Kurt-R. Biermann (1919–2002) und Ingo Schwarz
Mit einer Vorbemerkung von Jürgen Trabant
Alexander von Humboldt-Stiftung. Mitteilungen. AvH-Magazin Nr. 69 (1997), S. 39–44.
Neuveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Als Erste haben wahrscheinlich Hartmut Schmidt 1990 und unser französischer Kollege Jean Rousseau 1992 über Alexander von Humboldt und die Sprachen geschrieben. Die Tatsache, dass Alexander in Amerika Grammatiken und Wörterbücher gesammelt hat, über die sein Bruder für den Voyage schreiben sollte, und dass er selbst in der Relation historique die Sprache der Chaymas wissenschaftlich analysiert, hat natürlich die Historiker der Linguistik fasziniert, vor allem solche, die sich mit der Sprachforschung Wilhelm von Humboldts beschäftigen. Und hier sind in der Tat in den letzten Jahren etliche Arbeiten zu Alexander von Humboldt als Sprachwissenschaftler entstanden. „Un autre Humboldt linguiste“ hatte ihn Jean Rousseau in seinem Aufsatz genannt.
Vielleicht war es dieses Interesse der Linguisten, dass auch die Alexander-Forscher sich dem Thema zuwandten. Da diese ja mehrheitlich Naturwissenschaftler waren, hatte sie das Thema zunächst nicht sehr beschäftigt. Das hat sich aber mit dem hier wieder abgedruckten Aufsatz von Biermann/Schwarz von 1997 geändert. Hier stehen nicht Humboldts linguistische Forschungen im Vordergrund, sondern seine sprachliche Praxis. Damit ist Alexander von Humboldts stupende Mehrsprachigkeit zunehmend in den Fokus geraten. Es geht um die Sprachen, die Humboldt spricht, schreibt und sammelt. Von Biermann/Schwarz führt der Weg zu Ottmar Ettes Einsichten in Alexander von Humboldts Schreibpraxis. Das Auffälligste an dieser ist natürlich die deutsch-französische Zweisprachigkeit seiner Schriften. Alexander ist ein ebenso großer Schriftsteller der deutschen wie der französischen Literatur. Dass Alexander sein ganzes Leben lang Sprachen gelernt und Wörter gesammelt hat und dass diese Vielsprachigkeit sein ganzes Werk durchwirkt, ist nun als ein konstitutiver Zug seiner Schreibweise erkannt worden. Alexander von Humboldt wäre der Albtraum aller amerikanischen und englischen Verlage, die in ihrem radikalen Monolinguismus jedes nichtenglische Wort aus den Texten und jede nichtenglische Referenz aus den Bibliographien ihrer Bücher tilgen. Humboldt veranstaltet in seinen Texten dagegen wahre Sprach- und Wort-Orgien, und er zitiert – wahrhaft kosmopolitisch – aus sämtlichen Wissenschaftssprachen, die ihm begegnen. Daher sind zu den bei Biermann/Schwarz aufgeführten Sprachen noch einige hinzuzufügen. Eine, die vielleicht besondere Erwähnung verdient, ist das Quechua, das Alexander in Peru natürlich sofort lernt und spricht, es ist 1802 in Quito nämlich die Sprache des eleganten gesellschaftlichen Verkehrs und der Liebe.
Der Mitautor Ingo Schwarz hat den Text für diese Neuveröffentlichung durchgesehen, an die aktuelle Rechtschreibung angepasst und Editionen von Briefen und Dokumenten, die nach 1997 erschienen sind, in den Fußnoten vermerkt.
Von Kurt-R. Biermann (1919–2002) und Ingo Schwarz
In dem vorliegenden Aufsatz soll ein Überblick über die Sprachkenntnisse des Naturforschers und Forschungsreisenden Alexander von Humboldt gegeben werden. Diese Zielsetzung macht erklärlich, warum seine literarhistorischen Exkurse im Kosmos, seine Verehrung der Leistungen seines Bruders Wilhelm als Sprachphilosoph, seine Verdienste um die Veröffentlichung von dessen Œuvre auf dem Gebiet der vergleichenden Sprachkunde, seine Korrespondenz mit Philologen ebenso unberücksichtigt bleiben wie die Stärken und Schwächen des ihm eigenen Stils.
Als sich der noch nicht zwanzigjährige Alexander von Humboldt im April 1789 zur Fortsetzung seiner Studien von Berlin nach Göttingen begab, lernte er in Helmstedt auf der Durchreise den polyglotten Physiker und Mediziner, Sammler von Kuriositäten und Kunstwerken Professor Gottfried Christoph Beireis kennen. „Er spricht alle europäischen Sprachen, Aegyptisch, Chinesisch, Japanisch und die Sprachen einiger Völker am Ganges. Er hat mir aus einem japanischen Buche gleich deutsch vorgelesen“, berichtete Humboldt einem Freund, und fügte hinzu, Beireis verbände „die tiefsten Kenntnisse der Chemie und Numismatik mit der Charlatanerie des ärgsten Taschenspielers.“1 Humboldt konnte damals nicht ahnen, dass man ihm selbst einst das schmückende Beiwort polyglott zulegen werde, und zwar ohne den fatalen Beigeschmack, den dieses Epitheton bei Beireis hat.
Wenn man als Muttersprache eines Autors diejenige bezeichnet, in die er beim Schreiben und Reden nicht übersetzt, sondern in der er denkt, muss man Humboldt zwei Muttersprachen zuerkennen, Deutsch und Französisch. Viele seiner Werke und Briefe sind französisch gedacht. In der Unterhaltung war er der einzige, urteilte der Meteorologe Heinrich Wilhelm Dove, „der mir eine Ahnung davon gegeben, dass causer auch im Deutschen möglich sei.“2 Das nimmt nicht wunder, da er insgesamt in seinem Leben fast ein Vierteljahrhundert in Frankreich zugebracht hat und mit dem französischen Geistesleben in Wissenschaft, Kunst und Politik innigst vertraut war. Dies fand seinen Ausdruck darin, dass er in der Académie des sciences, in der elitären Société d’Arcueil, in der Pariser Société de Géographie und in weiteren Gesellschaften und Museen als französischer Schriftsteller angenommen wurde und dass er die Briefe von englischen und spanischen Muttersprachlern in französischer Sprache beantwortete. So sind beispielsweise die von Humboldt an Thomas Jefferson und an amerikanische Diplomaten in Paris und Berlin gerichteten Briefe französisch geschrieben.
Auch mit einigen deutschen Briefpartnern, etwa seinem Bruder Wilhelm, dem Physiologen Emil du Bois-Reymond, dem Mathematiker Peter Gustav Lejeune Dirichlet und dem Publizisten Samuel Heinrich Spiker korrespondierte Humboldt oft französisch. Bei solcher Bevorzugung dieser Sprache spielte natürlich eine Rolle, dass sie in der Wissenschaft und im diplomatischen Protokoll etwa die Bedeutung hatte, die heute das Englische besitzt.
Humboldts Biograph Alfred Dove meinte, dass in den Ansichten der Natur an vielen Stellen „durch alle Pracht der vollen Harmonie des deutschen Ausdrucks, verdeckt aber vernehmbar wie ein Cantus firmus, französische Denk- und Sprechweise hindurchtönt.“3 Andererseits bezeugen urteilsfähige Franzosen seinen Briefen: „En effet, jamais esprit ne fut plus français, plus mêlé de sentiments généreux, exquis et de fine satire.“4 Sein Verleger Casimir Gide zollte der Eloquenz der Einführung in die Werkausgabe seines engsten, 1853 verstorbenen Freundes François Arago das Lob: „Cette langue française, vous avez toujours le droit de l’appeler la vôtre, aucun écrivain de notre pays ne pourrait rendre en plus beaux termes les sentiments qu’avait su vous inspirer le savant et l’ami.“5
Ein interessantes Zeugnis für Humboldts Mehrsprachigkeit verdanken wir dem Maler, Humboldt-Porträtisten und Freund der Wissenschaften Charles Willson Peale, der ihn 1804 auf der Fahrt von Philadelphia nach Washington, D.C. begleitete und bei Präsident Thomas Jefferson einführte. Peale notierte in seinem Tagebuch: „The Baron spoke English very well, in the German dialect. Here I shall take notice that he possessed surprising fluency of Speach [sic], & it was amusing to hear him speak English, French, and Spanish Languages, mixing them together in rapid Speach.“6
Der amerikanische Schatzminister und spätere Freund Humboldts Albert Gallatin gab am 6. Juni 1804 ein Urteil ab, das ganz in die gleiche Richtung zielte: „He speaks […] twice as fast as anybody I know, German, French, Spanish, and English, all together.“7
Auch wenn er Englisch und Spanisch ausgezeichnet beherrschte, standen ihm doch nicht die letzten Feinheiten des Ausdrucks in einem solchen Grade zu Gebote wie im Französischen und im Deutschen. So erklärt es sich, dass englische Briefe aus seiner Feder nicht überliefert sind und spanische nur in wenigen Ausnahmefällen bekannt wurden. Auch wenn ihm ein amerikanischer Besucher bescheinigte, daß er Englisch „with great animation, fluency and rapidity“8 sprach, und ihn ein anderer Gast dahingehend zitierte, er sei „fortwährend an das Englische gewöhnt“,9 so verfügte er eben in dieser Sprache doch nicht über jene „prodigieuse facilité pour exprimer ses idées“10.
Wirklich zu Hause fühlte er sich nur im Deutschen und im Französischen. Dies war ihm durchaus bewusst, gestand er doch 1850 einem amerikanischen Diplomaten in Berlin, den er um die Übersetzung eines Briefes ins Englische bat: „je ne hazarde jamais (je le dis à ma honte) d’écrire dans une langue que je parle déjà assez mal.“11
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Humboldt noch im Alter von 72 Jahren anlässlich einer Reise nach Großbritannien im Gefolge König Friedrich Wilhelms IV. seine Kenntnisse des Englischen aufzufrischen suchte und den befreundeten Berliner Bankier Alexander Mendelssohn um die Vermittlung eines Sprachlehrers bat: „Ich habe noch 17. Tage vor mir und, da ich einst (weniger durch den oftmaligen, immer sehr kurzen Aufenthalt in England, als durch den urweltlichen in Hamburg und Nord Amerika) englisch fast wie spanisch sprach, so wünsche ich alle Tage 1 Stunde englisch zu lesen und zu sprechen.“12
Das Spanische hatten sich Humboldt und sein Reisebegleiter Aimé Bonpland auf der Reise nach La Coruña und in Lateinamerika rasch angeeignet. Schon wenige Monate nach ihrer Ankunft auf dem Neuen Kontinent konnte Humboldt berichten: „Nous parlons déjà si coulement [sic!] l’Espagnol que nous n’avons aucune difficulté de suivre une Conversation de quelques heures.“13 Achtzehn Jahre nach der Rückkehr aus Amerika schien Humboldts Interesse an dieser Sprache indes etwas verblasst zu sein, denn von einer Italienreise schrieb er im September 1822 an seinen Bruder Wilhelm, dass es mit dem Spanischen vorbei sei, dass er es gleichsam geopfert habe, um nunmehr fließend italienisch sprechen zu lernen.14 Wie er diese Sprache gemeistert hat, wissen wir nicht genau. Jedenfalls liebte er es, persönliche Briefe gelegentlich mit italienischen Zitaten zu schmücken, wobei er – nicht immer treffsicher – auf die Ähnlichkeit des Italienischen und Spanischen baute.15
Das Spanische hat Humboldt aber niemals ganz vergessen, denn noch rund 45 Jahre nach seiner Reise durch Lateinamerika war er in der Lage, in dieser Sprache zu konversieren. Der spanisch sprechende Schauspieler Louis Schneider, der häufig als Vorleser König Friedrich Wilhelms IV. fungierte, berichtete: „Es schien ihm [Humboldt] eine ganz absonderliche Freude zu machen, sich in einer allen Nahestehenden [am Hofe] unverständlichen Sprache über Personen der Gesellschaft, den wachthabenden Offizier, die Kammerherren und selbst höher stehende Persönlichkeiten [im Gespräch mit Schneider] lustig zu machen.“16
Er habe sich „zum Spanier gemacht“, schrieb Humboldt 1812, sich an seine große amerikanische Forschungsreise 1799 bis 1804 erinnernd. In gleichen Atemzug versicherte er, er werde sich ebenso „zum Russen machen“,17 sofern sein Plan einer Reise nach Russland und Sibirien verwirklicht werden könne. Als Humboldt 1829 sein Vorhaben realisieren und in das russische Zentralasien reisen konnte, brauchte freilich vom Russischlernen des nunmehr Sechzigjährigen nicht mehr die Rede zu sein: Ein Dolmetscher stand ihm jederzeit zur Verfügung, überdies verstanden und sprachen seine Verhandlungspartner – höhere Beamte und Offiziere, Gelehrte, Grundbesitzer, Techniker und Kaufleute – ohnehin Französisch und (oder) Deutsch. Aber immerhin notierte sich Humboldt das kyrillische Alphabet (siehe Abb. 1) und legte ein Glossar mit russischen Redewendungen und Vokabeln an, von denen er meinte, sie gebrauchen zu können, wie etwa „wohin geht der Weg“, „schlechtes Wetter“, „schöne Aussicht“ oder „geben Sie Postpferde“.18 Wer ihm russischen Sprachunterricht erteilt hat, wissen wir nicht. Aus grammatischen Fehlern im Glossar können wir allerdings schließen, dass dies kein Muttersprachler war.
Wenn wir also die Sprachen aufzählen, die Humboldt fließend sprach und verstand, und die Reihenfolge als einen Gradmesser der Beherrschung benutzen, so müssen wir an erster Stelle ebenbürtig Deutsch und Französisch, gefolgt von Spanisch und Englisch nennen.
Während seiner Göttinger Studienzeit 1789 bis 1790 lernte Humboldt, wohl durch den Umgang mit dem Arzt und Botaniker Steven Jan van Geuns, Niederländisch, so dass er sich in der Lage fühlte, eine botanische Schrift seines Freundes zu exzerpieren und zu rezensieren.19 Dänische und schwedische Sprachkenntnisse erwarb er während seines Besuchs der Hamburger Handelsakademie 1790 bis 1791. Hierdurch eröffnete sich ihm das Verständnis der niederdeutschen Sprache – des Plattdeutschen. Als ihm Klaus Groth, einer der Begründer der niederdeutschen Lyrik, die 4. Auflage seines „Quickborn. Volksleben in plattdeutschen Gedichten Dithmarscher Mundart“ zugesandt hatte, dankte Humboldt am 17. Dezember 1855 mit den folgenden Worten: „Ich genieße, was ich verstehe, da ich als Jüngling in Hamburg auf der Handelsakademie bei Büsch und in Wandsbek im Hause von [Matthias] Claudius Dänisch und Schwedisch mühsam gelernt habe.“20
Abb. 1: Das kyrillische Alphabet
Humboldts Handschrift: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. Handschriftenabteilung, Signatur: Nachl. Alexander von Humboldt, gr. Kasten 1, Mappe 8, Nr. 37, https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN789852128, [letzter Zugriff am 8.6.2021].
Von dem durch Hauslehrer in Tegel erhaltenen Unterricht in Fremdsprachen sind Latein und, etwas später, Griechisch hervorzuheben, damals selbstverständliche Bestandteile einer humanistischen Bildung, wie sie die Brüder Humboldt erhalten haben. Besonders die Kenntnis der (alt-)griechischen Sprache und Kultur hat er weiter vertieft, 1788/89 in Berlin durch einen Privatlehrer und noch als Fünfundsechzigjähriger durch regelmäßigen Besuch der Vorlesungen des berühmten Altphilologen August Böckh an der Berliner Universität. Völlig unprätentiös nahm der weltberühmte Mann während mehrerer Semester ab Herbst 1833 unter Kommilitonen Platz, die seine Enkel hätten sein können. Einen Eindruck, wie tief er in die Sprache und den Geist des klassischen Altertums eingedrungen ist, vermittelt ein Blick in das Register seines Kosmos (Bd. 5, 1862, für die Griechen S. 511–514, für die Römer S. 944–947).
Unter Altertum verstand Humboldt nicht etwa nur die hellenische und römische Geisteswelt: Auch die älteren Dichtungen der Hebräer und Inder etwa bezog er in seine Betrachtungen ein. Als er in jungen Jahren Zugang zu jüdischen Salons der Berliner Aufklärung gefunden hatte, unterrichtete ihn und seinen Bruder Wilhelm zuerst Henriette Herz im Gebrauch hebräischer Kurrentschrift,21 deren sie sich dann auch in Briefen „trefflich“22 bedienten – wohl weniger aus Gründen der Geheimhaltung vor ihrem Erzieher, als vielmehr aus jugendlicher Freude am Exotischen.23
Als Humboldt sich systematisch auf die oben bereits erwähnte asiatische Expedition vorbereitete, war er in Paris „mehrere Jahre lang eifrig unter Silvestre de Sacy und Andréa de Nerciat mit Erlernung der persischen Sprache (als der leichteren unter denen des Orients)“24 befasst. Die durch die politischen Umstände, etwa den Krieg zwischen Frankreich und Russland 1812, veranlasste mehrfache Modifizierung seiner Reiseroute in Asien führte freilich dazu, dass er 1829 weder Persien noch Indien oder Tibet berührte. Indessen kamen ihm die persischen und (bei de Sacy) auch arabischen Sprachstudien bei seinen ausgedehnten historisch-geographischen Arbeiten25 sehr zugute. Am Rande sei erwähnt, dass er sich in Paris im Kreis weiterer berühmter Orientalisten Einblick noch in andere asiatische Idiome verschafft hat,26 wobei ihm jedoch die chinesische Sprache „ganz fremd“27 geblieben ist. Auch vom Sanskrit, so urteilte Humboldt, habe er nur durch das Persische „einige Idee […], wie ein Engländer, der sich erkühnt, vom Deutschen zu urteilen, wenn er das germanische Element aus seiner Mischsprache zu trennen weiß.“28
Wenn Alexander von Humboldt zwei Sprachen (Deutsch und Französisch) in allen Feinheiten, auch denen des poetischen Ausdrucks, beherrscht hat, wenn er zwei weitere Sprachen (Englisch und Spanisch) fließend sprach, gründliche Studien des Persischen über nahezu 10 Jahre getrieben, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Italienisch und Arabisch gelernt hat, in den „toten Sprachen“ Griechisch und Latein sehr gute Kenntnisse besaß, Hebräisch schreiben konnte, Zugang zum Plattdeutschen hatte und Einsicht in andere Idiome29 gewonnen hat (vgl. dazu Abb. 2), dann darf ihm wohl das Beiwort polyglott zugelegt werden mit einer Berechtigung, die kaum ein anderer Naturforscher für sich in Anspruch nehmen kann.
En effet, jamais esprit …
Tatsächlich war ein Geist noch nie französischer, nie mehr mit großzügigen und erlesenen Gefühlen vermischt und von feiner Satire.
Cette langue française …
Sie haben immer das Recht, diese französische Sprache die Ihrige zu nennen, denn kein Schriftsteller unseres Landes könnte in schöneren Worten die Gefühle ausdrücken, die der Gelehrte und Freund in Ihnen zu wecken gewusst hat.
The Baron spoke English very well …
Der Baron sprach sehr gut Englisch, in deutscher Mundart. Hier muss ich bemerken, dass er über einen überraschenden Redefluss verfügt, und es war vergnüglich, ihn Englisch, Französisch und Spanisch sprechen zu hören, indem er sie im schnellen Sprechen mischte.
He speaks […] twice as fast …
Er spricht […] doppelt so schnell wie irgendjemand, den ich kenne, Deutsch, Französisch, Spanisch und Englisch, alles zusammen.
with great animation …
mit großer Lebendigkeit, Geläufigkeit und Schnelligkeit
vivacity, freshness, and enthusiasm
Lebhaftigkeit, Frische und Begeisterung
prodigieuse facilité pour exprimer ses idées
[die] erstaunliche Leichtigkeit, seine Gedanken auszudrücken
je ne hazarde jamais …
ich wage es niemals (dies muss ich zu meiner Schande gestehen), in einer Sprache zu schreiben, die ich schon schlecht genug spreche
Nous parlons déjà …
Wir sprechen das Spanische schon so fließend, dass wir keinerlei Schwierigkeit haben, einem Gespräch von einigen Stunden zu folgen.
Abb. 2: Wortverzeichnis der Sprache der Pareni. In: Humboldts amerikanisches Reisetagebuch III, Bl. 43v.
Handschrift: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Nachl. Alexander von Humboldt, Tagebücher, https://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN77988132X&PHYSID=PHYS_0206&DMDID=DMDLOG_0001, [letzter Zugriff am 8.6.2021].
Transkription: Alexander von Humboldt. Reise durch Venezuela. Auswahl aus den amerikanischen Reisetagebüchern. Hrsg. v. Margot Faak. Berlin 2000, S. 348–349.
Siehe dazu auch: Alexander von Humboldt: Reise in die Äquinoktial-Gegenden des Neuen Kontinents. Hrsg. v. Ottmar Ette. Bd. 2. Frankfurt am Main/Leipzig 1991, S. 967–970.
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Kritische Untersuchungen über die historische Entwickelung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt und die Fortschritte der nautischen Astronomie in dem 15ten und 16ten Jahrhundert. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Ottmar Ette. Frankfurt am Main und Leipzig 2009.
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1 A. v. Humboldt an Wilhelm Gabriel Wegener, nach 28.4., vor 3.5.1789. In: Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts 1787–1799. Hrsg. v. Ilse Jahn und Fritz G. Lange. Berlin 1973, S. 53–54.
2 Alexander von Humboldt. Eine wissenschaftliche Biographie. Hrsg. v. Karl Bruhns. Bd. 2. Leipzig 1872, S. 462.
3 Ebd., S. 384.
4 Ebd., S. 383. Dort zitiert nach: De La Roquette, [Jean-Bernard-Marie-Alexandre Dezos]: Œuvres d’Alexandre de Humboldt. Correspondance inédite scientifique et littéraire. 2e partie. Paris 1869, S. II.
5 Ebd., S. 385.
6 Herman R. Friis: „Alexander von Humboldts Besuch in den Vereinigten Staaten. Vom 20. Mai bis zum 30. Juni 1804“. In: Alexander von Humboldt. Studien zu seiner universalen Geisteshaltung. Hrsg. v. Joachim H. Schulze. Berlin 1959, S. 142–195, Zit. S. 167.
7 Albert Gallatin an seine Frau Hannah, 6.6.1804. In: Gespräche Alexander von Humboldts. Hrsg. v. Hanno Beck. Berlin 1959, S. 28.
8 Edward J. Young über A. v. Humboldt, Weihnachten 1854. In: Gespräche 1959, S. 358. An der gleichen Stelle werden Humboldts „vivacity, freshness, and enthusiasm“ hervorgehoben.
9 A. v. Humboldt zu Bayard Taylor, 25.11.1856. In: Gespräche 1959, S. 379.
10 Bruhns 1872, Bd. 2, S. 384.
11 A. v. Humboldt an Theodore Sedgwick Fay, Potsdam, 2.7.[1850]. In: Alexander von Humboldt und die Vereinigten Staaten von Amerika. Briefwechsel. Hrsg. v. Ingo Schwarz. Berlin 2004, S. 273.
12 A. v. Humboldt an Alexander Mendelssohn, 28.12.1841. In: Alexander von Humboldt – Familie Mendelssohn. Briefwechsel. Hrsg. v. Sebastian Panwitz und Ingo Schwarz unter Mitarbeit von Eberhard Knobloch. Berlin 2011, S. 117.
13 A. v. Humboldt an Philipp Baron von Forell, 3.2.1800. In: Alexander von Humboldt. Briefe aus Amerika 1799–1804. Hrsg. v. Ulrike Moheit. Berlin 1993, S. 85–90, Zit. S. 86.
14 Vgl. Briefe Alexander von Humboldts an seinen Bruder Wilhelm. Hrsg. v. d. Familie v. Humboldt in Ottmachau. Berlin [1923], S. 120–121.
15 Vgl. A. v. Humboldt an H. Ch. Schumacher, 1.2.1847. In: Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt und Heinrich Christian Schumacher. Hrsg. v. Kurt-R. Biermann. Berlin 1979, S. 120–121. Siehe auch: Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt und Emil du Bois-Reymond. Hrsg. v. Ingo Schwarz und Klaus Wenig. Berlin 1997, S. 149.
16 Gespräche 1959, S. 247–248.
17 A. v. Humboldt an Alexander von Rennenkampff, 7.1.1812. Zitiert nach: „Alexander von Humboldts Forschungsprogramm von 1812 und dessen Stellung in Humboldts indischen und sibirischen Reiseplänen“. In: Kurt-R. Biermann: Miscellanea Humboldtiana. Berlin 1990, S. 73–84, insbes. S. 80. Auch in: Alexander von Humboldt. Briefe aus Russland 1829. Hrsg. v. Eberhard Knobloch, Ingo Schwarz und Christian Suckow. Berlin 2009, S. 58–59 und S. 63.
18 Ingo Schwarz und Werner Sundermann: „Alexander von Humboldts persische und russische Wortsammlungen“. In: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Berichte und Abhandlungen. Bd. 6. Berlin 1999, S. 219–328, [das russische Glossar S. 285–293]. Siehe auch: Peter Hahlbrock: Alexander von Humboldt und seine Welt. Ausstellung des Ibero-Amerikanisches Instituts Preußischer Kulturbesitz. Katalog. Berlin 1969, S. 92–93.
19 A. v. Humboldt an Paul Usteri, 28.11.1789. In: Jugendbriefe 1973, S. 74–77, insbes. S. 75.
20 „Humboldt und Mecklenburg“. In: Miscellanea Humboldtiana 1990, S. 50–55, insbes. S. 53.
21 A. v. Humboldt an David Friedländer, 19.12.1787. In: Jugendbriefe 1973, S. 6–7.
22 Alexander von Humboldt. Eine wissenschaftliche Biographie. Hrsg. v. Karl Bruhns. Bd. 1. Leipzig 1872, S. 49.
23 Peter Honigmann: „Alexander von Humboldts Verhältnis zu Juden“. In: Bulletin des Leo Baeck Instituts 76 (1987), S. 2–34, insbes. S. 23.
24 Alexander von Humboldt. Aus meinem Leben. Zusammengest. u. erläutert v. Kurt-R. Biermann. 2. Aufl. München 1989, S. 114. Vgl. dazu „Humboldts persische und russische Wortsammlungen“ 1999; die persische Wortsammlung wurde von dem verdienstvollen Iranisten Werner Sundermann bearbeitet und kommentiert; siehe auch: Werner Sundermann: „Alexander von Humboldt und das Persische“ (mit einer Einführung von Christiane Reck). In: HiN – Alexander von Humboldt im Netz. Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien, 19(36), https://doi.org/10.18443/268, S. 105–109, [letzter Zugriff am 8.6.2021].
25 Genannt seien hier nur Humboldts Kritische Untersuchungen über die historische Entwickelung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt und die Fortschritte der nautischen Astronomie in dem 15ten und 16ten Jahrhundert. Aus dem Französ. übers. von Julius Ludwig Ideler. Bd. 1–3. Berlin 1836/1852. Neue Ausgabe: Alexander von Humboldt. Kritische Untersuchung … Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Ottmar Ette. Frankfurt am Main und Leipzig 2009.
26 Hanno Beck: Alexander von Humboldt. Bd. 2. Wiesbaden 1961, S. 50–51.
27 A. v. Humboldt an Karl Frh. vom Stein zum Altenstein, 3.1.1832. In: Alexander von Humboldt. Briefe an das preußische Kultusministerium 1818–1859. Hrsg. v. Kurt-R. Biermann. Berlin 1985, S. 59.
28 A. v. Humboldt an Hermann Brockhaus, 7.2.1841. Die Handschrift befand sich 1965 im Besitz von Dr. Hans Otto Findeisen, Mönchengladbach.
29 Der Schweizer Staatsmann Philipp Albert Stapfer schrieb am 14.10.1804 aus Paris an seinen Landsmann Paul Usteri über Humboldt: „Er hat über dreihundert Sprachen, die von einander eben so sehr, als die englische vom deutschen, abweichen sollen, Bemerkungen gesammelt und glaubt berechtigt zu sein, die Anzahl der amerikanischen Sprachen von drei bis auf viertausend zu schätzen. Ueber die mexikanischen Hieroglyphen und Alterthümer, über den Ursprung (hindostanisch, wie er glaubt) und die Geschichte der Peruaner getraut er sich viel Licht zu verbreiten. Allein ich sehe, dass mehrere hiesige Gelehrte in die Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieser Angaben und Resultate kein völliges Zutrauen setzen.“ In: Gespräche 1959, S. 29–30.