinem Tode. Im inneren Titelblatt des Buches erscheint von Avé-Lallemant eine Skizze (Abb. 10) der damaligen Behausung Bonplands, die im Jahre 1857 den Lebensbereich innerhalb seiner Estancia Sta. Ana ausmachte, so wie wir sie im Jahre 2015 und 2017 sahen und sie auch heute noch zu sehen ist.
Abb. 10: „Aimé Bonpland’s Estancia Santa-Anna in Corrientes am [Fluss] Uruguay“. (Nach einer Skizze des Verfassers [Robert Avé-Lallemant] am 18. April 1858, 16 Tage vor Bonplands Tode.) Titelblatt von Reise durch Süd-Brasilien im Jahre 1858, Von Dr. Robert Avé-Lallemant. Erster Theil. 1859. Leipzig: F. A. Brockhaus.
In den Kongressakten (Arbelo de Mazzaro et al. 2019: 307–321) wurde also im „Anexo“ meine Übersetzung veröffentlicht. Obwohl der Bericht neben dem dreiseitigen Nachruf nur wenige Seiten umfasst, bezeugt die besagte Skizze die Wichtigkeit, die Avé-Lallemant seinem Besuch bei Bonpland zuschreibt, so wie auch der Nachruf auf den letzten Seiten des zweiten Bandes, nachdem er erfahren hatte, dass Bonpland gestorben war. Beim Übersetzen konnte ich die Eindrücke wie oben beschrieben nachvollziehen, die Avé-Lallemant wohl zu Lebzeiten Bonplands gehabt haben muss und fand die Beschreibung des Besuchs bei Bonpland durchaus realistisch, beeindruckend und glaubwürdig: Ein Besuch bei einem alten Mann kurz vor dessen Tod, obwohl Avé-Lallemant das wohl als Arzt nur ahnte, wie er im Nachruf schreibt, auch wenn er dann doch von Bonplands so kurzfristigem Ableben betroffen war. Die Abhandlung beruht auf Tagebuchnotizen, die er auf seiner Reise machte und die später in die Veröffentlichung eingingen, obwohl die Estancia eben nicht in Brasilien liegt, aber doch ganz in der Nähe des Rio Uruguay, der die Grenze zwischen Argentinien und Brasilien ausmacht.
Erstaunlich ist die Beschäftigung Frank Holls mit der Figur Bonplands und seinem Versuch, Bonpland „in das rechte Licht“ (Holl 2020: 208, 209) der wissenschaftlichen Forschung zu stellen, wenn er als bekannter Humboldt-Spezialist Bonpland in seinen zahlreichen Werken als reinen Reisebegleiter und Mitstreiter auf der groβen Amerikareise behandelt. So z.B. in „Alexander von Humboldt in Franken“ (Holl/Lüpertz 2012) und dem Vorwort zu „Der Anfang einer langen Reise Humboldt auf Teneriffa“ (Jaster/Hernández 2010), einem bilingualen Theaterstück, einem Lustspiel, das auf Briefdokumenten basiert, in dem Bonpland jedoch noch nicht einmal unter den zehn Personen dieses Theaterstücks eine eigene Figur bekommt. Obwohl das Theaterstück nicht der Autorschaft von Frank Holl und Ingo Schwarz zuzuschreiben ist, ist es erstaunlich, angesichts der hier diskutierten Behandlung Frank Holls von Bonpland, dass Letzterer in seinen früheren Publikationen wortwörtlich keinerlei Rolle spielt, ebenso wenig wie in dem erwähnten Vorwort von „Der Anfang einer langen Reise“.
Wie fast alle wissenschaftlichen Autoren, die sich mit Bonpland beschäftigt haben, sind diese über Alexander von Humboldt zu Bonpland gelangt, so wie z.B. einer seiner Biographen, Cédric Cerruti (2019, 2020). Im Übrigen kann festgestellt werden, dass die Humboldt-Forschung in Deutschland die Figur Bonplands groβenteils ignoriert und auch in Frankreich auβer in dem Geburtsort Bonplands, La Rochelle, wenig Aufsehen von derselben gemacht wird und Bonpland auch heute in La Malmaison, dem Schlösschen von Joséphine in der Nähe von Paris, im Schatten von Joséphine und Napoléon steht. Die Touristen-Führer in dem Schloss erwähnen ihn kaum oder nur auf Wunsch, da sie vermutlich annehmen, dass Bonpland kein Thema für Touristen ist. Ein guter Kenner der Figur Bonplands ist der jetzige polnische Besitzer, Stefan Czarnecki des nebenan gelegenen Schlösschens, La Petite Malmaison, der sich jedoch nicht wissenschaftlich mit ihm beschäftigt. Die französische Regierung erteilt kaum finanzielle Unterstützung für wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiet, ebenso wenig kann sich die Forschung einer Unterstützung durch die Nachkommen Bonplands erfreuen, so wie es die Humboldt-Forschung durch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung und andere an Humboldt gebundene Institutionen tun. Jedoch wird sein Legat im Jardin des Plantes in Paris in den gut erhaltenen Humboldt-Bonpland-Kollektionen gewürdigt, die von den einschlägigen Wissenschaftlern und Experten professionell klassifiziert und fachmännisch gehegt werden. Diese Wissenschaftler wie Marc Jeanson widerlegen Behauptungen, wie die von dem ehemaligen französischen Botschafter in Asunción (Paraguay) Denis Vène verbreiteten, dass im besagten Museum etliche Kisten mit botanischen Sammlungen von Bonpland unausgepackt seit Jahrhunderten im Keller auf ihre Klassifizierung warten.
Die hier zur Grundlage meiner Ausführungen gemachte Untersuchung Frank Holls beruht auf von ihm sehr geschickt und wissenschaftlich sehr gewissenhaft zusammengestellten Dokumenten, vor allem auf dem Briefwechsel Alexander von Humboldts und Bonplands.
Als zentrales Anliegen wird in dem Abstract und der Einführung des Artikels Frank Holls, „La cooperación inolvidable de Aimé Bonpland y Alexander von Humboldt“ erwähnt und Bonplands Bedeutung bei der groβen Expedition 1799 bis 1804 hervorgehoben, die hier ausdrücklich von Frank Holl „Expedición Bonpland-Humboldt“ (S. 192) genannt wird, und das Unrecht, das ihm angeblich von Avé-Lallemant zugefügt wurde, „ins rechte Licht zu rücken“ (Holl 2020: 208, 209). Avé-Lallemant wird in dem letzteren Teil des Artikels vorgeworfen, er habe Bonplands Ruf durch seine Abhandlung über seinen Besuch bei Bonpland in dem erwähnten Werk und anderen Artikeln über alle Maβen und langfristig geschadet. Der Vorwurf beruht auf der Beschreibung Avé-Lallemants in dem Brasilien-Werk und anderen aus dem Besuch hervorgegangenen Artikeln, die ich aber hier nur am Rande betrachten werde, denn die autorisierte und hauptsächliche veröffentlichte Beschreibung ist eben in dem zweibändigen Brasilien-Werk enthalten und wird auch von den Biographen erwähnt (Bell 2010).
Mir selbst sind beim Lesen und Übersetzen des Artikels von Frank Holl sowohl die wohl erstmals genaue Untersuchung und das mit gewissenhafter wissenschaftlicher Disziplin sehr genaue Zitieren aus dem Briefwechsel zwischen Humboldt und Bonpland aufgefallen, aber auch die groβen Widersprüche, die sich meiner Meinung nach in der von Holl als notwendig empfundenen Würdigung beim Mitwirken von Bonpland an der Amerika-Reise und der von Holl intendierten Richtigstellung der letzten Tage des Lebens Bonplands auftaten.
Zum einen geht Holl in der Würdigung Bonplands so weit, dass er die amerikanische Expedition „Bonpland-Humboldtsche Expedition“ nennt, obwohl sie in die Geschichte als die Expedition von Humboldt eingegangen ist und Holl ausdrücklich den Humboldt-Biographen Hanno Beck zitiert, der folgende drei Komponenten für den Erfolg einer Forschungsreise nennt: Vorbereitung, Durchführung und Auswertung. In dieser Aufzählung hat Bonpland sicherlich einen wichtigen Platz in der Durchführung, aber die Vorbereitung und vor allem die Idee der Reise, die Finanzierung und die Auswertung sind hauptsächlich, wenn nicht ausschlieβlich Humboldt zuzuschreiben und dies wird allgemein von der internationalen Forschung auch so anerkannt.
Im dritten Punkt seines Artikels behandelt Holl die „Relevanz der Botanik“. Hier wird positivistisch die enorme Anzahl der unbekannten Pflanzenarten genannt, an deren Sammlung und Pflege Bonpland sicherlich besonders mit viel Akribie beteiligt war. Dennoch wird Humboldt nach der Veröffentlichung und späteren Manipulation seines Cuba-Werkes durch John S. Thrasher schreiben, dass die Verurteilung der Sklaverei ihm wichtiger war als das Sammeln und Beschreiben der Flora und Fauna in Amerika so wie die Aufstellung und Erarbeitung von geopolitischen Statistiken etc. (Prüfer 2001).
Bei der Kritik an Holls Ausführungen, die wie erwähnt auf dem Briefwechsel Humboldt – Bonpland basiert, erhebt sich im Vorhinein die erste grundsätzliche Frage, in wieweit sich eine objektive oder „korrekte“ Darstellung eines Lebens oder Lebensabschnittes auf Grund eines Briefwechsels erarbeiten lässt. Und zweitens die Frage, ob es nach 150 Jahren notwendig ist, Bonpland ins „rechte Licht zu rücken“ (Holl 2020: 208, 209) und seine Verdienste hervorzuheben, nachdem über seinen Beitrag zur Expedition und der späteren Veröffentlichung der Ergebnisse zahlreiche Abhandlungen neben vielen anderen Würdigungen und wissenschaftlichen Arbeiten über seine botanischen Funde vor allem auch in Argentinien und seine Aktivitäten in der politischen Szene Argentiniens und als Arzt in Südamerika geschrieben wurden und er auch verschiedene Auszeichnungen auf Grund von Initiativen Humboldts noch zu Lebzeiten erhielt.
Zum ersten Punkt, dem Briefwechsel und einer daraus sich ergebenden objektiven Schlussfolgerung über Tatsachen, müssen wir die Art des Briefwechsels und die Beziehung beider Autoren, die Charaktere der Briefschreiber und deren kulturell zeitlich gebundenes Vorgehen in Betracht ziehen.
Es handelt sich bei dem von Holl in Auszügen zitierten Briefwechsel zwischen Bonpland und Humboldt (Hamy 1906, Schneppen 2002, Hossard 2004, Bell 2010) nicht um einen intimen und intensiven Austausch, sondern um Briefe, die mit zeitlich groβen Abständen verschickt wurden, manchmal in monatelangen, manchmal in Intervallen von Jahren, ja Jahrzehnten (im Falle des Zeitraums, den Bonpland in seinem Arrest in Paraguay verbrachte), obwohl ungewiss ist, wieviele Briefe auf der langen Reise verloren gingen. Es geht hier um den Briefwechsel zwischen zwei ehemals zwar eng verbundenen Kollegen auf der groβen Expedition. Jedoch waren beide in späteren Jahren sehr durch Entfernungen und verschiedene Lebensweisen kulturell und geographisch von einander distanziert; zwei Menschen, die sich nach der Abreise Bonplands 1816 von Frankreich nach Argentinien bis zu seinem Tod im Jahre 1858, d.h. in über 40 Jahren nie mehr wiedergesehen haben. D.h. Bonpland und Humboldt waren zwar durch ihre gemeinsamen Erlebnisse in Amerika eng miteinander verbunden, jedoch bestand mehr ein freundschaftlich-höfliches und respektvolles Verhältnis als das einer intimen Freundschaft, das groβe Wahrheiten in einem Briefwechsel zulässt. Auβerdem muss festgestellt werden, dass Frank Holl (2012: 76) als auβerordentlicher Kenner der Korrespondenz Alexander von Humboldts schon zu dem Briefwechsel Humboldts mit Karl Freiesleben und anderen Freunden bemerkt hat: „Schwelgerische Freundschaftsbekundungen waren damals, in der Epoche der Empfindsamkeit nichts Auβergewöhnliches, … eine Mode“. Das Briefeschreiben ist zu jener Zeit und auch heute bis hin zum Verfassen von E-Mails gewissen Modeerscheinungen unterworfen und wir bemühen uns um einen sanften Ton, der den Adressaten nicht gerade vor den Kopf stöβt, zumal wenn es sich um Kollegen handelt und nicht gerade sehr enge Freunde oder Familienangehörige, denen mit mehr Offenheit begegnet wird. Daher scheint der Ansatz Holls ungeeignet, eine Beschreibung eines Besuches in seiner angestrebten Wahrheit durch einen Briefwechsel zu widerlegen.
Im erwähnten Artikel Holls werden die ersten Begegnungen mit Bonpland und ersten Berichte über diesen Menschen und seiner Art der Zusammenarbeit mit ihm aus dem Munde von Humboldt mit Auszügen aus den Briefen desselben übermittelt. Es handelt sich um durchaus positive und respektvolle Berichte bis zum Abschnitt „Evaluación y publicación del viaje americano“ (Holl 2020: 196–199). Holl bemerkt hier das sowohl freundschaftliche, respektvolle und anerkennende Verhalten von Humboldt bei der Nennung der Autorschaft:
La obra total lleva el título „Voyage aux régions equinoxiales du nouveau continent“ y el nombre de los dos autores Alexander von Humboldt y Aimé Bonpland. Que figuren estos dos nombres como autores fue de gran importancia para Alexander von Humboldt. Aimé Bonpland fue por consiguiente también nombrado como autor en tomos en los cuales no había colaborado directamente, como p.ej. en los tomos de la astronomía, en los 5 atlas o en los dos Ensayos políticos sobre la Nueva España y Cuba.
Es sind Feststellungen Holls, die allerdings in der mir vorliegenden Faksimile-Ausgabe bei Librairie de Gide Fils in Paris von 1826 „Essai politique sur l’Île de Cuba par Alexandre de Humboldt“ nicht nachzuvollziehen sind, ebensowenig in der Studienausgabe des Mexico-Werkes, herausgegeben von Hanno Beck im Jahr 1991. Eine andere Behandlung der Autorschaft der verschiedenen Publikationen der „Relation historique …“ und ihrer Übersetzungen tritt auch in der Publikation von Ottmar Ette 1999 zutage. Er gibt in dem Werk zwar das Original-Titelblatt wieder, auf dem Bonpland als Mit-Autor genannt wird, betitelt jedoch das gesamte Werk „Reise in die Äquinoktial-Gegenden des Neuen Kontinents“ unter der Autorschaft von Alexander von Humboldt. Bonpland wird hier als Autor nicht genannt.
Ähnliche Inkongruenzen können durch die gesamten Veröffentlichungen, Wiederveröffentlichungen und Übersetzungen verfolgt werden und es wäre interessant, eine genaue Untersuchung dieser Titel und die Nennung der Autoren unter damaligen gesetzlichen Gesichtspunkten der Urheberschaft vergleichend mit den heutigen Gesetzen zu unternehmen.
Kommen wir nun zu den meiner Meinung nach widersprüchlichen Aussagen im Artikel Frank Holls.
Frank Holl geht bei der Würdigung der Mitarbeit Bonplands in Bezug auf die Reise in die Äquinoktialgegenden von der enormen „relevancia de la botánica“ aus, wobei er jedoch diese Behauptung schon am Anfang des Kapitels mit dem bekannten Zitat Alexander von Humboldts in Frage stellt, in dem dieser „die Erforschung der geographischen Verhältnisse in der Pflanzenwelt“ der „Entdeckung einer unbekanten Gattung“ voranstellt (Humboldt 1991: 12f.). Wir verweisen auch auf die Wichtigkeit, die Humboldt wie erwähnt der Verwerfung der Sklaverei zuteilt. Holl beschreibt auβerdem die aktive Mitarbeit und Verdoppelung der Arbeit und Zusammenarbeit von Humboldt in diesem Forschungssektor. Und die Hauptarbeit bei der Auswertung der Sammlungen für die Publikation und die Pflanzengeographie schreibt auch Frank Holl eindeutig Humboldt zu. Der Blick auf die Gesamtheit der Ergebnisse wird dessen Kontakt mit Goethe zugeschrieben. Frank Holl (2020: 196) resümiert: „En una visión global unía observaciones botánicas, zoológicas, meteorológicas, climatológicas, pero también observaciones en la agricultura con mediciones físicas“, indem er „Empirie und Synthese“ vereint. Die Empirie im Bereich der Botanik ist sicherlich groβenteils Werk von Bonpland, aber die Synthese beruht auf den Ideen und den Ausarbeitungen Humboldts.
Für das schleppende Vorankommen der Publikation der Auswertungen der amerikanischen Reise macht Frank Holl, sowie auch andere Autoren (cf. Díaz Piedrahita 2001) „das langsame Arbeitstempo Bonplands“ verantwortlich. Er zitiert dazu einen der mahnenden Briefe an Bonpland, in dem Humboldt schreibt: „… Te ruego transmitirnos el manuscrito, porque tú sabes que las afirmaciones de que tienes ya todo hecho no contribuyen en nada a adelantar este asunto …“. Er endet den Brief durchaus freundschaftlich: „Espero que muy pronto te veamos aquí, mi querido Bonpland; te abrazo de todo corazón y sabré dentro de un mes si todavía me quieres algo, haciendo lo que yo te pido“ (zitiert nach Holl 2020, S. 198, Fuβnote 16).
Aber Humboldt musste erkennen, dass seine Hoffnungen nicht gerechtfertigt waren und schreibt schlieβlich an Carl Ludwig Willdenow in Berlin ihm zu helfen.
Bonpland se ha volcado en la administración [de Malmaison], tiene un sueldo de 12.000 Livres y promete trabajos científicos que no puede entregar, aún con buena voluntad no podrá entregarlos. Sería inutil de quejarse del tiempo perdido. Hay que buscar mejores medidas para el futuro. Bonpland tiene las mejores disposiciones en cuanto a su corazón le dicta. Tengo excelentes relaciones con él, sin embargo, ni yo ni él mismo tienen influencia en él. (Holl 2020, S. 198)
Diese Bemerkungen gegenüber Willdenow, die Humboldts psychologisches Einfühlungsvermögen bezeugen, scheinen mir sehr aufschlussreich über Bonplands Charakter, seine Arbeitsweise bezüglich der Publikationen und sein wissenschaftliches Arbeiten, aber auch über seine Lebensweise nach der amerikanischen Reise. Wir können nachvollziehen, dass es sich bei Bonpland um einen liebenswerten und hilfsbereiten Menschen handelte, der nicht „Nein“ sagen konnte, auch wenn er nach der Reise mit Alexander von Humboldt in seinem Leben andere Prioritäten gesetzt hatte: Die Verwaltung von La Malmaison, verbunden mit einem monatlichen Einkommen und die Gründung einer Familie, die sicherlich neben seinem wissenschaftlichen Arbeiten und den Vorträgen in der Académie des Sciences einen wichtigen oder vorrangigen Platz einnahmen. Durch diese vielen verschiedenen Beschäftigungen traten bei seinem „langsamen Arbeiten“ die Ausarbeitung der Sammlungen und deren Veröffentlichung in den Hintergrund. Psychologisch gesehen wollte er sich selbst und auch Humboldt gegenüber diese ihm von Humboldt unterstellte „Unfähigkeit“ nicht zugestehen und weder sich selbst noch Humboldt enttäuschen, was Letzterer nach längerem Warten und Bitten um eine schnellere Erledigung der Ausarbeitung bald erkannte und somit die Arbeit zunächst Willdenow und später Kunth übertrug. Der wissenschaftlichen Arbeit ist eine harte Disziplin und ein penibles Vorgehen mit Daten auferlegt, die nicht jedermanns Sache ist. Humboldt war Tag und Nacht um die Sammlung von Daten bemüht und setzte diese dann auch akribisch in Publikationen um. Das war in den Augen Bonplands sicherlich bewunderungswürdig, aber von ihm nicht im selben Maβe nachzuvollziehen, wenn er es auch wünschte. Auf der Reise nach Amerika war er dem Arbeitsrhythmus von Humboldt und dem Zusammenarbeiten praktisch ausgeliefert, es gab auβerdem auch oft nicht allzu viel zu tun. Aber einmal wieder in Paris, ergaben sich für ihn vielerlei andere Aktivitäten, die überhandnahmen.
Die Psychologin Charlotte Bühler untersucht in ihrem Werk „Wenn das Leben gelingen soll. Psychologische Studien über Lebenserwartungen und Lebensergebnisse“ (1969) verschiedene Lebensschicksale, auch besonders unter der Berücksichtigung von den Lebensplänen von Wissenschaftlern. Sie stellt bei der Untersuchung von Patienten fest:
Trotz aller Wandlungen, die sich durch Wachstum, Reifung und Altern sowie durch Erfahrung und Lernen ergeben, bleibt der Mensch sich doch in vieler Hinsicht stets gleich. Diese beachtliche Konstanz in Charakterzügen, Strebungen und Handlungsweisen, im Fühlen und Denken der Individuen hat die Psychologen von jeher beschäftigt (S. 67) […] Lebenspläne können realistisch sein, d.h., den eigenen Potentialitäten angemessen, oder aber unrealistisch […] (S. 90).
Es wird weiterhin der Begriff der Daseinsthematik erläutert, die von H. Thomae (1960) „durch die von ihm gesetzten ‚Ziele‘ und von ihm verwendeten ‚Techniken‘ bestimmt wird“. Weiterhin bemerkt Bühler, dass „der Begriff der Daseinsthematik die Kontinuität gewisser Strebungen voraussetzt. Er gründet sich auf der Beobachtung, dass es vielen Menschen im Leben um etwas Bestimmtes geht […]“. Bühler nennt als Beispiel ungewöhnlich früher Selbstbestimmung den Pianisten Van Cliburn, der schon als Dreijähriger auf Klavierstunden bestand und als Sechsjähriger erklärte, Pianist zu werden.
Wir können auch bei Humboldt einen sehr frühen Grad der Selbstbestimmung und zwar eine sehr spezialisierte, wenn auch naturumfassende Selbstbestimmung feststellen. Er wurde schon in seiner Jugend „der kleine Apotheker“ genannt und hat Zeit seines Lebens seine holistische Weltanschauung und die Einbettung seiner Beobachtungen in vielen Wissenschaftsbereichen zum Daseinsthema gemacht, das in der Veröffentlichung seines Alterswerkes, dem „Kosmos“ kulminierte, wobei er sich bewusst war, dass seine Bestrebungen unvollendet bleiben würden. Die Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen, der gesammelten Daten und der Erfahrung in anderen exotischen Ländern sind ein Teil dieser Daseinsthematik, denn Alexander von Humboldt war kein Wissenschaftler und Forscher, der für die Schubladen seines Schreibtisches arbeitete, sondern ein exzellenter Kommunikator und Networker und ist als Popularisierer der Wissenschaften in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen und hat als solcher Nachfolger gehabt, wie z.B. Emil A. Rossmässler (Prüfer Leske 2009).
Wir werden an Humboldt erinnert, wenn Charlotte Bühler (S. 91) schreibt:
Sehr früh stellen schöpferische Wissenschaftler sich auf ein der Forschung gewidmetes Leben ein. Unter den Lebensläufen von Chemikern, die B. Edison zusammengetragen hat, findet sich eine ganze Reihe von Berichten über eine sehr frühe Beschäftigung mit dem Problem der Naturgesetze.
Der Grad der Vorherrschaft des Lebensthemas kann zu einer Fixierung führen, während Personen mit weniger Fixierung auf ihr Daseinsthema als „normaler“ bezeichnet werden.
Von Bonpland ist nichts Ähnliches bekannt. Ein striktes Daseinsthema ist bei ihm nicht nachzuvollziehen. Er beschränkte sich nicht auf ein einziges Thema. Sein privates und berufliches Leben waren ihm gleichermaβen wichtig, was sich nach seiner Rückkehr von der Amerikanischen Reise herausstellte. Er hat seine vielerlei Aktivitäten als Botaniker, Arzt, Hacienda-Besitzer, Unternehmer auf den Yerba-Mate-Plantagen und Leiter des Museums in Corrientes in den Dienst verschiedener Institutionen und Personen gestellt, so wie Alexander von Humboldt und Joséphine de Bonaparte und später auch in Argentinien in den Dienst verschiedener Provinz-Gouverneure.
Frank Holl (2020: 204) selbst beschreibt Bonpland als alten Menschen 1853 auf Grund seines Briefwechsels wie folgt:
En diciembre de 1853 Bonpland soñaba de cruzar el océano con uno de los nuevos barcos de vapor de los cuales uno incluso llevaba el nombre Humboldt, y también en octubre de 1854, con 81 años, escribió a su amigo, cuánto le gustaría visitar nuevamente París y Berlín […]. Un año más tarde, en septiembre de 1855, se entusiasmaba con las ventajas de la vida en el campo que prefería de lejos a la de las ciudades en aquellas zonas.
Holl charakterisiert Bonpland mit den Verben „träumen“ und „schwärmen“ und beschreibt selbst dessen groβe Schwierigkeiten zu publizieren, aus den verschiedensten Gründen, als da sind, die Entfernung Bonplands von der wissenschaftlichen Tätigkeit Europas und den Bibliotheken in Buenos Aires und Montevideo, die schwierige Kommunikation und das Fehlen von Schreibpapier. Andererseits ist auch bekannt, dass Bonpland sich um viele Dinge bemühte, die einem wissenschaftlichen Arbeiten hinderlich gegenüberstanden: Er gründete mehrere Familien, hatte am Ende seines Lebens eine Frau in São Borja, mehrere Kinder, arbeitete als Arzt, bemühte sich um seine Estancias und Besitztümer, war in politische Querelen verwickelt, mit der Gründung eines Naturmuseums in Corrientes beauftragt und vieles mehr. Auch wenn er damit nicht als strikter Gegensatz zu Humboldt zu bezeichnen ist, der sich auch neben seinen Publikationen vielen Tätigkeiten, z.B. wissenschaftsorganisatorischen, widmete, fehlt bei Bonpland der Versuch der Unterordnung all dieser Tätigkeiten unter eine Idee oder ein Thema.
Was die Publikationen der botanischen Sammlungen betrifft, kann dies als eine „Überschätzung seiner eigenen Potentialitäten“ in den Jahren nach seiner Rückkehr aus Südamerika bezeichnet werden und einer schwärmerischen Hoffnung Alexander von Humboldts Wunsch der Mitarbeit zu entsprechen, die sich auch im Alter äuβert, wenn er von einem Besuch in Europa und einem Wiedersehen mit Humboldt „träumt“ und der Übersendung und Ausarbeitung seiner argentinischen Sammlungen.
Auch wenn bekannt ist, dass Humboldt ebenfalls dazu neigte, Unvollendetes zu hinterlassen und sich mit seinen Publikationen zu übernehmen, ergibt es sich, dass er und Aimé Bonpland grundverschiedene Menschen waren, die zwar exzeptionelle gemeinsame Erlebnisse hatten, aber später sehr verschiedene Wege in weiter Distanz voneinander gingen und Bonpland unglücklicherweise von der Forschung immer wieder mit Humboldt verglichen wurde, was in umgekehrter Richtung nicht der Fall war.
Welches sind nun aber die konkreten Vorwürfe, die Frank Holl Avé-Lallemant macht und mit welchen Beschreibungen und Äuβerungen soll Avé-Lallemant Bonpland durch die Jahrhunderte hindurch geschadet haben?
Dazu ist zunächst grundsätzlich zu bemerken, dass Avé-Lallemant nicht als Biograph Bonplands zu bewerten ist. Frank Holl (2020: 208) nennt ihn als einen der offiziellen Autoren der Humboldt-Biographie von Karl Bruhns (1872) und vergleicht ihn mit Biographen Bonplands, so da sind Hamy (1906), Schneppen (2002), Stephen Bell (2010) und Cédric Cerruti (2012; 2020). Avé-Lallemant beschränkt sich in seiner Darstellung auf einen kurzen persönlichen Bericht von sieben Seiten in seinem zweibändigen insgesamt ca. 1.000 Seiten umfassenden Werk über Südbrasilien, und zwar über seinen Besuch bei Bonpland 14 Tage vor seinem Tod, den er persönlich vorher nicht kannte! Der folgende Nachruf auf seinen Tod im zweiten Band ist auch keinesfalls weder als Biographie noch sind die insgesamt Bonpland zugedachten Seiten wie Holl es nennt, als „Geschichtsschreibung“ zu bezeichnen. Avé-Lallemant wird auch in den neueren Biographien nicht erwähnt, wie z.B. Andrea Wulf (2015) oder Rüdiger Schaper (2018). Es liegt bei Holl eine eindeutige Verwechslung oder Unkenntnis der Textsorten vor, ebenso wie er Avé-Lallemant zu Unrecht „eine tendenziöse, diffamierende Geschichtsschreibung“ unterstellt. Avé-Lallemant war Arzt, bekannt mit Humboldt und hat sich mit seinem zweibändigen Werk „Reise durch Südbrasilien“ 1859 als Reiseschriftsteller hervorgetan. Das zweibändige diesem Artikel zugrunde gelegte Werk ist nur in Deutsch vorhanden und ist eben als das von Avé-Lallemant als offiziell zu bewertende Ergebnis seines Besuchs bei Bonpland 14 Tage vor seinem Tod zu bezeichnen, nicht als Geschichtsschreibung oder Biographie. Eine vollständige Übersetzung ins Spanische dieses Teils des Werkes habe ich wie oben erwähnt im Jahre 2019 als „Anexo“ zu den Kongressakten des II Congreso internacional interdisciplinario Aimé Bonpland – Alexander von Humboldt año 2017, veröffentlicht in Corrientes – Argentinien beigesteuert. Es ist zu bezweifeln, dass diese besagten sieben Seiten von Avé-Lallemant „das Bild der letzten Lebensjahre Bonplands bis heute“ prägen, noch dazu da Frank Holl (2020: 208) auch keine schlüssige Erklärung für diese angeblich „tendenziöse, diffamierende Geschichtsschreibung“ („En cuanto a las razones de esta manera tendenciosa y difamatoria de escribir historia solo se pueden hacer suposiciones“) gibt und Avé-Lallemant selbst diese Zielsetzung einer Geschichtsschreibung seines Werkes nicht erwähnt.
Frank Holl gibt konkret folgende Beispiele des angeblich schädigenden Bildes von Bonpland:
1. Er bemängelt die „Schilderung der angeblich stark heruntergekommenen Estancia Bonplands in Santa Ana, die aus zwei Hütten besteht, von denen eine nur durch stützende Baumstämme am Zusammenfall gehindert werde“. Diese zwei Hütten existieren noch heute. Wir haben sie selbst zweimal besucht, wie oben erwähnt, einmal im Jahre 2015 und zum zweiten Mal im Jahre 2017. Nur eine der Hütten waren zugänglich, und zwar diejenige, die gelegentlich zum Aufenthalt von Gregoria Bonpland, der Witwe eines der Nachkommen von Bonpland auch heute noch dient. Jeder kann die Estancia unter Anwesenheit einer autorisierten Person besuchen und es ergibt sich nicht nur für europäische Besucher der Eindruck des ärmlichen Zustandes, im Vergleich zu sehr intakten und ansehbaren Estancias in der Provinz Buenos Aires, die zwar auch aus vergangenen Jahrhunderten stammen, aber manchmal sogar luxuriöse Residenzen sind, die auch heute dem (Luxus-)Tourismus dienen, wie z.B. Villa María in der Provinz Buenos Aires. Es ist bekannt, dass Humboldt selbst über die Situation Bonplands im Bilde war und ihm zu mehreren Gelegenheiten eine bescheidene finanzielle Unterstützung zukommen lieβ oder zumindest anbot. „Bescheiden“, da Humboldt selbst schon nicht mehr in bester finanzieller Lage war. Holl zitiert diese Briefe in seinem Artikel. Die Estancia Bonplands wird neben ärmlich auch als unsauber beschrieben. Bonpland lebte dort ohne seine viel jüngere letzte Frau, die in São Borja wohnte. Jedoch lebte er in Gesellschaft seiner Kinder. Es ist fraglich, ob diese mit der Sauberkeit der Estancia beauftragt waren. Als Argument und Beweis für die „Lüge“ (Holl 2020: 207) Avé-Lallemants, dass Bonpland sich angeblich in einer höchst ärmlichen Lage befand, erwähnt Holl die Tatsache, dass Bonpland ein „Stadthaus“ in dem Städtchen Restauración, heute Paso de los Libres, besaβ. Jeder Deutsche stellt sich unter einem Stadthaus eine Art Villa, ein zumindest besseres Anwesen in der Stadt vor, so wohl auch Holl. Wir haben Paso de los Libres 2015 und 2017 erlebt, es ist eine kleine Provinzstadt mit kleineren Einfamilienhäusern, wobei beachtet werden muss, dass Corrientes und die Gegend um Paso de los Libres sowie Misiones und die Provinz Chaco zu den ärmsten Gegenden Argentiniens gehören, wo es genau wie in Buenos Aires auch Armutsviertel gibt. Im ersten Jahr übernachteten wir in einem im Internet als 4-Sterne-Hotel angekündigten Hotel, das aber im Vergleich zu europäischen Zuständen einem 1-bis 2-Sterne-Hotel entsprach. Avé-Lallemants Darstellung muss bezüglich der Ärmlichkeit der Behausung Bonplands in seiner Estancia als aus seinen Augen realistisch bezeichnet werden und nicht als negativ, denn Ärmlichkeit ist nicht mit der Verhöhnung einer Person gleichzusetzen. Der Begriff „Armut“ wird in verschiedenen Gegenden des Planeten sehr unterschiedlich ausgelegt und richtet sich nach dem unteren Durchschnittseinkommen der Bevölkerung der jeweiligen Staaten. Avé-Lallemant ist auch nicht um die „Ärmlichkeit“ Bonplands besorgt, sondern er möchte ihm gerne helfen, besser zu leben, indem er ihm raten möchte seine Estancia zu verkaufen und in eine der Städte wie Buenos Aires, Montevideo oder Rio de Janeiro zu ziehen, was Bonpland sicherlich in einem gewissen Altersstarrsinn ablehnte.
2. In dem zweibändigen Werk Avé-Lallemants wird nichts von einer Klage Bonplands über Humboldt berichtet. Holl zitiert jedoch die Stelle nach Bruhns (1872), in der von dem Unrecht gesprochen wird, das Humboldt Bonpland angeblich angetan habe. Holl kanzelt die hier genannte Behauptung als Lüge Avé-Lallemants ab, obwohl der Satz „Auch sonst beklagte er sich, dass man in Europa seine zweite amerikanische Reise nicht genug anerkannt und ebenso wenig die Sammlungen, die er dahin geschickt, nach ihrem Werte gewürdigt hätte.“ von ihm als tatsächlich geäuβert gewürdigt wird. Frank Holl vergisst vermutlich, dass der Besuch bei Bonpland 14 Tage vor seinem Tod stattfand und Bonpland für damalige Zeiten ein sehr hohes Alter hatte: 84 Jahre!
3. Diese Tatsache leitet uns zu dem 3. Punkt, dem geistigen Zustand Bonplands. Wir alle kennen Menschen, die in fortgeschrittenen Jahren eine gewisse Senilität oder beginnende Alters-Demenz an den Tag legen, die sich von Jahr zu Jahr oder von Monat zu Monat, oder auch von Tag zu Tag verstärkt und mit kleinen Gehirnschlägen oder Herzattacken einhergeht. Die Senilität äuβert sich nicht im selben Maβe an manchen Tagen, an anderen Tagen wird sie offensichtlicher, besonders für die Menschen, mit denen der alte Mensch zusammenlebt. So ist der Zustand von Bonpland zu interpretieren, wenn er in Anwesenheit von Avé-Lallemant seinen Namen nicht richtig schreiben kann. Holl setzt dagegen einen durchaus aktiven Bonpland voller Pläne und neuer Ideen und Reisewünschen, so wie sich Letzterer selbst ein Jahr davor in einem Brief an Humboldt darstellt. Ja, es kann durchaus sein, dass Bonpland so aktiv und voller Pläne noch ein Jahr zuvor war, obwohl wir beachten müssen, dass es sich in dem Brief um eine Selbstdarstellung und vielleicht um eine Wunschvorstellung handelte. Wir dürfen nicht vergessen, dass Bonpland 14 Tage nach dem Besuch Avé-Lallemants gestorben ist und Avé-Lallemant Arzt war, der sicherlich über eine gewisse Einschätzung alter Menschen durch seine Berufserfahrung verfügte. Holl verliert sich in Mutmaβungen sowohl über Avé-Lallemants Intentionen als auch über den Zustand von Bonpland, d.h. um eine Überinterpretation.
4. Sehr erstaunlich ist die Verteidigung Bonplands in Bezug auf sein Essbesteck, das ihm anscheinend abhanden gekommen war und Avé-Lallemant dazu zwang, sein Taschenmesser für den angebotenen Asado, das typische argentinische Grillfleischgericht, zu benutzen. Niemand hat je bezweifelt, dass Bonpland mit Messer und Gabel gegessen hat, obwohl auf der Amerikanischen Reise mit Humboldt sicherlich schlimmere Zustände an der Tagesordnung waren. Weshalb eine Heuschreckenplage in der Estancia zur Entwendung des Bestecks beitragen konnte, ist ebenso unverständlich wie sämtliche Argumente, die gegen Avé-Lallemant von Seiten Holls geltend gemacht werden. Und wieso Avé-Lallemant davon Kenntnis haben musste, ist ebensowenig nachzuvollziehen. Die Länder Uruguay und Argentinien leiden oft unter dem Einfall von Heuschrecken aus Brasilien.
Bonpland hatte das Recht darauf, in seiner Estancia am Ende seiner Existenz so zu leben, wie es sein Zustand und seine Mittel erlaubten. Avé-Lallemant machte sich Sorgen um Bonpland und hätte ihm gerne geholfen, wie er schreibt. Aufgrund der Aussagen von Bonpland sind seine Besitzungen in São Borja und Argentinien einiges wert und würden es ihm erlauben, beim Verkauf von Eigentum, ein angenehmeres Leben zu führen. Aber wie wir alle wissen, sind alte Menschen nicht leicht von ihren Lebensgewohnheiten abzubringen und aus ihrer Umgebung zu entfernen.
Bei meinen Besuchen auf der Estancia mit Bonpland-Forschern aus Argentinien und angesichts des verlassenen Zustandes derselben habe ich nie ein abwertendes Wort über Bonpland oder den Zustand der Estancia gehört. Avé-Lallemant wurde dabei nie erwähnt. Aber auch ich hatte ein wehmütiges Empfinden auf Grund der Verlassenheit und Einsamkeit und der wenig einladenden Atmosphäre des Ortes.
Sicherlich hat Avé-Lallemant (1859, S. 367) bei seinem Besuch aus dem Blickwinkel eines Europäers gehandelt, wenn er schreibt: „[…] dass jegliche Geistesblitze nur da ihren vollen Duft und Farbenschmuck hat [sic!], wo sie mit geschickter Hand sinnig in den vollen Glanz europäischer Gesittung hineingeflochten ist [sic!]“. Aber ist ihm das vorzuwerfen?
Wir unterschreiben die Würdigung und die Charakterisierung des Verhältnisses Bonpland – Humboldt in all seinen Einzelheiten im „Fazit“ von dem hier analysierten Artikel von Frank Holl mit zwei Ausnahmen: Zum einen, dem letzten Satz, in dem er darauf plädiert, das „negative Bild zu korrigieren, das Avé-Lallemant in die Welt gesetzt hat“ (Holl 2020: 208f.). Es ergibt sich aus der Beschreibung Avé-Lallemants vom Besuch bei Bonpland und seinem Nachruf in seinem autorisierten Reise-Werk durchaus nicht, dass er Bonpland schaden wollte, vielmehr dass er dem Wunsch Humboldts, ihn zu besuchen unter gewissen Strapazen gefolgt ist: Er ritt allein durch unbekannte Gegenden, die damals u.a. von Wegelagerern und Räubern verunsichert wurden, um Bonpland in seiner Estancia Santa Ana zu treffen. Er beschreibt Bonpland mit Besorgnis und einer gewissen Betroffenheit in dessen letzten Tagen vereinsamt und in gewisser Verwirrung weit entfernt von seiner Heimat und seinem geliebten Europa, so wie er ihn erlebt hat, und nach seinem Tod fügt er einen liebevollen und bewunderungsträchtigen Nachruf in den zweiten Teil des Bandes ein. Es ist unbestritten, dass er sicherlich aus einem Weltbild und einer Europazentrierung heraus berichtet und von seinem kulturellen Hintergrundwissen beeinflusst ist. Aber hat das etwas mit einer vorsätzlichen Schädigung des Rufes von Bonpland zu tun? Dieses Buch und dieses Schriftstück können und konnten Bonpland nicht schaden, allzumal Holl selbst anscheinend vor dem Hintergrund seiner eigenen kulturellen Vorstellungen agiert, wenn er die Darstellung der „ärmlichen Umgebung“ als für einen Forscher wie Bonpland schädigend charakterisiert. Ist nicht auch Humboldt finanziell ruiniert gewesen und musste daher in den Staatsdienst nach Preussen zurück und lebte bis zu seinem Ende in bescheidenen Verhältnissen? Hat diese Tatsache, die oftmals dokumentiert wurde, seinem Ansehen und seinem Ruf geschadet? Sicherlich nicht. Die Aufopferung der persönlichen finanziellen Mittel zu einem wissenschaftlichen Zweck haben seinen Ruhm eher gestärkt.
Avé-Lallemant ist mit seiner Beschreibung der letzten Tage Bonplands nicht auf dieselbe Stufe zu stellen wie Hamy, Schneppen, Bell oder Cerruti, die sich in intensiven und jahrelangen Studien mit seiner Person befasst und ihre Ergebnisse, der Figur Bonplands allein gewidmet, publiziert haben. Avé-Lallemant fällt in die Kategorie der Reiseschriftsteller, der den Moden des 19. Jahrhunderts folgte und mit seiner Publikation ein Bild Südbrasiliens für deutsche Leser geben wollte. Als solcher hat er damals auf keinen Fall ein verlässliches Gesamtbild von Bonpland beansprucht. Es ist daher nicht notwendig, das „negative Bonpland-Bild zu korrigieren, das Robert Avé-Lallemant in die Welt gesetzt hat“ (Holl 2020), wovon ich in meinen Kontakten mit vielen und bedeutenden Bonpland-Forschern nie gehört habe. Es ist auch durchaus nicht negativ, wenn Avé-Lallemant einen alten Menschen 14 Tage vor seinem Tode als hinfällig und etwas verwirrt erlebt und in seinen bescheidenen Lebensverhältnissen beschreibt.
Vielmehr ist eine intensive objektive Befassung mit der Figur Bonplands wünschenswert, die über die stereotype Aussage und Beschäftigung mit dem „Gran Sabio“ und der Untersuchung seiner mannigfachen Beziehungen mit verschiedenen Politikern seiner Epoche hinausgeht, die sich letztendlich recht argentinienzentriert im Kreise dreht. Vielmehr habe ich in Argentinien recht negative Aussagen über Humboldt und seine angebliche Aneignung der Sammlungen Bonplands gehört, wie auch über das Vorgehen von deutschen und französischen Wissenschaftlern, die sich angeblich die Forschungen der Argentinier zu eigen machten oder zu eigen machen wollten. Wünschenswert wäre also, wie Frank Holl auch anfänglich in seinem Artikel bemerkt, eine internationale und interkontinentale Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung des Legats von Bonpland, das natürlich nicht von dem Humboldts zu trennen ist, anstatt der Untersuchungen, die sowohl in vieler Hinsicht vom nationalen Impetus sowohl aus französischer als auch aus argentinischer Sicht an Bonpland herangegangen sind. Artikel wie der von Frank Holl schlagen vielmehr in eine Kerbe, als dass sie zu verbindender wissenschaftlicher Arbeit animieren.
Zu bezweifeln ist auβerdem die in seinem Artikel geäuβerte Auffassung Frank Holls, dass Bonpland auch „weiterhin ein Teil von Humboldts Team – ein Team, das im Grunde aus allen Wissenschaftlern in der Welt bestand …“ gehörte. Der Briefwechsel zwischen beiden bezeugt vielmehr die ausdrückliche Freundschaft, Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft, die Humboldt Bonpland gegenüber empfindet, obwohl Freundschaft die Zugehörigkeit zu einem Team nicht ausschlieβt. Es werden aber keinesfalls wissenschaftliche Probleme mit Bonpland diskutiert, was eine Teamarbeit ausmacht. Die praktische Teamarbeit wurde auf der Reise mit der Kollektion von Material praktiziert. Aber die wissenschaftliche Ausarbeitung und die Zusammenarbeit hatte Humboldt ja schon sozusagen zu Pariser Zeiten mit Bonpland enttäuscht quittiert. Eine fehlende Teamarbeit mit Bonpland geht auβerdem aus Humboldts Behandlung des „Gelben Fiebers“ in Neu-Spanien in seinem berühmten „Mexiko-Werk“ hervor, in der er von der verheerenden Verbindung vom Angriff auf die Gesundheit der Bevölkerung und ihr Vermögen spricht, indem die Epidemie den „Stillstand im Binnenhandel und dem Austausch der Produkte mit dem Ausland“ mit sich bringt (Humboldt 1991: 477ff.). In der Untersuchung werden in den Fuβnoten mehrere Wissenschaftler genannt, mit denen er seine Aussagen kontrastiert, so wie Gookin, Aréjula, Labat etc., aber mit keinem Wort Bonpland (cf. Prüfer Leske 2020).
Was heute Bonpland wirklich schadet, ist die mit löblichen Ausnahmen oberflächliche und absurde Betrachtungsweise seines Lebenslaufes in gewissen pseudowissenschaftlichen Kreisen, vor allem argentinischen, aber auch französischen, die sich über seine angeblich groβe Kinderzahl amüsieren, aus Bonpland eine Facebook-Figur machen und ihre vorgebliche Beschäftigung mit Bonpland zum Anlass nehmen und Stipendien in das beliebte Paris für sich in Anspruch zu nehmen, ohne wirklich etwas zur wisschenschaftlichen Erforschung beizutragen, wobei es dem Legat von Bonpland wirklich gut täte, seine Manuskripte zu digitalisieren, Veröffentlichungen zu erarbeiten, Übersetzungen seiner Schriften zu erstellen, Forschungsstipendien in seinem Namen zu erteilen und seine Ideen und Arbeiten zur aktuellen Forschung in Beziehung zu setzen, wie es mit dem Humboldts gemacht wurde, und vieles mehr. Das oben erwähnte unwissenschaftliche Verhalten von einigen angeblich Bonpland-Interessierten, die aber einfach nur egoistische Reiseziele verfolgen, indem sie dem Wissenschafts-Tourismus frönen, das in mehreren der Kongresse zu beobachten war, schadet Bonpland, indem sie zum Ausdruck bringen, dass über ihn nicht viel mehr als Klatsch und Tratsch oder fake-news zu verbreiten sind. Wenn dazu nun auch noch das Studium des mündlichen Weiterlebens unter der Bevölkerung in Paraguay und Argentinien kommt, in das angebliche Nachkommen von Bonpland einbezogen werden, die noch nicht einmal seinen eigentlichen Namen kennen oder tragen, so zeigt es sich, dass Bonpland einfach zur Legende geworden ist.
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