Günter Hoppe
mit einer Einführung von Carmen Götz und Ingo Schwarz: Günter Hoppe zum 100. Geburtstag am 17. Juni 2019
Fundgrube. Populärwissenschaftliche Zeitschrift für Geologie, Mineralogie, Paläontologie, Speläologie. XX. Jahrgang, 1984, H. 4, S. 98–101.
Günter Hoppe hat sich als Mineraloge, als Wissenschaftshistoriker und als Direktor des Museums für Naturkunde in Berlin (1977–1981) – ab 1968 hatte er dort den Bereich Mineralogie geleitet – auch mit Alexander von Humboldt (1769–1859) und dessen wissenschaftlichen Weggefährten ausgiebig beschäftigt. Diese wissenschaftliche Tätigkeit und museale Arbeit wurde sichtbar in zahlreichen Publikationen sowie in der Organisation von Tagungen und Ausstellungen. Erwähnenswert sind etwa die Tagungen zu dem Begründer der Meteoritenkunde Ernst Florens Friedrich Chladni (1756–1827) und zu dem Physiker und Mineralogen Christian Samuel Weiss (1780–1856) sowie eine Ausstellung zur Russisch-Sibirischen Reise Humboldts mit Gustav Rose 1829. Teil der ständigen Sammlung im Mineraliensaal sind bis heute drei Vitrinen, die dem Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743–1817), dem Kristallographen Weiss und dem Mineralogen Rose (1798–1873) gewidmet sind. Wissenschaftliche Publikationen widmete Hoppe darüber hinaus etwa dem Geologen Leopold von Buch (1774–1853), Studienkollege Humboldts an der Bergakademie in Freiberg, sowie dem Mineralogen Dietrich Ludwig Gustav Karsten (1768–1810). Karstens Katalog des „Museum Leskeanum“ (1789), den Humboldt als Karstens „Mineralsystem“ liest, war neben dem Lehrbuch Abraham Gottlob Werners „Von den äußeren Kennzeichen der Foßilien“ (1774) Grundlage für die autodidaktische Einarbeitung des 19jährigen Humboldts in die Mineralogie gewesen.
Dass es sich bei Hoppes wissenschaftlichem Werk keineswegs um ein selbst schon vergangenes und vergessenes handelt, dies bezeugt gerade das gegenwärtige Jahr. Denn in dem am 17. Juni 2019 der Öffentlichkeit präsentierten, vorzüglichen und wunderschönen Katalog Alexander von Humboldt. Minerale und Gesteine im Museum für Naturkunde Berlin, findet sich in der Literaturliste, die den Band beschließt, eine ganze Reihe von Publikationen Hoppes. Mehr noch: Fragt man die Humboldt-Forscherin Cettina Rapisarda nach Humboldts Wechsel vom Neptunismus zum Vulkanismus, so verweist sie zuerst auf den 1994 in dem Sammelband Studia Fribergensia erschienenen maßgeblichen Beitrag Hoppes über Die Entwicklung der Ansichten Alexander von Humboldts über den Vulkanismus und die Meteorite. In diesem zeigt Hoppe, dass Humboldt während der gesamten Amerikareise Anhänger der neptunistischen Theorie Werners geblieben ist und belegt dies mit zahlreichen Passagen aus dem Tagebuch (auch nicht edierten), aus denen hervorgeht, dass Humboldts Erläuterungen für die in Amerika beobachteten Phänomene im Rahmen der neptunistischen Theorie verbleiben. In diesem Beitrag wird auch deutlich, was Hans-Joachim Bautsch und Hans-Peter Schultze in ihrer Würdigung zu Hoppes 85. Geburtstag herausgestellt haben: „Alle Beiträge Hoppes zeugen von dem Bestreben, die Ereignisse so wahrheitsgetreu wie möglich aufgrund erschließbarer Dokumente darzulegen.“1 Und die Autoren unterstreichen etwas Weiteres, das hier – auch aus Ermangelung einer eigenen persönlichen Begegnung – zitiert werden soll:
„Günter Hoppe war und ist beliebt und geschätzt wegen seiner menschlichen Wärme, die ihm auch in führenden Positionen unter politisch ungünstigen Umständen nicht abhanden kam. Sich selbst betreffend zeigt er eine Bescheidenheit, die fast bis zur Selbstverleugnung geht. Von unauffälliger Großzügigkeit gegenüber anderen scheut er vor jeder Herausstellung seiner Person zurück. Es ist dies ein seltener Charakterzug von Personen einer so großartigen Lebensleistung.“
Zur Erinnerung an diese Lebensleistung und als Geburtstagsgabe wird hier Hoppes Beitrag über „Alexander von Humboldts Einstellung zum Sammeln“, der 1984 an heute schwer zu findender Stelle erschien, erneut veröffentlicht. Das Thema des Beitrags verbindet zugleich wesentliche Seiten von Hoppes Berufsleben: den Mineralogen und den Museumsdirektor sowie den verdienten Alexander-von-Humboldt-Forscher.
Der Text erscheint – bis auf die behutsame Anpassung an die neue Rechtschreibung – weitgehend unverändert. Lediglich die Originalzitate wurden mit den handschriftlichen Quellen verglichen und der neueren Editionspraxis angepasst. Lebensdaten wurden ergänzt sowie einige Datierungen auf der Grundlage neuerer Forschung präzisiert.
Carmen Götz & Ingo Schwarz
[Rezension zu:] Ilse Jahn, und Fritz G. Lange (Hrsg.): Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts. 1787–1799. Berlin: Akademie-Verlag 1973. In: Deutsche Literaturzeitung 95 (1974), H. 12, Sp. 841–843.
(Mit Gert Wappler:) Mineralogische Forschungsergebnisse Gustav Roses von der Rußlandreise mit Alexander von Humboldt (1829). In: Zeitschrift für geologische Wissenschaften, Jg. 4 (1976), H. 2. S. 337–344.
(Mit Gert Wappler:) Eine mineralogische Exkursion zum Ural und Altai vor 150 Jahren. In: Fundgrube 12 (1976), S. 52–58.
(Mit Manfred Barthel:) Der Beitrag Alexander von Humboldts zur Entwicklung der geowissenschaftlichen Sammlungen der Berliner Universität. In: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften der DDR. Abteilung Mathematik, Naturwissenschaften, Technik. Jg. 1985, Nr. 2 N. S. 92–97. (Auch in: Alexander-von-Humboldt-Ehrung in der DDR. Festakt und Wiss. Konferenz aus Anlaß des 125. Todestages Alexander von Humboldts, 3. und 4. Mai 1984 in Berlin. Bearbeitet von Dr. Heinz Heikenroth und Dr. Inga Deters. Berlin 1986, S. 99–105).
Alexander von Humboldt und die Berliner Mineralogie. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe 38 (1989), S. 308–318.
(Mit Jürgen Siemroth und Ferdinand Damaschun:) Alexander von Humboldt und die Entdeckung des Vanadiums. In: Chemie der Erde 50 (1990), S. 81–94.
Gedenkstein für Gustav Rose (1798–1873). In: Fundgrube 26 (1990), S. 160–161.
Die Entwicklung der Ansichten Alexander von Humboldts über den Vulkanismus und die Meteorite. In: Studia Fribergensia. Vorträge des Alexander-von-Humboldt-Kolloquiums in Freiberg vom 8. bis 10. November 1991 aus Anlaß des 200. Jahrestages von A. v. Humboldts Studienbeginn an der Bergakademie Freiberg. Redaktion: Ulrike Leitner, Regina Mikosch, Ingo Schwarz, Christian Suckow. Berlin 1994 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 18), S. 93–106.
„Die Konstruktion des Erdballs“. Alexander von Humboldt und die Geologie. In: Alexander von Humboldt. Netzwerke des Wissens. [Katalog zur gleichnamigen Ausstellung 6. 6.–15. 8. 1999 Berlin, Haus der Kulturen der Welt; 15. 9. 1999–9. 1. 2000 Bonn, Kunst und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Kuratoren Frank Holl, Kai Reschke]. Bonn 1999, S. 93.
(Mit Christian Suckow:) Gustav Rose, Alexander von Humboldt und die Berliner Mineralogie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Alexander von Humboldt in Berlin. Sein Einfluß auf die Entwicklung der Wissenschaften. Beiträge zu einem Symposium. Berlin 26. bis 28. April 2002. Hrsg. von Jürgen Hamel, Eberhard Knobloch und Herbert Pieper. München 2003 (Algorismus. Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften hrsg. von Menso Folkerts, H. 41), S. 223–236.
Gustav Rose, der Reisebegleiter Alexander von Humboldt 1829. In: Alexander von Humboldt und Russland. Eine Spurensuche. Hrsg. von Kerstin Aranda, Andreas Förster und Christian Suckow. Berlin und Boston 2014 (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 31), S. 91–107.
Günter Hoppe
Der Todestag des großen Naturforschers Alexander von Humboldt (1769–1859) jährte sich am 6. Mai 1984 zum 125. Male. Dies war vielerorts Veranlassung, seiner immensen Wirksamkeit für die Entwicklung der Naturwissenschaften zu gedenken.
Außer durch seine berühmten Forschungsreisen nach Amerika und Russland ist A. v. Humboldt vor allem durch sein Bemühen bekannt, den Stand der Naturwissenschaften in großer Breite zu überblicken, darzustellen und zu popularisieren. Seine Kosmos-Vorlesungen in der Berliner Universität und vor einem breiteren Publikum sowie sein fünfbändiges Werk „Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ (1845–1862) sind Beweise dafür. Was ihn dabei noch besonders charakterisiert, ist sein gewissenhaftes Bestreben gewesen, die großen Zusammenhänge durch sorgfältiges Zurückgehen bis auf die einzelnen Teilergebnisse der Forschung abzusichern.
Auf dem Gebiet der mineralogisch-geologischen Wissenschaften äußert sich dies auch in seinem Verständnis für den Wert der Objekte, an denen die einzelnen Erkenntnisse gewonnen werden. Dabei war sein Verhältnis zum Sammeln und zu Sammlungen durchaus kein Zufallsprodukt und auch keine Modeerscheinung. Bemerkenswerterweise war Humboldt gar nicht daran gelegen, eine private Sammlung nur für den Eigengebrauch aufzubauen. Ihn interessierte vielmehr die Nutzung der Objekte für die Allgemeinheit.
Diese Haltung entwickelte sich bereits im Laufe seines Studiums 1791/92 an der Bergakademie Freiberg, bei dem er, wie alle Schüler dieser berühmten Ausbildungsstätte, zum Anlegen einer eigenen Sammlung angehalten wurde. Von dort schrieb er am 26. November 1791 an den Berliner Mineralogen und Bergbeamten Dietrich Ludwig Gustav Karsten (1768–1810): „Ich sammle immerfort Pflanzen und Fossilien [damals verstand man unter „Fossilien“ Minerale, Gesteine und Versteinerungen], und wenn ich heute etwas Seltenes habe und morgen seh’ ich, daß es einem Dritten mehr Freude macht, so geb’ ich es weg. So komm’ ich freilich nie zu einer Sammlung.“
Bald darauf kam er dann auf die Idee, wie er seine Sammlungen sinnvoller verwenden kann, und teilte seinem engen Freund und Studienkollegen Johann Carl Freiesleben (1774–1846) am 20. April 1792 mit, dass er seine Sammlung böhmischer Gesteine, beschriftet nach einer Publikation Freieslebens, dem Königlich Preußischen Mineralienkabinett in Berlin übergeben wolle, da es ihm ein „angenehmer Gedanke“ wäre, „uns beiden so in diesem öffentlichen Orte ein Andenken zu stiften“. Zur Bekräftigung brachte er später (5. Juni 1792) noch vor, „das Kön[igliche] Kabinett steht wirklich jedermann offen“. Es handelt sich um die Unterrichtssammlung der 1770 gegründeten Berliner Bergakademie, die 1810 als „Mineralogisches Museum“ der Berliner Universität bei deren Gründung übergeben wurde.
Nach seinem Studium trat A. v. Humboldt in preußische Dienste und wurde praktischer Bergbeamter in den fränkischen Fürstentümern Bayreuth und Ansbach, die 1791 zu Preußen gekommen waren. Von den Gruben sandte er mehrfach selbstgesammeltes Material nach Berlin, wie es seine Briefe an D. L. G. Karsten, den Lehrer an der Berliner Bergakademie und „Aufseher“ des Mineralienkabinetts, in den Jahren 1793 bis 1796 ganz detailliert angeben. In Karsten hatte Humboldt einen Mineralogen gefunden, der eine gleichartige Einstellung zum Sammeln hatte, wie er. Bei der Einsetzung als Leiter des Berliner Mineralienkabinetts im Jahre 1789 hatte Karsten seine private Sammlung in das Kabinett gegeben und widmete seitdem seine sehr aktive und erfolgreiche Beschaffungstätigkeit ausschließlich dieser Einrichtung. Es war eine Einstellung, die keineswegs selbstverständlich und allgemein üblich gewesen ist.
Das bedeutendste, von A. v. Humboldt selbst gesammelte Material stammt von seiner großen, von 1799 bis 1804 dauernden Amerikareise. Hören wir, was er dazu bei der Übersendung der Sammlung nach Berlin am 10. März 1805 von Paris aus an Karsten geschrieben hat:
„Was ich von Mineralien besessen, habe ich Ihnen bestimmt. Das Einpakken hat mir viel Zeit gekostet, aber ich hoffe Sie sollen mit dem Ganzen nicht unzufrieden sein. […] Sie, der Sie wissen, wie schwierig u[nd] kostspielig Landtransporte im Innern der Cordilleren sind, Sie der Sie wissen, wie viel der Krieg von meinen Kisten vereinzelt hat, daß ich meinem edeln Reisebegleiter Bonpland die Hälfte aller meiner Sammlungen überlassen, daß ich manche Kiste ununterbrochen 2 Jahre hinter mir hergeschleppt habe – u[nd] daß ich fünf Jahre lang gerühmt aber nie unterstüzt worden bin, Sie, der Sie wissen daß wir 60,000 specimina von Pflanzen (6300 neue species) mitgebracht und wie schwierig man zugleich beobachten, zeichnen und sammeln kann, wie man oft mismuthig um sich zu erleichtern wegwirft, was man Monathe lang mühsam mit sich genommen, Sie, mein Theurer, werden sich nicht wundern, daß ich so wenig Ihnen schikke. Aber ist diese geognostische Sammlung klein an Zahl der Stükke, so glaube ich ist sie um so wichtiger für die Fortschritt unserer Wissenschaft.“
So klein, wie Humboldt seine Sammlung hinstellt und sie gegenüber der sehr umfangreichen botanischen Sammlung auch erscheint, war sie aber doch nicht. Immerhin umfasste sie, einschließlich einiger ethnographischer und anderer Stücke, sieben große Kisten. Humboldt blieb seinem Grundsatz treu und behielt kein einziges Stück für sich selbst. Man muss bei diesem Geschenk an das Berliner Mineralienkabinett berücksichtigen, dass er die lange währende Reise mit dem Botaniker Aimé Bonpland (1773–1858) ganz auf eigene Kosten ausgeführt hat. Seine finanzielle Lage war aber weit begrenzter, als es nach dieser Handlungsweise erscheint.
Die Sammlung besteht aus Mineralstufen, Lagerstättenbelegstücken, Gesteinen und auch einigen Versteinerungen. Zahlreiche Untersuchungen wurden an dem Material ausgeführt, vor allem von dem Berliner Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743–1817), auch in weit späterer Zeit. Auch heute stellt die Sammlung höchst wertvolles Beleg- und Vergleichsmaterial dar und gehört zu den bedeutendsten Beständen des Museums für Naturkunde der Humboldt-Universität Berlin.2
Alexander von Humboldt hat sich bei der Beschriftung der einzelnen Stücke große Mühe gegeben und, wie er schrieb, „die Etiketten so interessant wie möglich gemacht“. Das Titelbild dieses Heftes3 stellt eines dieser Sammlungsstücke dar. Das Originaletikett von der Hand Humboldts lautet:
„Mexique. Filons de Calcedoine et d’Hyalite (Verre de Muller) dans le Pechstein porphyre de la Montagne de la Guadeloupe près du Mexique à 1240 t.“ – Übersetzt: „Mexiko. Lagen von Chalcedon und Hyalit (Müllersches Glas) im Pechsteinporphyr des Berges Guadelupe bei der Stadt Mexiko in 1240 Toisen Höhe.“ (1 t = 1,949 m)
Mit dem Zusatz „Verre de Muller“ erinnert A. v. Humboldt übrigens daran, dass die Opalvarietät Hyalit, die von einem Dr. Müller4 in einem basaltartigen Gestein bei Frankfurt am Main entdeckt und als Glas angesehen worden war, ursprünglich als ein (vermeintliches) Beweisstück für vulkanische Schmelzung gegolten hatte.
Auf der zweiten großen Forschungsreise A. v. Humboldts, die ihn und zwei Begleiter im Jahre 1829 zum Ural, Altai und Kaspischen Meer führte, wurde eine weitaus umfangreichere Mineralsammlung als von der amerikanischen Reise eingebracht. Infolge der großzügigen Förderung und Unterstützung durch die russische Regierung, auf deren Einladung hin die Reise stattfand, waren die Bedingungen in jeder Hinsicht außerordentlich günstig, auch für das Zusammentragen von Sammlungsmaterial. Die Untersuchungsergebnisse, die der mineralogische Begleiter, der Berliner Gustav Rose (1798–1873), während der Reise und in mehrjähriger intensiver Arbeit erreichen konnte, waren sehr umfangreich und bedeutend. Das Sammlungsmaterial gelangte, wie A. v. Humboldt schrieb, „ohne alle Ausnahme, ohne daß einer meiner Gefährten auch nur ein Andenken an die durchwanderten Länder zurückbehalten hätte“, in das Berliner Mineralogische Museum. Näheres über die Russlandreise und die mitgebrachte Sammlung siehe Fundgrube 12 (1976), S. 52–58.
Neben den großen Unternehmungen, die bedeutende Sammlungen erbrachten, sorgte A. v. Humboldt auch sonst ständig für das Berliner Mineralogische Museum, indem er alle geowissenschaftlichen Objekte, die ihm recht häufig verehrt wurden, regelmäßig dem Museum übergab. Der Charakter und Wert der Geschenke waren allerdings sehr unterschiedlich. Vieles davon war wissenschaftlich höchst wertvoll, wie z. B. etliche Proben verschiedener Meteorite, ja sogar das volle Exemplar des 1843 gefallenen Steinmeteoriten von Kleinwenden bei Nordhausen. Andererseits befand sich darunter auch das mehr als Kuriosität zu betrachtende vergoldete Gipsmodell des damals größten, 36 kg schweren Goldnuggets aus dem Ural. Es ist jetzt ein von den Ausstellungsbesuchern des Berliner Museums für Naturkunde oft bestauntes Objekt. A. v. Humboldt hatte es von dem russischen Finanzminister Georg Graf von Cancrin (1774–1845), dem er die Reise nach Russland verdankte, im Jahre 1843 zugeschickt bekommen. Dass Humboldt selbst ein solches Objekt zu würdigen wusste, geht aus dem von ihm geschriebenen Benachrichtigungszettel an Christian Samuel Weiss (1780–1856) hervor:
„Ich erhalte in diesem Augenblik den vergoldeten Gypsabguss des 80 Pfund schweren Goldklumpens von Miask zum Geschenk wahrscheinlich von Cancrin. Ich wünsche das Curiosum das wohl erhalten angekommen ist (nur eine Kleinigkeit ist abgesprungen) der Kön[iglichen] Sammlung zu verehren. Darf ich Sie, theurester College, gehorsamst bitten, weil ich fürchte die Masse könnte in meiner engen Wohnung leiden, noch heute morgen eine sichere Person hieher zu schicken (da es regenen kann mit einem Tuche) um den Gypsabguss abzuholen. Ich bin zu Hause bis 3 Uhr. / Mit alter Anhänglichkeit / Ihr / Al Humboldt / Dienstag / Oranienb[urger] Str. 67.“*)5
A. v. Humboldts Einstellung zum Sammeln und zu Sammlungen wäre unvollständig charakterisiert, wenn nicht noch seine unablässigen Bemühungen gewürdigt würden, dem Berliner Museum die Möglichkeit zu verschaffen, berühmte Sammlungen anzukaufen. Da hierfür die Etatsmittel selten ausreichten, musste der preußische König um Bewilligung angegangen werden. Unter der entscheidenden Fürsprache A. v. Humboldts gelangen die Beschaffungen einiger Sammlungen, die das Lebenswerk bedeutender Wissenschaftler darstellten und die damit im Sinne des Anliegens A. v. Humboldts öffentlich nutzbar gemacht wurden. Vor allem handelt es sich um paläontologische Sammlungen, wodurch der paläontologische Teil des Mineralogischen Museums ganz wesentlich entwickelt wurde. Im Einzelnen waren es die paläontologische Sammlung des 1832 verstorbenen, durch seine paläobotanischen Forschungen berühmt gewordenen Ernst Friedrich von Schlotheim (geb. 1764), die paläobotanische Sammlung des 1844 verstorbenen Forstbotanikers Heinrich Cotta (geb. 1763), die paläozoologische Sammlung „kolossaler vorweltlicher Tiere“ des Forschungsreisenden Albert Carl Koch (1804–1867) und schließlich die große Sammlung des mit Berlin engstens verbunden gewesenen, 1853 verstorbenen Leopold von Buch (geb. 1774), die das Material seiner zahlreichen Forschungsreisen enthielt.
Alexander von Humboldt hat somit auf vielfältige Weise die Sammlungen des Museums für Naturkunde in Berlin gefördert. Das von ihm gesammelte und vermittelte Material gehört zu dem bedeutendsten Kulturgut dieses Museums.
1 Hans-Joachim Bautsch & Hans-Peter Schultze: Prof. Dr. rer. nat. habil. Günter Hoppe zum 85. Geburtstag. In: Mitteilungen des Museums für Naturkunde Berlin. Geowiss. Reihe 7 (2004), S. 221–226, hier S. 222; sie enthält auch eine vollständige Bibliographie seiner Schriften. Diese Würdigung Hoppes bildet die Grundlage für den ersten Absatz im vorliegenden Text.
2 Seit dem 1. Januar 2009 ist es eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit dem vollständigen Namen „Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung“ (Anm. d. Redaktion).
3 Die Abbildung ist auch wiedergegeben in Alexander von Humboldt. Minerale und Gesteine im Museum für Naturkunde Berlin. Hrsg. von Ferdinand Damaschun und Ralf Thomas Schmitt. Göttingen 2019, S. 11 (Anm. d. Redaktion).
4 Gemeint ist der österreichische Montanwissenschaftler Franz Joseph Müller von Reichenstein (1740 oder 1742–1825) (Anm. d. Redaktion).