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Ingo Schwarz

Fahndung nach geraubtem Gold und Silber – 1839

Zusammenfassung

In einem nicht genau datierten Brief an seinen Freund, den Bankier Alexander Mendelssohn, zeigte sich Humboldt bestürzt über einen dreisten Raub von Gold, Silber und Edelsteinen aus dem Mineralogischen Museum in Berlin. Mit Hilfe von Zeitungsmeldungen über dieses Aufsehen erregende Verbrechen konnte Humboldts Brief genau datiert werden.

Im dem auf diesen Fund folgenden und zuerst 1983 veröffentlichten Aufsatz des Berliner Mineralogen Günter Hoppe werden die Tat und deren Aufklärung geschildert.

Abstract

In an ambiguously dated letter to his friend and banker Alexander Mendelssohn, Humboldt expressed his dismay at an audacious robbery of gold, silver and precious stones from the Mineralogical Museum in Berlin. With the help of newspaper reports on this spectacular crime, Humboldt’s letter could be precisely dated.

The follow-up article to this finding, published for the first time in 1983 by the Berlin mineralogist Günter Hoppe, describes the crime and its solving.

Resumen

En una ambiguamente fechada carta a su amigo, el banquero Alexander Mendelssohn, Humboldt expresa su consternación sobre un robo audaz de oro, plata y gemas del Museo Mineralógico en Berlín. Con ayuda de noticias de prensa sobre el crimen espectacular fue posible fechar con precisión la carta de Humboldt.

El artículo que sigue a este descubrimiento, publicado por primera vez en 1983 por el mineralogista berlinés Günther Hoppe, describe el crimen y su resolución.

Unter der überlieferten Korrespondenz Alexander von Humboldts mit dem Berliner Bankier Alexander Mendelssohn findet sich ein mit „Dienstag“ datierter Brief, dem der Schreiber dieses Postscriptum angefügt hat:

Mit Schrekken höre ich dass ein Theil der schönen Goldstuffen aus Sibirien die ich dem Museum geschenkt durch Einbruch mit vielen Edelsteinen gestohlen sind. Und Medaillen u[nd] geschnittene Steine des armen Museums bleiben ohne Aufsicht da man sich immer nicht zwischen Olfers und dem Cardinal seit 2 Jahren entscheiden kann.

Wann dieser Brief geschrieben wurde, war zunächst unbekannt. Man weiß, dass Humboldt wertvolle Gesteinsproben von seiner russisch-sibirischen Expedition 1829 nach Berlin gebracht hatte, die dem Königlichen Mineralienkabinett übergeben wurden. Wir wissen auch, dass der Mediziner und Diplomat Ignaz von Olfers seit Ende Juni 1839 das Amt des Direktors der Königlichen Museen zu Berlin bekleidete. Humboldt muss seine Zeilen wohl Mitte 1839 geschrieben haben. Mit „Cardinal“ bezeichnete er offenbar scherzhaft Christian Carl Josias Bunsen, Olfers’ Mitbewerber um die Leitung der königlich-preußischen Kunstsammlungen. Aber was hatte es mit dem Diebstahl von goldhaltigen Mineralien und Edelsteinen auf sich? In den „Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ („Spenersche Zeitung“) vom 29. Mai 1839 (Nr. 122, S. [8]) fand sich diese „Polizeiliche Bekanntmachung“:

Am 26sten d[ieses] M[ona]ts sind aus dem Königlichen Mineralien-Kabinette im Universitäts-Gebäude, die nachstehend verzeichneten Gegenstände gestohlen worden: 1) ein länglich massives Stück gediegenes Gold, 4 Mark 2 Quentchen schwer; 2) ein do. in einer dicken Platte und an einer Stelle durchbohrt, 5 Loth schwer; 3) ein rundliches Stück lichteres gediegenes Gold, mit einigen Eindrücken und etwas einsitzendem Quarz, 4 Loth schwer; 4) lichtes (messinggelbes) gediegenes Gold in einem kristallinischen Blech, etwa 2 ½ Zoll lang und 1 ½ Zoll breit; 5) ein 5 Mark 7 Loth schweres Stück gediegenes Silber mit ansitzendem Hornerz, um und um geschnitten, von unregelmäßiger länglicher Form, mit einigen Querreifen und unregelmäßigen Längeneinschnitten auf den beiden breitern Flächen, das untere Ende mit dem ansitzenden Hornerz eben geschnitten; 6) ein etwa einen Zoll starkes längliches und gebogenes Stück ästiges gediegenes Silber; 7) ein Klumpen gediegenes Platina, von 3 Pfund 6 ½ Loth, von hellglänzender Oberfläche aus dem Ural; 8) ein dergl[eichen] von 19 3/8 Loth von dunkeler Farbe an der Oberfläche; 9) ein dergl[eichen] lichteres von 5 ¼ Loth; 10) ein reines Stück Feuer-Opal aus Mexiko, etwa 7 Kubikzoll im Volumen groß, mit ein wenig ansitzendem gemeinem Opale; 11) ein loser Kristall von Smaragd in regulär sechsseitiger Säule, etwa ¾ Zoll hoch und über 3/8 Zoll dick; 12) ein eben so großer Smaragd, in sechsseitiger Säule mit abgestumpften Seitenkanten, kristallisirt auf schwarzem Thonschiefer, mit Kalkspath aufgewachsen, der Kristall ist etwas länger und dicker als der vorige; 13) ein berggrüner klarer Beryll, in Form eines länglichen Stockknopfes geschliffen; 14) kristallisirte Berylle mit vollkommener Erd-Kristallisation; 15) verschiedene Topase, weiße aquamarinfarbene und gelbe, deutlich kristallisirt, darunter zwei kleine brasilianische, unten gelb, oben rubinroth, in der gewöhnlichen Kristallform; auch ein wasserhelles Geschiebe von Topas; 16) ein Kristall von rothem Turmalin, einige geschliffene Hyacinthen, desgl[eichen] kristallisirte und in Körnern. Jedermann wird vor dem Ankaufe vorgenannter Sachen mit der Aufforderung gewarnt, von etwa bereits schon bekannten oder später sich noch ergebenen Verdachtsumständen, Behufs der Entdeckung des Thäters und Herbeischaffung des Entwendeten, der unterzeichneten Behörde unverzügliche Anzeige einzureichen. Berlin, den 28. Mai 1839.

Königl[iches] Polizei-Präsidium. v. Puttkammer.

Der gleiche Text erschien auch in der „Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ („Vossische Zeitung“) vom selben Tag. Damit wäre der Brief Humboldt annähernd zu datieren. Der Diebstahl fand am 26. Mai 1839 statt; das war ein Sonntag. Drei Tage später rückten die Zeitungen die polizeiliche Bekanntmachung über das Verbrechen mit einer Aufzählung des Diebesgutes ein. Die Meldung erschien also an einem Mittwoch; Humboldt hatte seine Klage aber an einem Dienstag geschrieben. Eine plausible Erklärung fand sich bei einem weiteren Sichten der Presse. Offenbar führte der Aufruf vom 26. Mai zu keinem Ergebnis, weshalb sich der Polizeipräsiden Eugen von Puttkamer (1800–1874) am 23. Juni noch einmal an die Leser der Berliner Zeitungen wandte. Der Text wurde dieses Mal allerdings um einen Satz erweitert:

Für die Entdeckung des Thäters und die Wiederherbeischaffung des Entwendeten wird eine Belohnung bis zum Belaufe von 200 Thlrn., für die Wiederherbeischaffung einzelner Gegenstände aber eine verhältnißmäßige Belohnung nach der Zahl und dem Werthe derselben hiermit ausgesetzt.

Diese zweite Bekanntmachung erschien in den Zeitungen vom 25. Juni (vgl. „Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“ Nr. 145, S. [7–8]). Dies war ein Dienstag. Wahrscheinlich hat Humboldt erst diese Nachricht gelesen und dem Freund und Bankier seine Bestürzung mitgeteilt. So kann der Brief auf den 25. Juni 1839 datiert werden.

Er ist nachzulesen in: Alexander von Humboldt – Familie Mendelssohn. Briefwechsel. Hrsg. v. Sebastian Panwitz und Ingo Schwarz unter Mitarbeit von Eberhard Knobloch. Berlin: Akademie Verlag 2011 (Beiträge zu Alexander-von-Humboldt-Forschung, Bd. 34), S. 105.

Wie die Geschichte des Diebstahls ausging, davon berichtet der folgende Aufsatz „Ein Museumsdiebstahl vor 144 Jahren“ von Günter Hoppe.

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