Tobias Kraft
Das Akademienvorhaben „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung“ (AvH-R) hat Anfang 2015 mit einer projektierten Laufzeit von 18 Jahren seine Arbeit an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Die Hauptaufgabe von AvH-R besteht in der vollständigen Herausgabe der Humboldt’schen Manuskripte zum Themenkomplex Reisen an der Schnittstelle von Kultur- und Naturwissenschaften. Die Schriftenreihe des Akademienvorhabens AvH-R läuft unter dem Titel Edition Humboldt und ist hybrid angelegt. Die Printedition der Tagebücher – Edition Humboldt – ist als Lesefassung konzipiert. Die Edition Humboldt digital zielt auf eine möglichst umfassende textorientierte Transkription und Kommentierung der Handschriften sowie auf eine intelligente Nutzung normdateibasierter Webdienste und Informationsangebote. Die ersten Ergebnisse wurden im Herbst 2016 der Öffentlichkeit unter avhr.bbaw.de präsentiert und werden hier zusammengefasst vorgestellt.
The Academy Project „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung [Travelling Humboldt – Science on the Move]“ (AvH-R) started in 2015 at the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and Humanities and has a project lifetime of 18 vears. Its main focus is the edition of Humboldt’s manuscripts on the topical complex ‘journeys’ at the intersection of cultural and natural sciences. The project’s series is designed as a hybrid edition under the title Edition Humboldt. Its print version is made for reading, while Edition Humboldt digital offers complete transcriptions, a critical apparatus and the intelligent use of digital components and interfaces. AvH-R’s first results were shown to the public in autumn of 2016 under avhr.bbaw.de and are presented here in a summarized version.
El proyecto de academia „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung [Centro Alejandro de Humboldt – Ciencia en Movimiento]“ (AvH-R) empezó en 2015 en la Academia de Ciencias y Humanidades de Berlín-Brandenburgo y tiene una duración estimada de 18 años. Su enfoque principal es la edición de los manuscritos de viaje humboldtianos en la intersección de ciencias naturales y culturales. La edición del proyecto bajo el título de Edition Humboldt tiene un diseño híbrido. Su versión impresa estará hecha para la lectura principalmente, mientras que Edition Humboldt digital ofrecerá transcripciones completas con apendices críticos y el uso inteligente de componentes e interfaces digitales. Los primeros resultados del trabajo de AvH-R se presentaron al público en otoño de 2016 bajo avhr.bbaw.de y son sintetizados aquí para su mayor difusión.
Das Akademienvorhaben „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung“ (AvH-R) hat Anfang 2015 mit einer projektierten Laufzeit von 18 Jahren seine Arbeit an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Die Hauptaufgabe von AvH-R besteht in der vollständigen Herausgabe der Humboldt’schen Manuskripte zum Themenkomplex Reisen an der Schnittstelle von Kultur- und Naturwissenschaften.
Die Tagebücher, Briefe und Nachlassdokumente, die im Zuge der großen Forschungsreisen Alexander von Humboldts entstanden sind, bilden nicht nur die lebenslange Grundlage für die Redaktion der Reiseberichte, sondern wurden ebenso für die Entfaltung des gesamten 29-bändigen Amerikanischen Reisewerkes sowie zur Arbeit an Asie centrale (1843) oder am Kosmos (1845–1862) herangezogen.
Abb. 1: Startseite der Edition Humboldt digital,
http://avhr.bbaw.de
Die Schriftenreihe des Akademienvorhabens AvH-R wird vom dem Projektleiter des Vorhabens Ottmar Ette herausgegeben und erscheint unter dem Titel Edition Humboldt. Im Zentrum der Edition Humboldt (bzw. Edition Humboldt digital, s. Abb. 1) steht die kommentierte Herausgabe der sogenannten Amerikanischen und Russisch-Sibirischen Reisetagebücher.
Die Tagebücher der Amerikanischen Reise (1799–1804) sind die Schlüsselquelle zum Verständnis von Humboldts Reisewerk und Grundlage zur Aufarbeitung seines wissenschaftlichen Erbes. Die rund 3500 Seiten verbinden Beschreibungen des Reiseverlaufs mit Messergebnissen, literarischen Reiseskizzen, wissenschaftlichen Essays, Zeichnungen und Skizzen.
Die Tagebücher der Russisch-Sibirischen Reise (1829) bestehen aus drei Konvoluten: die »Fragmente des Sibirischen Reise-Journals 1829« sowie zwei Bände mit später angefertigten Messungen zur Geodäsie und zum Erdmagnetismus. Die Aufzeichnung dieser Reise bilden die Grundlage für Humboldts dreibändiges Werk Asie centrale (1843).
Neben den Tagebüchern ediert das Vorhaben ausgewählte Bestände aus Humboldts Nachlass: Dokumente, Briefe, Notizen, Karten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Humboldts hemisphärischen Reisen stehen. Der erste Schwerpunkt ist der Themenkomplex Biowissenschaften, insbesondere Humboldts Aufzeichnungen zur Pflanzengeographie.
Auf Grundlage eines in TEI-XML erstellten Textkorpus’ erarbeitet das Vorhaben sowohl eine Print- als auch eine digitale Edition. Die Printedition der Tagebücher – Edition Humboldt – konzentriert sich auf eine Rekonstruktion des originären Reiseverlaufs und ist als Lesefassung konzipiert. Die Edition Humboldt digital zielt auf eine möglichst umfassende textorientierte Transkription und Kommentierung der Handschriften sowie auf eine intelligente Nutzung normdateibasierter Webdienste und Informationsangebote. Die digitale Edition geht in Umfang und Darstellungsform deutlich über die Möglichkeiten des Drucks hinaus und präsentiert bereits vor Drucklegung den aktuellen Stand der Arbeit an den Texten als work in progress.
Im Rahmen des Alexander von Humboldt-Tages am 16. September 2016 hat das Akademienvorhaben AvH-R die ersten Ergebnisse seiner Arbeit in Berlin vorgestellt. Seitdem stehen weit über 100 Dokumente im Netz, darunter
Die folgenden Einführungen geben einen ersten Eindruck von dem online verfügbaren Material. Alle Texte der Edition Humboldt digital können unter den Bedingungen der Creative Commons-Lizenz CC-BY-SA 4.01 nachgenutzt werden.
Auf 37 Seiten und angeklebten Zetteln notierte Alexander von Humboldt Erkenntnisse über die Sklaverei und skizzierte Analysen zu Wirtschaft, Bevölkerung, Gesellschaft und Politik. Das Tagebuchfragment stammt von seinem zweiten Aufenthalt auf Kuba 1804. Es markiert den Beginn von Humboldts intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema Sklaverei; eine Menschheitsfrage, die ihn bis zu seinem Lebensende beschäftigen sollte. Die Aufzeichnungen liegen in der Humboldt Edition digital erstmals in einer kommentierten Fassung vor.
Abb. 2: Isle de Cube. Antilles en général. Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Nachl. Alexander von Humboldt (Königliche Bibliothek) , Nachlass Alexander von Humboldt Bd. 3/1 Bl. 127–149, hier Bl. 128r (Public Domain)
[Auszug] Mit dem nun vorliegenden Manuskript Alexander von Humboldts „Isle de Cube“ schließt sich erneut eine Lücke der Humboldt-Forschung, nachdem vor einigen Jahren das fehlende Stück von Mexiko-Stadt nach Veracruz publiziert wurde.2 Es handelt sich um einen Text, der Humboldts und Bonplands zweiten Besuch auf Kuba vom 19. März bis zum 29. April 1804 beschreibt, also einen relativ kurzen Aufenthalt, bevor die beiden Forschungsreisenden sich über eine letzte Zwischenstation in den USA auf den Rückweg nach Europa machten. Während ihres ersten Aufenthaltes auf Kuba (19. Dezember 1800–29. März 1801) waren sie nach einem längeren Aufenthalt in Havanna in den Süden der Insel gereist, um mehrere Haciendas zu besuchen, und dann die Weiterreise zu Schiff von Trinidad Richtung Cartagena (Hafenstadt im heutigen Kolumbien) anzutreten. Nur von diesem Teil seiner Reise auf Kuba existierten bisher im Tagebuch Schilderungen.
[Auszug] Humboldt und Bonpland hielten sich, von Veracruz kommend, vom 19. März bis zum 29. April 1804 in Havanna auf. Über den zweiten Kuba-Aufenthalt war bisher noch weniger bekannt als über den ersten Kuba-Aufenthalt der beiden Reisenden. Mit dem hier publizierten Tagebuch hat die Humboldt-Forschung einen bedeutenden Forschungsgegenstand dazugewonnen. Der Hauptgegenstand des „Tagebuches Havanna 1804“ in seinen in real time geschriebenen Partien sind die Zucker- und Sklavereiwirtschaft Kubas sowie die extremen Lebensbedingungen der versklavten Bevölkerung Kubas und der Kolonien anderer europäischer Mächte in der Karibik.
[deutsche Zusammenfassung] Alexander von Humboldts Französisch zeigt Züge eines klassischen französischen Stils, der bis in das 17. Jahrhundert zurückreicht. Die nun vorliegende Edition des Tagebuchfragments Isle de Cube. Antilles en général erlaubt es, den vielschichtigen Charakter der Humboldt’schen Sprachverwendung nachvollziehbar und am Dokument überprüfbar zu machen. Es ist eine äußerst lebendige Sprache, die in Humboldts Verwendung viele Facetten ihrer historischen Entwicklung zeigt, dabei präzise und zugleich beweglich bleibt. Damit ist Humboldts Französisch einzigartig in seiner Zeit.
Der Themenschwerpunkt beinhaltet Humboldts Aufzeichnungen sowie die seiner Briefpartner und Mitarbeiter zur Pflanzengeographie. Die Arbeiten in dieser Disziplin zählen zu Humboldts wichtigsten Forschungsleistungen. In ihnen finden sich Überlegungen zur Theorie der Pflanzengeographie und Pflanzenarithmetik, zu den Landschaftstypen, den Bedingungen für die Wanderung von Pflanzen und deren Anpassung an klimatische Bedingungen.
Humboldt und Soemmerring lernten sich in Mainz im Umkreis von Ludwig Ferdinand Huber kennen. Huber unterhielt seit 1787 in Mainz einen geselligen Kreis, zu dem auch Georg Forster und Soemmerring gehörten. Soemmerring war seit 1784 an der Mainzer Universität Professor für Anatomie und Physiologie. Humboldt, der seit 1789 in Göttingen studierte, machte mit Soemmerring noch im gleichen Jahr Bekanntschaft.3
Abb. 3: Alexander von Humboldt an Samuel Thomas Soemmerring. Bayreuth, 6. Februar 1794. Stiftung Stadtmuseum Berlin, Inv. Nr. HU 99/01 QA
Von dem Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt und Samuel Thomas Soemmerring sind nur Briefe Humboldts überliefert. Der nur aus wenigen Briefen bestehende Briefwechsel konzentriert sich zwischen 1791 und 1796.
Aus Humboldts Briefen spricht die tiefe Verehrung eines Schülers zu seinem Lehrer. Humboldt berichtet Soemmerring von seinen Fortschritten im Studium, besonders aber teilt er ihm Erkenntnisse von seinen galvanischen Untersuchungen an Tieren mit und erbittet sich Stellungnahmen des Gelehrten.
Die Briefe stehen im Zusammenhang mit Humboldts Vorbereitungen zu seinem 1797 erschienenen Werk Versuche über die Gereizte Muskel- und Nervenfaser […] in der Thier- und Pflanzenwelt, das er „Dem großen Zergliederer S. Th. Sömmerring […] mit dankbarer Verehrung und Freundschaft“4 widmete. Ein sehr herzlicher Brief aus dem Jahre 1826 lässt vermuten, dass die Beziehung und die Korrespondenz nach 1796 nicht so abrupt abbrach wie die Überlieferung auf den ersten Blick glauben macht.
Einführung verfasst von Klaus Gerlach.
Ferdinand Julius Meyen und Alexander von Humboldt korrespondierten zwischen 1828 und 1838 miteinander. Es sind 21 Briefe Humboldts an den jungen Forscher erhalten geblieben, ein Brief Meyens an Humboldt ist zwar belegt, gilt aber als verschollen. Zusätzlich wurde noch ein Brief Alexander von Humboldts an die Witwe des im Alter von 36 Jahren verstorbenen jungen Forschers aufgenommen.
Abb. 4: Alexander von Humboldt an Franz Julius Ferdinand Meyen. Teplitz, 22. Juli 1837. Märkisches Museum – Stiftung Stadtmuseum Berlin, Berlin, Dokumentensammlung, Alexander von Humboldt, IV 74, 818 Q
Der Inhalt der ersten Briefe bezog sich auf verschiedene Arbeiten Meyens, vor allem zur Phytotomie, die dieser schon vor seiner Forschungsreise veröffentlicht und z. T. Humboldt gewidmet hatte. Auch nachdem Humboldt den Wunsch des jungen Gelehrten, ihn auf der Russlandreise zu begleiten, nicht erfüllen konnte, blieben die beiden Forscher in Kontakt. Wie einige Schreiben belegen, erwies sich Humboldt – wie in vielen anderen Fällen – als sehr hilfreich bei der Vermittlung von Kontakten zu Geldgebern. So war es mit seiner Hilfe möglich, Mittel für eine Forschungsreise zu beschaffen, die Meyen als Schiffsarzt von 1830–1832 nach Brasilien, Chile, Peru und Polynesien unternahm. Humboldt, der einige der Gebiete ebenfalls bereist hatte, gab dem jungen Forscher schon vor seiner Reise praktische Ratschläge für die wissenschaftliche Arbeit, die in der Korrespondenz ausführlich behandelt werden. Nach Rückkehr Meyens kam es zu gelegentlichen Treffen, die in der Korrespondenz nur erwähnt werden. Es kann als sicher gelten, dass auch bei dieser Gelegenheit, ähnlich wie in Humboldts Briefen, Meyens Beobachtungen und Forschungsergebnisse auf verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaften wie Geologie und Botanik, und hier besonders Taxonomie, Physiologie und Pflanzengeographie, eine Rolle gespielt haben. Besonders freute Humboldt, dass Meyen eine Monographie über Pflanzengeographie publizierte, die auch in ins Englische übersetzt wurde. Hier unterstützte er den jungen Forscher mit Messdaten aus seiner eigenen Arbeit.
Ein weiteres Thema der Briefe ist die berufliche Entwicklung Meyens.
Wie sehr Humboldt der plötzliche Tod des erst 36-jährigen Forschers berührte, belegt Humboldts Brief an dessen Witwe. Humboldt beließ es nicht bei der Kondolenz und der Lobpreisung des hoffnungsvollen Talentes, sondern bot auch praktische Hilfe bei der Umsetzung ihres Pensionsgesuches an.
Einführung verfasst von Petra Werner.
Der sehr lückenhaft überlieferte Briefwechsel der Duzfreunde Humboldt und Willdenow erstreckt sich von 1795 bis 1811. Unter Willdenows Anleitung hatte Humboldt in den 1780er Jahren seine ersten botanischen Studien betrieben. Es sind ausschließlich Briefe von Humboldt an Willdenow überliefert. Aus den Briefen der Jahre 1795 und 1796 erfahren wir von Humboldts frühen Forschungen zur Physiologie und seiner Schweizer Reise. Aus Humboldts berühmten Briefen an Willdenow vom 20. April 1799 aus Aranjuez und vom 21. Februar 1801 aus Havanna erfahren wir von den Schwierigkeiten und Problemen der Vorbereitung der ersten Amerikareise in Frankreich und Spanien sowie von seiner Ankunft und seinem Wirken in Südamerika.
Abb. 5: Alexander von Humboldt an Karl Ludwig Willdenow. Havanna, 21. Februar 1801. Deutsches Literaturarchiv, Marbach, Handschriftenabteilung, 68.593 A:Humboldt
Diese Briefe sind Muster dafür, wie Humboldt durch das Zusammentragen von botanischen, geographischen, meteorologischen, ethnologischen und statistischen Beobachtungen seine Umgebung, seien es nun Berge, Flüsse, Küsten, Ebenen oder Städte, erfasst und sowohl im Einzelnen als auch in ihrer Komplexität beschreibt. Sie geben Auskunft über Humboldts Reisen und Tätigkeiten während der fünfjährigen Expedition, seine Bemühungen, die Ergebnisse festzuhalten und vor allem sie später auszuwerten, wozu er Willdenow – angesichts der Überfülle des gesammelten Materials – offensichtlich früh interessieren wollte und schließlich auch als Mitarbeiter gewann.
Einführung verfasst von Klaus Gerlach und Ulrich Päßler.
Carl Sigismund Kunth ist in der Humboldt-Forschung vor allem als Mitarbeiter am botanischen Teil des amerikanischen Reisewerks bekannt. Geboren 1788 in Leipzig, arbeitete Kunth ab 1806 zunächst an der Seehandlungsgesellschaft in Berlin. Da ihm zu einer akademischen Laufbahn die Mittel fehlten, bildete er sich autodidaktisch weiter. Unterstützung und Anleitung erhielt er zudem durch den Botaniker Karl Ludwig Willdenow, der ab 1810 in Paris im Auftrag Humboldts das Herbar der amerikanischen Reise und Bonplands „Journal botanique“ ordnete und für die Publikation vorbereitete.
Abb. 6: Alexander von Humboldt an Carl Sigismund Kunth. Potsdam, Freitag, [24. November 1848]. Biblioteka Jagiellońska, Krakau, Handschriftenabteilung, Sammlung Autographa, A. von Humboldt (ehemals Preußische Staatsbibliothek, Berlin)
Nach Willdenows Tod rief Humboldt 1813 dessen Schüler Kunth von Berlin nach Paris, wo dieser zunächst die Nova genera et species plantarum nach der Sammlung und den Aufzeichnungen Bonplands und Humboldts ausarbeitete. Auch die weiteren Bände zur Botanik – Mimoses et autres plantes légumineuses, Révision des Graminées und vor allem die Synopsis plantarum – gab Kunth weitgehend selbständig heraus.
Zurück in Berlin übernahm Kunth 1829 eine Professur für Botanik an der Berliner Universität, zugleich trat er das Amt des Vizedirektors des Botanischen Gartens an. Die nur sehr lückenhaft überlieferte Korrespondenz Humboldts mit Kunth stammt zum überwiegenden Teil aus diesen Berliner Jahren, wobei den 57 Briefen Humboldts lediglich drei Schreiben Kunths gegenüberstehen. Der darin dokumentierte Austausch ist durchaus typisch für Humboldts Briefwechsel mit Berliner Gelehrten während seines letzten Lebensdrittels: Humboldt bat um wissenschaftliche Auskünfte, die in seine Werke einflossen und unterstützte die Korrespondenzpartner im Gegenzug nach Kräften. Kunth lieferte umfangreiche botanische Informationen für den ersten Band des Kosmos und die dritte Auflage der Ansichten der Natur. Humboldt seinerseits setzte sich erfolgreich für Pflanzenankäufe des Botanischen Gartens ein oder vermittelte zwischen Kunth und Cotta in Verlagsangelegenheiten. Kunth verdankte Humboldts Einsatz zudem eine durch das Kultusministerium bezahlte Erholungsreise und die Aufnahme in die Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite.
Die Briefe der 1840er Jahre – auch an Kunths Frau Marie-Josèphe – bekunden Humboldts zunehmende Sorge um den Gefährten aus Pariser Tagen. Kunth litt unter chronischen rheumatischen Schmerzen, hinzu kam eine seit 1845 nachweisbare Gemütserkrankung. Am 22. März 1850 wählte er den Freitod.
Einführung verfasst von Ulrich Päßler.
Diesen vermutlich Ende 1816 in Paris verfassten Fragenkatalog richtete Humboldt an den Botaniker und Forschungsreisenden Robert Brown. Die Fragen stehen zeitlich und inhaltlich mit Humboldts Schrift De Distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium, Prolegomena5 in Zusammenhang. Diese Prolegemona waren zunächst als Einleitung des ersten Bandes der Nova genera et species plantarum6 erschienen. Ab Ende 1816 erfolgte ein erweiterter Separatdruck7, der, wie aus Humboldts Datumsangabe im vorliegenden Dokument hervorgeht, Anfang 1817 möglicherweise noch nicht abgeschlossen war.
Einführung verfasst von Ulrich Päßler.
Abb. 7: Alexander von Humboldt: Fragen an Robert Brown zur Pflanzengeographie (Paris, 1816?). Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlass Alexander von Humboldt, gr. Kasten 12, Nr. 103, Bl. 3r–4v, hier Bl. 3r. Lizenziert unter CC BY-NC-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/)
Das Dokument enthält Robert Browns Antworten auf einen wohl Ende 1816 in Paris verfassten Fragenkatalog Humboldts zur Pflanzengeographie. Die zahlreichen Bearbeitungsspuren Humboldts in Form von Notizen und angeklebten Zetteln belegen eine immer wieder aufgenommene, mindestens bis in die späten 1840er Jahre reichende Beschäftigung mit diesem Manuskript.
Einführung verfasst von Ulrich Päßler.
Abb. 8: Robert Brown: Answers to Baron A. Humboldt’s queries on Botanical Geography (London, Ende 1816?). Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlass Alexander von Humboldt, gr. Kasten 12, Nr. 103, Bl. 6r–11v, hier Bl. 6r. Lizenziert unter CC BY-NC-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/)
Diese handschriftliche Notiz über den Artenreichtum des Berliner Botanischen Gartens stellte Carl Sigismund Kunth Humboldt für die dritte Auflage der Ansichten der Natur zur Verfügung. Humboldt veröffentlichte darin einen Teil dieses Manuskripts seines „vieljährigen Freundes und Mitarbeiters“.8 Es wird hier erstmals vollständig wiedergegeben.
Einführung verfasst von Ulrich Päßler.
Abb. 9: Carl Sigismund Kunth: Vortrag über die Artenvielfalt des Berliner Botanischen Gartens (Berlin, 27. Dezember 1846, Auszug). Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlass Alexander von Humboldt, gr. Kasten 8, Nr. 21, Bl. 1r–2v, hier Bl. 1r. Lizenziert unter CC BY-NC-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/)
In einem Anfang 1849 verfassten Schreiben bat Humboldt Carl Sigismund Kunth, ein Exemplar des bereits gedruckten (aber noch nicht veröffentlichten) zweiten Bandes der dritten Auflage der Ansichten der Natur9 durchzusehen. Humboldt beabsichtigte offenbar, Kunths Kommentare, Korrekturen und Zusätze in einer geplanten englischen Übersetzung10 zu berücksichtigen. Die hier dokumentierten Anmerkungen Kunths gingen jedoch nicht in die englische Ausgabe oder eine andere Ausgabe der Ansichten ein.
Einführung verfasst von Ulrich Päßler.
Abb. 10: Carl Sigismund Kunth: Berichtigungen und Ergänzungen zu Band 2 der Ansichten der Natur, 3. Auflage (Anfang 1849). Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Nachlass Alexander von Humboldt, gr. Kasten 8, Nr. 21, Bl. 3r–7r, hier Bl. 3r. Lizenziert unter CC BY-NC-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/de/)
Fiedler, Horst/Leitner, Ulrike (2000): Alexander von Humboldts Schriften. Bibliographie der selbständig erschienenen Werke. Berlin: Akademie Verlag (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 20).
Humboldt, Alexander von/Bonpland, Aimé/Kunth, Carl Sigismund (1815–1825[–1826]): Nova Genera et Species Plantarum quas in peregrinatione orbis novi collegerunt, descripserunt, partim adumbraverunt Amat. Bonpland et Alex. de Humboldt. Ex schedis autographis Amati Bonplandi in ordinem digessit Carol. Sigismund. Kunth. Accedunt tabulae aeri incisae, et Alexandri de Humboldt notationes ad geographiam plantarum spectantes. 7 Bände. Paris: Hautel (Voyage de Humboldt et Bonpland, Sixième Partie. Botanique).
Humboldt, Alexander von (1797): Versuche über die gereizte Muskel- und Nervenfaser nebst Vermuthungen über den chemischen Process des Lebens in der Thier- und Pflanzenwelt. Erster Band mit Kupfertafeln. 2 Bände. Posen, Berlin: Decker, Rottmann.
Humboldt, Alexander von (1817): De distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium prolegomena. Accedit tabula aenea. Paris: Libraria Graeco-Latino-Germanica.
Humboldt, Alexander von (1849): Ansichten der Natur, mit wissenschaftlichen Erläuterungen. Zweiter Band. Dritte verbesserte und vermehrte Ausgabe. 2 Bände. Stuttgart, Tübingen: Cotta.
Humboldt, Alexander von (1849a): Aspects of Nature, in Different Lands and Different Climates; with Scientific Eludications. 2 Bände. London: Longman, Brown, Green, and Longmans; John Murray.
Humboldt, Alexander von (1973): Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts 1787–1799. Herausgegeben und erläutert von Ilse Jahn und Fritz G. Lange. Berlin: Akademie-Verlag (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 2).
Humboldt, Alexander von (2005): Von Mexiko-Stadt nach Veracruz: Tagebuch. Herausgegeben von Ulrike Leitner. Berlin: Akademie Verlag (Beiträge zur Alexander-von-Humboldt-Forschung, 25).