David Blankenstein, Peter Korneffel
In der kubanischen Hauptstadt Havanna eröffnet am 19. Dezember 2019 eine Dauerausstellung zu Alexander von Humboldt. Die Casa Museo Humboldt an einem historischen Ort der Altstadt wird damit zum weltweit ersten Alexander von Humboldt-Museum. In kubanischer-deutscher Kooperation erarbeitet, zeigt die Ausstellung Humboldt auf zwei Ebenen: im Kontext seiner Naturerforschung und dem seiner Begegnungen auf der fünfjährigen Amerikareise. Die Ausstellung richtet sich an kubanische wie internationale Besucher. Sie wirft einen hintergründigen und aktuellen Blick auf Humboldt in Amerika und versteht sich als Partner und Forum für Wissenschaft, Bildung und Kultur in Kuba.
A permanent exhibition on Alexander von Humboldt will be inaugurated in the Cuban capital Havana on 19 December 2019. The Casa Museo Humboldt in Havana’s historic center will be the world’s first museum dedicated to Alexander von Humboldt. Developed in Cuban-German cooperation, the exhibition follows two main perspectives on Humboldt: the context of his research about nature and that of his human encounters during his five-year trip to America. The exhibition is focused both on a Cuban and an international public. It takes a profound and up-to-date look at Humboldt in America and aims to be partner and forum for science, education and culture in Cuba.
Una exposición permanente sobre Alexander von Humboldt se inaugurará en la capital cubana, La Habana, el 19 de diciembre de 2019. La Casa Museo Humboldt, situada en un lugar histórico del casco antiguo, se convertirá así en el primer museo Humboldt del mundo. Desarrollada en cooperación cubano-alemana, la exposición muestra a Humboldt en dos niveles: en el contexto de su investigación sobre la naturaleza y en el de sus encuentros durante su viaje de cinco años a América. La exposición está dirigida a visitantes cubanos e internacionales. Ofrece una visión profunda y actual de Humboldt en América y se ve a sí mismo como un socio y un foro para la ciencia, la educación y la cultura en Cuba.
Im Sommer 2017 erfuhr die deutsch-kubanische Kulturzusammenarbeit einen maßgeblichen Impuls aus Havanna. Die Oficina del Historiador de la Ciudad de La Habana (OHC) unter Leitung des international renommierten Stadthistorikers Eusebio Leal Spengler ersuchte das Auswärtige Amt in Berlin um eine enge Kooperation zur Entwicklung einer „Dauerausstellung Alexander von Humboldt“ in der Altstadt Havannas. Dem vorausgegangen war die Kooperation der Akademien der Wissenschaften in Havanna und Berlin, welche beide Seiten auf dem Alexander-von-Humboldt-Tag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am 14. September 2016 zur Erforschung der in Havanna liegenden Handschriften Humboldts vereinbart hatten.
Noch im Dezember 2017 reisten die designierten Kuratoren gemeinsam mit Wissenschaftlern des Akademienvorhabens Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung zu Konsultationen nach Kuba, unter anderem mit dessen Leiter Prof. Dr. Ottmar Ette und dem Arbeitsstellenleiter Dr. Tobias Kraft. Die deutsche Delegation wurde geleitet von Heidrun Tempel, der stellvertretenden Vorsitzenden und Beauftragten für Außenwissenschafts-, Bildungs- und Forschungspolitik sowie Auswärtige Kulturpolitik. Auf dieser Reise wurden die maßgeblichen Kontakte zu den künftigen Ausstellungspartnern geknüpft, mit ihnen Grundidee, Raumangebot und Zeitplan ausgiebig erörtert. Die vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland geförderte Dauerausstellung entsteht als Teil des Themenjahres „Humboldt y las Americas“, in dessen Rahmen von Deutschland aus geförderte Projekte zu Alexander von Humboldts 250. Geburtsjahr in Lateinamerika gebündelt werden.
Der Stadthistoriker hat der Dauerausstellung und damit dem weltweit ersten Alexander von Humboldt-Museum ein koloniales Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung gestellt. Es liegt in der als UNESCO-Weltkulturerbe geschützten Altstadt Havannas zwischen Hafen und Plaza Vieja in der Calle Oficios 254. Dieses Haus hatte bereits 1997/98 die Sonderausstellung „Alejandro de Humboldt en Cuba“ des Kurators Frank Holl beherbergt. Das Gebäude führt seither den Namen Casa Humboldt beziehungsweise Casa Museo Humboldt. Es musste jedoch aufgrund statischer Baumängel für eine aufwändige Restaurierung über mehrere Jahre geschlossen werden und konnte erst im März 2019 wieder für das Publikum zugänglich gemacht werden. Auf Wunsch der kubanischen Partner erfolgte am 2. März 2019 eine „kleine“ Wiedereröffnung des Hauses durch den deutschen Botschafter in Havanna und die OHC mit der philatelistischen Ausstellung „Humboldt enviado“ von Peter Korneffel. Damit kann das Haus über fast das gesamte Humboldtjahr 2019 bespielt werden, während die Dauerausstellung erst am 19. Dezember 2019, dem Jahrestag von Humboldts erster Ankunft in Havanna, eröffnen wird.
Die Casa Humboldt wird ein Ort für kubanische und internationale Besucher, der an Alexander von Humboldts Aufenthalte in Havanna erinnert und ihn als Teil eines kubanischen und internationalen kulturellen Erbes ausweist. Humboldts Reise durch die spanischen Kolonien Amerikas in den Jahren 1799–1804 und ihre publizistische Auswertung sind für die Wahrnehmung des lateinamerikanischen Raums in Europa wie auch für die Länder Lateinamerikas selbst von großer historischer Bedeutung. Daher fokussiert die Ausstellung auf die Reise und die in der Folge entstandenen Werke. Von diesen Elementen ausgehend, werden Themenkontexte aus dem Leben und der wissenschaftlichen Arbeit Alexander von Humboldts gezeigt.
Humboldts Grundanliegen, dass die von ihm schon in ihren globalen Beziehungen gedachte und beschriebene Menschheit in Dialog und prinzipieller Chancengleichheit zueinanderstehen müsse, reflektieren philosophische Errungenschaften und moralische Fragen der Aufklärungszeit. Ebenso zeugen sie von einem außergewöhnlichen Verständnis sich wandelnder wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Zusammenhänge. So haben Reise und Reisewerk Alexander von Humboldts, letztlich auch die Forschungsmethoden, die Aufnahme und Entwicklung neuer Wissensformen und die Vermittlung des Wissens über die Welt, bei Humboldt immer auch eine politische Dimension. In diesem Zusammenhang oft genannte Beispiele sind seine klare Benennung von Zerstörung der Natur durch den Menschen und seine Position gegen Sklaverei, Menschenhandel und Ausbeutung.
Aus der Architektur der Casa Humboldt heraus wurde ein Raumkonzept entwickelt, das den Ausstellungsflächen im Erdgeschoss und denen im Obergeschoss jeweils Grundthemen zuweist. Die untere Ebene ist dem Kontext der Natur zugeordnet und die obere dem des Menschen. Im Erdgeschoss wird zunächst Alexander von Humboldts Kosmos-Begriff vorgestellt, um seine holistische wissenschaftliche Perspektive zu erklären. Darüber hinaus werden mit einem Raum zu Humboldts „Naturgemälde der Anden“, dem Innenhof, der mit lebendigen Pflanzen begrünt ist, die schon Humboldt beschrieben hatte und einem Bereich, der heutige Perspektiven auf Naturzusammenhänge und menschliche Einwirkung auf die Natur thematisiert, Bezüge geschaffen, die zwischen historischer Forschung, konkreten Dingen und unserer Zeit vermitteln.
Alexander von Humboldts ikonisch gewordene Behandlung der Pflanzengeografie in der Form eines Tableaus ist weit mehr als ein stilisierter Vulkan mit Vegetationszonen. Die beiderseits der Bildfläche tabellarisch angeordneten Informationen sind thematisch und disziplinär äußerst vielschichtig und bilden ab, wie Wissenschaft technisch, methodologisch und philosophisch in der Zeit um 1800 behandelt werden konnte. Diese Tabellen, die selten genauer betrachtet werden, in Objekten, Bildern und Erläuterungen sichtbar zu machen, soll helfen, die vielen Ebenen des Tableaus zu entschlüsseln und Humboldts Arbeitsweise und seinen Blick auf Naturzusammenhänge zu entdecken. In der Ausstellung werden die einzelnen Spalten zu einem dreidimensionalen Gefüge: Das „Naturgemälde“ wird räumlich und zeigt in Objekten, schematischen Repliken von Instrumenten, Grafiken und Erläuterungen die Bedeutung und Funktionsweise der Spalten, stellt ihre Zusammenhänge vor und bringt sie in einen Kontext mit der Reise Alexander von Humboldts und der Wissenschaftsgeschichte der Zeit um 1800. Das buchstäbliche Eintreten der Besucher in das „Naturgemälde“ korrespondiert nicht zuletzt mit Alexander von Humboldts Einbeziehung des Menschen in das Ganze der Natur.
Der Ausstellungsteil zu Alexander von Humboldt im Kontext seiner Reisebegegnungen wird eröffnet mit dem außergewöhnlichen Reisedokument, das der spanische König dem Preußen 1799 ausstellen ließ. Humboldts verblüffender Reisepass gleicht einem Freibrief zur weltweiten Erforschung der spanischen Kolonien. Die Ausstellung von Havanna zeigt nicht nur ein Faksimile des Dokuments, sondern hebt Humboldts spätere Notiz auf dem eigenen Pass hervor, mit der Humboldt alle seine Arbeiten in Amerika als rechtens unterstreicht. Ein Glücksfall für alle Beteiligten war eine Einladung ins Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen eines deutsch-kubanischen Workshops Anfang 2019 in Berlin. Denn seither kennen wir eine achte Seite des Reisepasses, ein Dokument, das die kubanischen Behörden Alexander von Humboldt 1804 zur Ausreise aus Havanna mit Ziel USA ausstellten.
Mehr als seine zwei Aufenthalte in Kuba im Rahmen seiner Amerikareise um den Jahreswechsel 1801/02 und im Jahr 1804 hat Alexander von Humboldts Essai politique sur l’île de Cuba von 1826 das historische Verhältnis zwischen der ehemaligen spanischen Kolonie und dem Gelehrten beeinflusst. Daher wird Alexander von Humboldts landeskundliche und soziologische Auseinandersetzung mit Kuba in der Ausstellung im Vordergrund stehen. Sie zeigt das Buch selbst in seiner 1827 erschienenen spanischen Übersetzung – es wird dort dem im gleichen Jahr erlassenen Dekret gegenübergestellt, das seine Zirkulation in Kuba verbot, da es sich in deutlichen Worten gegen die Sklaverei aussprach, die Grundlage der wirtschaftlich bestimmenden Zuckerproduktion. In mehreren Abschnitten wird sich der ebenfalls Humboldts Begegnungen thematisierende Raum seiner Perspektive auf die Bevölkerung Kubas widmen, seine Methoden vorstellen und seine geographische, historische und moralische Auseinandersetzung mit Kuba. Flankiert wird der Blick in die Geschichte von Humboldt und Kuba von Statements aus unserer Zeit, von Intellektuellen, Wissenschaftlern und prominenten Kubanern über Humboldt.
Die Amerika-Sektion führt in drei amerikanische Reise- und Begegnungsräume Humboldts: in die Tropenwälder, in die Anden und in die Städte mit ihren kulturellen Schätzen. Die Orinoco-Passage Humboldts spielt dabei eine zentrale Rolle in den Tropenwäldern. Humboldt und sein Begleiter Aimé Bonpland saßen dort mit Indigenen, den besten Naturführern, die sie sich vorstellen konnten, buchstäblich in einem Boot. Dieses frühe und prägende Zusammenleben und -lernen mit den Ureinwohnern des Regenwaldes beeinflusste Humboldt in seinen Ansichten von Natur und Mensch in gleichem Maße. In den Anden vertiefte Humboldt diese immer komplexere und dennoch immer klarere Sicht auf Amerika. Erneut waren es nicht in erster Linie Naturmotive, die Humboldt bewegten, sondern Begegnungen mit Menschen, hier mit Trägern und Helfern, dort mit Gouverneuren und Gelehrten, dazwischen Humboldt selbst im Spannungsfeld von Fortschritt und Ausbeutung.
Für die Ausstellung ist von Anbeginn die Oficina del Historiador de la Ciudad de La Habana der wichtigste Kooperationspartner. Die OHC und in ihr der Direktor des Hauses, Isaac Mengana, sind als Initiatoren des Projekts in Konzeption und Ausrichtung maßgeblich auf kubanischer Seite, denn sie sind schließlich die Träger der Ausstellung. Mit ihnen besteht enger Austausch in allen Projektphasen.
Das binationale Forschungsprojekt ‚Centro Humboldt‘, das sich parallel und in Abstimmung mit der Dauerausstellung Ende 2019 in Kuba installiert, ist nicht nur ein Wegbereiter des Projekts. Dessen Vorhaben der Sicherung, Digitalisierung, Erforschung und Publikation historischer Handschriften und Dokumente wird einen Sitz in der Casa Museo Humboldt haben, als ein neues Zentrum kubanisch-deutscher Wissenschaftskooperation. Dieses neue Projekt eines digitalen Humboldt-Labors in Havanna wird zugleich zu einem integralen Bestandteil der Ausstellung, indem die Ausstellung ein „Fenster zur Wissenschaft“ öffnen und die Arbeit der Forscher künftig sichtbar machen wird. Hiervon versprechen sich beide Seiten Synergien und gesteigerte Aufmerksamkeit.
Casa Humboldt in der Calle Oficios, Ecke Calle Muralla, La Habana Vieja. © Peter Korneffel, 2018
Unter den zahlreichen Partnern bei der Entwicklung der Ausstellung kommt den Botanischen Gärten in Berlin und Havanna eine zentrale Bedeutung zu, da sie Humboldt als ein zentrales, binationales Thema der Botanik identifiziert haben und heute die Casa Museo Humboldt beraten. Darüber hinaus dient ihre langjährige enge Zusammenarbeit als Vorbild für das kubanisch-deutsche Ausstellungsprojekt. Das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdienst sind wichtige deutsche Partner in einem begleitenden Veranstaltungsprogramm.
Zum Ende des Themenjahrs „Humboldt y las Americas“ wird die Dauerausstellung in der Casa Humboldt eröffnet und damit erstmals in Havanna, in Kuba und weltweit eine dauerhafte Anlaufstelle für die an Alexander von Humboldt interessierte Öffentlichkeit. Durch die Bezüge zum wissenschaftlichen Kooperationsprojekt ‚Centro Humboldt‘ und zum Goethe Institut in Havanna, das über 2019 hinaus Veranstaltungen in der Casa Humboldt plant, wird die Ausstellung in einem dynamischen Kontext stehen, der die permanente Installation thematisch erweitert, mit aktuellen Themen in Beziehung setzen kann und um Perspektiven der laufenden Forschung bereichern kann. Mittel- und langfristig können weitere Kooperationen und Vernetzungen des Museums ins Auge gefasst werden, sowohl mit kubanischen Institutionen wie dem Parque Nacional Alejandro de Humboldt als auch international mit bestehenden oder entstehenden Humboldt-Institutionen in Lateinamerika, etwa in der Form von Wechselausstellungen.